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Foto: @picture alliance/dpa | Arne Dedert
Foto: @picture alliance/dpa | Arne Dedert

Das war 2023

Ist das Kultur oder kann das weg? – Der Jahresrückblick

Im vergangenen Jahr hat sich in Frankfurt kulturell einiges getan. Das JOURNAL blickt unter anderem zurück auf die Debatte um die documenta 15, das 75. Jubiläum der Buchmesse und 100 Jahre Jazz in Frankfurt.
documenta 15: Jüdische Gemeinde Frankfurt diskutiert über Kunstfreiheit
Um auf das Jahr 2023 zurückblicken zu können, muss zunächst auch ein Blick in die weitere Vergangenheit geworfen werden: Nämlich auf den Zeitraum vom 18. Juni bis zum 25. September 2022, in dem die documenta 15 in Kassel stattfand. Kuratiert wurde sie von dem indonesischen Künstlerinnenkollektiv ruangrupa, das der israelfeindlichen BDS-Bewegung nahesteht. Darüber hinaus stand vor allem ein Banner mit antisemitischer Bildsprache im Fokus der öffentlichen Empörung sowie der Umgang mit den Antisemitismus-Vorwürfen vonseiten der Verantwortlichen.

Die Jüdische Gemeinde Frankfurt nahm dies zum Anlass, um im März in ihrem Gemeindezentrum über die „Kunstfreiheit am Limit“ zu diskutieren. Im weiteren Verlauf des Jahres traten erst zwei Mitglieder der Findungskommission für die nächste documenta zurück, dann löste sie sich komplett auf. Wie die Ausstellung fortbesteht, bleibt ungewiss.

MMK Frankfurt: Mitarbeitenden drohen Verdachtskündigungen
Nachdem Mitarbeitende des Museums für Moderne Kunst Frankfurt ebenfalls noch im vergangenen Jahr an die Öffentlichkeit getreten waren, um die Zustände im Museum zu kritisieren, wurde im März 2023 bekannt, dass ihnen dafür juristische Konsequenzen aufgrund von Arbeitspflichtverletzungen drohen könnten. MMK-Direktorin Susanne Pfeffer und Kulturdezernentin Ina Hartwig äußerten sich zu den Vorwürfen und betonten, die Anhörungen im Kulturamt dienten „zunächst der Aufklärung des Sachverhalts“ und man werde nach Ende der Mediation „neue Wege“ gehen, „um gemeinsam an der Verbesserung der Strukturen zu arbeiten“. In der August-Ausgabe des JOURNALS schrieb Pfeffer dann in der Reihe „Demokratie gestalten“ über die Auseinandersetzung mit der Gegenwartskunst.




@Dirk Ostermeier

Umzug in den Bethmannhof: Massif Central und Vogel Strauss eröffnen
Im April startete der Umzug des Kreativzentrums Massif Central aus der alten Location in der Eschenheimer Landstraße in das neue Zuhause im Bethmannhof nahe des Frankfurter Römers. Apropos Römer: Bei einem Live-Talk im Juli erzählte Gründer Florian Jöckel, dass am neuen Standort künftig ein Co-Working-Space entstehen soll, „wo aus Mike Josef der Mike wird“. Im Zuge der Europäischen Woche des Sports im September wurde das Massif Central im Handumdrehen zum Bootcamp umfunktioniert und die JOURNAL-Chefredakteurin Jasmin Schülke zum Schwitzen gebracht. Am 12. Oktober ist schließlich der Vogel Strauss im Bethmannhof gelandet, ein neuer Concept-Store, der an den ehemaligen Gasthof „Zum Strauß“ erinnert, in dem seinerzeit schon Luther untergekommen sein soll.

Nach Corona: Nacht der Museen und Ausstellung im Historischen Museum
Nach drei Jahren coronabedingter Pause fand am 13. Mai erstmals wieder die Nacht der Museen in Frankfurt und Offenbach statt. Von 19 Uhr abends bis 2 Uhr nachts konnten Besucherinnen und Besucher 48 Museen und Galerien besichtigen. Neu mit dabei waren das Romantikmuseum und das Museum für moderne elektronische Musik (MOMEM) an der Hauptwache. Am 24. und 25. Juni wurden dann im Historischen Museum Frankfurt Objekte gezeigt, die an die Pandemie, an die Lockdowns und Quarantäne sowie an das Virus an sich erinnerten. Unter anderem: ein Corona-Hochhaus aus Teststäbchen.

Sommer in Frankfurt: Mainkai, Museumsufer, Metzlerpark und viele mehr
Auf die Nacht der Museen folgten im Sommer zahlreiche weitere Feiern und Feste in Frankfurt: Am 13. Juli begann das bunte Treiben rund um den „Christopher Street Day“ mit großem Straßenfest an der Konstablerwache und der Demonstration zwei Tage später. Weiter ging es am 20. Juli mit dem Theaterfestival „Barock am Main“ im Hof der Höchster Porzellan-Manufaktur. Für das kommende Jahr wurde die Veranstaltung aufgrund von Problemen mit einer benachbarten Elektrofirma leider abgesagt. Außer Barock gab es beim „Sommer am Main“ auch dieses Jahr wieder eine Reihe von Sport- und Kulturveranstaltungen auf dem gesperrten Mainkai. Vom 4. bis zum 7. August fand mit dem Mainfest dort zwischenzeitlich Frankfurts ältestes Volksfest statt und am letzten August-Wochenende dann traditionell das Museumsuferfest. Gleichzeitig wurde im Metzlerpark mit „El Barrio“ ein temporäres Stadtviertel für kulturelle Vielfalt und gesellschaftlichen Dialog eingerichtet.

Zu Gast bei Gucci: Frankfurt Fashion Lounge
Temporär war auch die Frankfurt Fashion Week, die im Sommer 2022 zum ersten und einzigen Mal in der Mainmetropole abgehalten wurde. „Kein Publikumsmagnet“, lautete kürzlich das Urteil des Magistrats. Umso hartnäckiger hielt sich jedoch die Fashion Lounge unter der Leitung von Sevinc Yerli in Frankfurt: Von Ende Juni bis Anfang Juli 2023 wurden 25 Orte in der Stadt von ihr bespielt, das Herzstück darunter war das Hotel Sofitel Opera, in dem die Veranstaltungen von der „Germany’s Next Topmodel“-Gewinnerin aus dem Jahr 2016, Kim Hnizdo, moderiert wurden. Außerdem war die Fashion Lounge dieses Jahr erstmals bei Gucci auf der Goethestraße zu Gast.





picture alliance / Foto Huebner

Ganz ohne Eisberg: Satiremagazin Titanic auf Rettung angewiesen
Ist die eine Titanic bereits im Jahr 1912 gesunken, war die andere 2023 auf Rettung angewiesen: Im September gab das Satiremagazin „Titanic“ mit redaktionellem Sitz in Frankfurt bekannt, vor dem Aus zu stehen. 5000 neue Abonnements sollten her, um den drohenden Konkurs abzuwenden. Das Ziel wurde innerhalb von zwei Wochen um mehr als 1000 Abos übertroffen, hinzu kamen über 34 000 Euro an Spenden, verriet Chefredakteurin Julia Mateus im Interview. Die Titanic sei dennoch zwar „so pleite wie noch nie“, aber vorerst gerettet und der Posten des Mäzen vakant.

Doppel-Jubiläum: 75. Frankfurter Buchmesse und 14 Jahre Open Books
Im Oktober feierte die Frankfurter Buchmesse ihren 75. Geburtstag – auch als demokratischer Ort des Austausches. Angesichts des Terror-Angriffs der Hamas Anfang des Monats stand die Buchmesse im Zeichen der Solidarität mit Israel und wurde als Anlass genutzt, um über Antisemitismus und Krieg zu sprechen. Gleich bei der Eröffnungsfeier kam es zu einem Eklat durch die Rede des slowenischen Philosophen Žižek, der sagte, einen jüdischen Staat im Nahen Osten habe schon der Nationalsozialist Reinhard Heydrich gutgeheißen.

Bereits einen Tag vor der Eröffnung erhielt der Autor Toni Schachinger den Deutschen Buchpreis für seinen Coming-of-age-Roman „Echtzeitalter“. Neben slowenischer Kunst gab es auf der Buchmesse viel zu sehen bzw. zu hören: Schauspieler Gunnar Solka trug Geschichten queerer Geflüchteter – die Rainbow Stories – vor und zum Abschluss wurde „goofy“ am Messesonntag als Jugendwort des Jahres 2023 gekürt. Gleichzeitig wurde auch das Lesefest „Open Books“ 14 Jahre alt.




Foto: Die Frankfurter Hot Club Combo, um 1942: Charly Petri (cl), Karl Gruhn (git), Horst Lippmann (b), Hans Otto Jung (p), Carlo Bohländer (trp) und Hanns Podehl (dr) © Lippmann-Nachlass/Archiv Jazzinstitut Darmstadt

November-Titelstory: ein Jahrhundert Jazz in Frankfurt
In der November-Ausgabe titelte das JOURNAL „Ein Jahrhundert Jazz in Frankfurt“ und begab sich gemeinsam mit den Leserinnen und Lesern auf eine Reise durch die Stadt, von den Goldenen Zwanzigern bis in die Gegenwart. Auch das Jahr 2023 war in Frankfurt vom Jazz geprägt und die Klänge überall in der Stadt zu hören: bei „Jazz im Palmengarten“ oder „Jazz connects RheinMain“ im Forum Improvisierter Musik, zwischen den Fachwerkhäusern beim Altstadtjubiläum und beim Fabrik Jazz Festival. In der Discoteca Montez wurde der Frage nachgegangen, was die Gesellschaft vom Jazz lernen kann. Das Deutsche Jazz Festival feierte im hr-Sendesaal sein 70-jähriges Bestehen und der Saxophonistin Corinna Danzer wurde im Zuge des Hessischen Jazzpodiums der Hessische Jazzpreis 2023 verliehen. Für das kommende Jahr ist bereits eine neue Jazz-Konzertreihe im Holzhausenschlösschen angekündigt.

Vom Jazz zum Techno: 20 Jahre Tanzhaus West
Nicht ganz so alt wie der Jazz in Frankfurt ist der Techno, oder genauer genommen ein ganz bestimmter Technotempel: das Tanzhaus West. Anlässlich seines 20. Geburtstags wurde hier im November zwei Tage lang gefeiert – dem Clubsterben zum Trotz. Eine Zeit lang stand es auch um das Tanzhaus nicht gut, denn der Eigentümer der Immobilie wollte verkaufen. Letztendlich raffte sich die Kommunale Entwicklungsgesellschaft, eine städtische Tochter, auf und rettete den Kulturort. Dann kam Corona: „Wir Clubs wurden ja als erste geschlossen und durften erst als letzte wieder aufmachen“, resümierte Tanzhaus-Gründer Matthias Morgenstern im JOURNAL. Umso schöner, dass die Türen des Technotempels weiterhin geöffnet bleiben.

Abschied: Moses Pelham kündigt Rücktritt an
„Liebe Freunde, in mir reift schon seit einigen Jahren der Wunsch, mein Werk nach meinen Vorstellungen zu vollenden, bevor es zu spät ist“ – Mit diesen Worten kündigte Frankfurter Urgestein und Rap-Pionier Moses Pelham Mitte November auf Instagram sein finales Album „Letzte Worte“ an. Aus der Abschieds-Tour mit zwei Konzerten wurden nach Batschkapp-Vorverkaufs-Rekord im Nu fünf. Die letzte Show soll am 21. Dezember 2024 stattfinden.

Und damit verabschiedet sich auch die JOURNAL-Redaktion und wünscht Frohe Weihnachten!
 
29. Dezember 2023, 06.31 Uhr
Sina Claßen
 
Sina Claßen
Studium der Publizistik und des Öffentlichen Rechts an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2023 beim Journal Frankfurt. – Mehr von Sina Claßen >>
 
 
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Text: Lukas Mezler / Foto: Mystische Wesen begrüßen die Besucher © Wolfgang Günzel
 
 
 
 
 
 
 
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