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Interview: Martin Sonneborn
„Ich fahre grundsätzlich ohne Ticket“
Der „9-Euro-Fonds“ wurde 2022 mit Unterstützung der Satirepartei „Die Partei“ eingeführt, um gegen hohe Ticketpreise zu protestieren und Strafgelder zu übernehmen. Parteichef Martin Sonneborn im Interview.
Die Einführung des 9-Euro-Tickets sorgte im Sommer 2022 für mehr Bahnreisende in Deutschland. War der Ticketpreis zu Beginn noch vergleichsweise niedrig, hat er sich mit dem Deutschlandticket als Nachfolger stetig erhöht – zuletzt auf 58 Euro im Monat. Seit August 2022 gibt es deshalb das Protestprojekt „9-Euro-Fonds“. Das Konzept dahinter: Wer sich auf der Website registriert und neun Euro in den Solidaritätsfond einzahlt, den Nahverkehr dann ohne Ticket nutzt und dabei erwischt wird, bekommt das erhöhte Beförderungsentgelt vom Fonds bezahlt.
Gegründet wurde das Projekt von Aktivistinnen und Aktivisten, mit zentraler Unterstützung der Satirepartei „Die Partei“. Kurz vor der Bundestagswahl hat die Partei nun vorübergehend angekündigt, den „9-Euro-Fonds“ in den „0-Euro-Fonds“ umzuwandeln und bis zur Wahl tausend Menschen das Fahren ohne Fahrschein zu finanzieren, etwa auch in Frankfurt. Das JOURNAL hat mit dem Parteivorsitzenden und EU-Parlamentsmitglied Martin Sonneborn gesprochen.
Fahren ohne Ticket und die Probleme des Proletariats
JOURNAL FRANKFURT: Herr Sonneborn, wann sind Sie das letzte Mal ohne Ticket gefahren – rein aus investigativen Gründen natürlich?
Martin Sonneborn: Ich fahre grundsätzlich ohne Ticket. Da ich – wie alle Abgeordneten – eine Netzkarte der Deutschen Bahn in der Tasche habe, ist das aber nur in U-Bahnen spannend. Im Dezember, in Berlin, U7.
Der 9-Euro-Fonds wurde als Protest gegen steigende Nahverkehrspreise ins Leben gerufen. Glauben Sie, dass solche Aktionen langfristig zu einer Änderung der Verkehrspolitik führen können?
Nein, das geht nur über massiven öffentlichen Druck. Leider interessieren sich die großen Parteien nicht für den öffentlichen Nahverkehr. Oder die Probleme des Proletariats.
Die Forderung nach einem 9-Euro- oder 0-Euro-Ticket steht im Raum. Wie realistisch ist es, diese Idee angesichts der aktuellen Haushaltslage des Bundes umzusetzen?
Das ist uns egal. Wir wollen auf Dinge aufmerksam machen, Probleme lösen sollte eigentlich die Bundesregierung. Leider herrscht dort zurzeit ein eklatanter Fachkräftemangel.
Protest, Strafbarkeit und gesellschaftliche Wirkung
Kritiker werfen der Aktion vor, die Begehung von Straftaten zu fördern. Wie entgegnen Sie diesem Vorwurf, und wo ziehen Sie die Grenze zwischen zivilem Ungehorsam und Gesetzesbruch?
Mir egal. Wir sind eine PARTEI, und Parteien sind vom Vorwurf der organisierten Kriminalität im Strafgesetzbuch explizit ausgenommen. Gute Güte, sonst könnte man ja die CDU wegen Clankriminalität verklagen… Smiley! Und ein gutes Gewissen kaufen wir uns. Wir spenden Gewinne grundsätzlich an den Freiheitsfonds von Arne Semsrott. Der kauft damit Menschen aus dem Gefängnis frei. 7000 Menschen gehen jedes Jahr wegen mehrfachen Schwarzfahrens ins Gefängnis, die meisten zu Fuß.
Die Stadt Frankfurt hat sich entschieden, Schwarzfahren weiterhin konsequent zu verfolgen, während Städte wie Berlin Alternativen prüfen. Wie denken Sie über die Entscheidung der Stadt Frankfurt?
Falsch. Wir wollten den Fonds eigentlich einstellen, aber wir merken gerade, wie viele weniger gut betuchte PARTEI-Mitglieder ihn tatsächlich brauchen, um mobil sein zu können. Bis zur Wahl haben wir ihn jetzt auf 0 Euro reduziert, man muss sich lediglich unter www.9eurofonds.de anmelden. Nach der Wahl resümieren wir.
Ein Blick nach Frankreich und Tipps zum Schwarzfahren
In vielen europäischen Ländern gibt es günstigere oder sogar kostenlose Nahverkehrsangebote. Was hindert Deutschland Ihrer Meinung nach daran, ähnliche Modelle einzuführen?
Keine Ahnung. Finanzieren ließe sich das locker, das zeigen 35 französische Städte. Keine Visionen? Es war schon immer so? Oder wir wollen, dass rund 200 000 Verfahren jährlich unsere Gerichte von Wichtigerem abhalten...
Haben Sie Tipps, wie man sich als Bürger noch kreativ die Fahrkarte sparen könnte – natürlich im Rahmen der Legalität?
Als Schüler habe ich immer eine sehr dünne Schicht Kerzenwachs auf meinen Busfahrscheinen gehabt. Das war nachhaltig, denn damit konnte man sie locker drei, vier Mal verwenden. Und wenn Sie ein Priesterhemd mit Kollarkragen tragen, das weiß ich aus eigener Erfahrung, und dem Kontrolleur mit tiefer Stimme bedeuten „Eure Fahrscheinautomaten sind aber ganz schön kompliziert, mein Sohn…“, dann gehen Sie straffrei aus. Ihre weibliche Begleitung auch.
Info
Zur Person: Martin Sonneborn ist Satiriker, Journalist sowie Gründer und Bundesvorsitzender der Satirepartei „Die Partei“. Der ehemalige Chefredakteur der Titanic sitzt für seine Partei seit 2014 im Europäischen Parlament. Bekannt ist er dort für seine satirischen Reden, aber auch seine spitze Kritik an der EU-Politik. Seine Aktionen stoßen immer wieder auf geteilte Meinungen und sorgen oft für mediale Aufmerksamkeit. Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und dessen Förderung spielt für Sonneborn bereits länger eine Rolle und ist laut ihm eine zentrale Lösung im Kampf gegen den Klimawandel.
Gegründet wurde das Projekt von Aktivistinnen und Aktivisten, mit zentraler Unterstützung der Satirepartei „Die Partei“. Kurz vor der Bundestagswahl hat die Partei nun vorübergehend angekündigt, den „9-Euro-Fonds“ in den „0-Euro-Fonds“ umzuwandeln und bis zur Wahl tausend Menschen das Fahren ohne Fahrschein zu finanzieren, etwa auch in Frankfurt. Das JOURNAL hat mit dem Parteivorsitzenden und EU-Parlamentsmitglied Martin Sonneborn gesprochen.
JOURNAL FRANKFURT: Herr Sonneborn, wann sind Sie das letzte Mal ohne Ticket gefahren – rein aus investigativen Gründen natürlich?
Martin Sonneborn: Ich fahre grundsätzlich ohne Ticket. Da ich – wie alle Abgeordneten – eine Netzkarte der Deutschen Bahn in der Tasche habe, ist das aber nur in U-Bahnen spannend. Im Dezember, in Berlin, U7.
Der 9-Euro-Fonds wurde als Protest gegen steigende Nahverkehrspreise ins Leben gerufen. Glauben Sie, dass solche Aktionen langfristig zu einer Änderung der Verkehrspolitik führen können?
Nein, das geht nur über massiven öffentlichen Druck. Leider interessieren sich die großen Parteien nicht für den öffentlichen Nahverkehr. Oder die Probleme des Proletariats.
Die Forderung nach einem 9-Euro- oder 0-Euro-Ticket steht im Raum. Wie realistisch ist es, diese Idee angesichts der aktuellen Haushaltslage des Bundes umzusetzen?
Das ist uns egal. Wir wollen auf Dinge aufmerksam machen, Probleme lösen sollte eigentlich die Bundesregierung. Leider herrscht dort zurzeit ein eklatanter Fachkräftemangel.
Kritiker werfen der Aktion vor, die Begehung von Straftaten zu fördern. Wie entgegnen Sie diesem Vorwurf, und wo ziehen Sie die Grenze zwischen zivilem Ungehorsam und Gesetzesbruch?
Mir egal. Wir sind eine PARTEI, und Parteien sind vom Vorwurf der organisierten Kriminalität im Strafgesetzbuch explizit ausgenommen. Gute Güte, sonst könnte man ja die CDU wegen Clankriminalität verklagen… Smiley! Und ein gutes Gewissen kaufen wir uns. Wir spenden Gewinne grundsätzlich an den Freiheitsfonds von Arne Semsrott. Der kauft damit Menschen aus dem Gefängnis frei. 7000 Menschen gehen jedes Jahr wegen mehrfachen Schwarzfahrens ins Gefängnis, die meisten zu Fuß.
Die Stadt Frankfurt hat sich entschieden, Schwarzfahren weiterhin konsequent zu verfolgen, während Städte wie Berlin Alternativen prüfen. Wie denken Sie über die Entscheidung der Stadt Frankfurt?
Falsch. Wir wollten den Fonds eigentlich einstellen, aber wir merken gerade, wie viele weniger gut betuchte PARTEI-Mitglieder ihn tatsächlich brauchen, um mobil sein zu können. Bis zur Wahl haben wir ihn jetzt auf 0 Euro reduziert, man muss sich lediglich unter www.9eurofonds.de anmelden. Nach der Wahl resümieren wir.
In vielen europäischen Ländern gibt es günstigere oder sogar kostenlose Nahverkehrsangebote. Was hindert Deutschland Ihrer Meinung nach daran, ähnliche Modelle einzuführen?
Keine Ahnung. Finanzieren ließe sich das locker, das zeigen 35 französische Städte. Keine Visionen? Es war schon immer so? Oder wir wollen, dass rund 200 000 Verfahren jährlich unsere Gerichte von Wichtigerem abhalten...
Haben Sie Tipps, wie man sich als Bürger noch kreativ die Fahrkarte sparen könnte – natürlich im Rahmen der Legalität?
Als Schüler habe ich immer eine sehr dünne Schicht Kerzenwachs auf meinen Busfahrscheinen gehabt. Das war nachhaltig, denn damit konnte man sie locker drei, vier Mal verwenden. Und wenn Sie ein Priesterhemd mit Kollarkragen tragen, das weiß ich aus eigener Erfahrung, und dem Kontrolleur mit tiefer Stimme bedeuten „Eure Fahrscheinautomaten sind aber ganz schön kompliziert, mein Sohn…“, dann gehen Sie straffrei aus. Ihre weibliche Begleitung auch.
Zur Person: Martin Sonneborn ist Satiriker, Journalist sowie Gründer und Bundesvorsitzender der Satirepartei „Die Partei“. Der ehemalige Chefredakteur der Titanic sitzt für seine Partei seit 2014 im Europäischen Parlament. Bekannt ist er dort für seine satirischen Reden, aber auch seine spitze Kritik an der EU-Politik. Seine Aktionen stoßen immer wieder auf geteilte Meinungen und sorgen oft für mediale Aufmerksamkeit. Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und dessen Förderung spielt für Sonneborn bereits länger eine Rolle und ist laut ihm eine zentrale Lösung im Kampf gegen den Klimawandel.
14. Januar 2025, 09.30 Uhr
Till Taubmann
Till Christian Taubmann
Jahrgang 1997, Studium in Kommunikationsdesign an der Hochschule Mainz, Arbeit als freier Illustrator, seit Januar 2023 beim JOURNAL FRANKFURT. Mehr von Till Christian
Taubmann >>
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