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Meinung
Fehlgeleitete Protestkultur
In Höchst wurde das Bismarck-Denkmal gestürzt. Anonyme Aktivisten der „Antikolonialen Bewegung“ haben sich dazu bekannt. Und man muss sich fragen: Was soll das?
In Hamburg-Altona ging es Bismarck bereits vor einigen Jahren mit einem Farbanschlag an den Kragen, in Frankfurt stand das Denkmal noch unbehelligt auf seinem Sockel – bis zum vergangenen Freitag. Unbekannte haben die Bronzestatue erst angesägt und dann vom Sockel gestoßen. Ein Schriftzug „colonizer“, der auf eine politisch motivierte Tat verweist, wurde aufgesprayt, im Internet gibt es ein anonymes Bekenntnis („one Colonizer down“). Der Staatsschutz ermittelt. Wenn es keine Sachbeschädigung wäre, müsste man ob der Geschichtsblindheit der Aktivistinnen und Aktivisten fast lachen, denn Frankfurts Beziehung zu dem mächtigen Staatsmann war ja schon immer – vorsichtig formuliert –schwierig.
Unsere Vorfahren hätten die Aktion wahrscheinlich begrüßt, allerdings aus anderen Gründen. Schließlich hatte Bismarck als preußischer Ministerpräsident die Freie Stadt Frankfurt im Juli 1866 besetzen lassen, weil diese sich zum Deutschen Bund bekannte. Drei Monate später folgten die Annexion und damit einhergehend Repressalien von mehr als 30 Millionen Gulden. Dem Dichter Friedrich Stoltze fiel zur Causa nur so viel ein: „No immerhin, die alte Frei-, Reichs-, Wahl-, Krönungs-, Meß- und Hannelsstadt is jetzt e preußisch Provinzstadt worn.“
Setzepfandt: ,,Bismarck mochte die Frankfurter nicht und die Frankfurter mochten Bismarck nicht"
,,Bismarck mochte die Frankfurter nicht und die Frankfurter mochten Bismarck nicht", resümiert Städteführer Christian Setzepfandt. Daher wird dem ersten deutschen Reichskanzler auch nicht mit einem Denkmal auf dem – sagen wir mal – Opernplatz gedacht, sondern eher verschämt auf einem wenig repräsentativen Plätzchen am Rande der Rudolf-Schäfer-Anlage in Höchst. Gestiftet wurde das Denkmal von national gesinnten Einwohnerinnen und Einwohnern. Die überlebensgroße Bronzestatue wurde 1899, ein Jahr nach dem Tod des Kanzlers, enthüllt. Bismarck trotzte dort sogar den Nazis, die ein 1908 fertiggestelltes Denkmal in der Gallus-Anlage 1940 im Zuge der „Metallspende des deutschen Volkes“ einschmolzen. Dann kam die „Antikoloniale Bewegung“.
„Fehlgeleitete Erinnerungskultur“: Richtet sich der Protest gegen die richtige Person?
Nun nehmen wir mal die Vorwürfe der Aktivisten genauer unter die Lupe. Sie wollen mit ihrer Aktion ein Zeichen setzen gegen „den Kolonialismus und eine fehlgeleitete Erinnerungskultur“. Doch richtet sich der Protest gegen die richtige Person? Bismarck habe zwischen 1882 und 1885 eine aktive Kolonialpolitik betrieben. Auf der Berliner Kongokonferenz sei es 1884/85 um das Abstecken von Einflusssphären der Kolonialmächte gegangen. Es sei ein Länderschacher über die betroffenen afrikanischen Fürstentümer hinweg gewesen, so wie es im 19. Jahrhundert üblich war, erklärte der Historiker Ulrich Lappenküper 2020 in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. Bismarck habe mit der Konferenz aber etwas ganz anderes erreichen wollen: einen Ausgleich mit Frankreich und habe sich dezidiert hinter die französischen Interessen gestellt, um Frankreich von Revanchegelüsten abzulenken, sagte Lappenküper. Der Kolonialpolitik habe der Reichskanzler „bemerkenswert reserviert“ gegenüber gestanden.
Denkmäler kritisch aufarbeiten, aber nicht entfernen
Man solle Denkmäler kritisch aufarbeiten, aber nicht entfernen, sagt Historiker Christoph Cornelißen 2020 in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau und fährt fort: „Das Problem bei Bismarck ist, dass er von den kolonialen Agitatoren zunächst überzeugt werden musste, ein Kolonialreich zu gründen. Er hat sich nur widerwillig auf diesen politischen Weg begeben. Insofern ist er nicht der optimale Bezugspunkt des antikolonialen Protests.“
Dies ist alles viel zu differenziert gedacht für die Aktivistinnen und Aktivisten der „Antikolonialen Bewegung“. Eine kritische fundierte Auseinandersetzung ist allerdings auch anstrengender als in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Kettensäge anzusetzen. Wir haben es also hier vielmehr mit einer fehlgeleiteten Protestkultur anstatt Erinnerungskultur zu tun.
Unsere Vorfahren hätten die Aktion wahrscheinlich begrüßt, allerdings aus anderen Gründen. Schließlich hatte Bismarck als preußischer Ministerpräsident die Freie Stadt Frankfurt im Juli 1866 besetzen lassen, weil diese sich zum Deutschen Bund bekannte. Drei Monate später folgten die Annexion und damit einhergehend Repressalien von mehr als 30 Millionen Gulden. Dem Dichter Friedrich Stoltze fiel zur Causa nur so viel ein: „No immerhin, die alte Frei-, Reichs-, Wahl-, Krönungs-, Meß- und Hannelsstadt is jetzt e preußisch Provinzstadt worn.“
,,Bismarck mochte die Frankfurter nicht und die Frankfurter mochten Bismarck nicht", resümiert Städteführer Christian Setzepfandt. Daher wird dem ersten deutschen Reichskanzler auch nicht mit einem Denkmal auf dem – sagen wir mal – Opernplatz gedacht, sondern eher verschämt auf einem wenig repräsentativen Plätzchen am Rande der Rudolf-Schäfer-Anlage in Höchst. Gestiftet wurde das Denkmal von national gesinnten Einwohnerinnen und Einwohnern. Die überlebensgroße Bronzestatue wurde 1899, ein Jahr nach dem Tod des Kanzlers, enthüllt. Bismarck trotzte dort sogar den Nazis, die ein 1908 fertiggestelltes Denkmal in der Gallus-Anlage 1940 im Zuge der „Metallspende des deutschen Volkes“ einschmolzen. Dann kam die „Antikoloniale Bewegung“.
Nun nehmen wir mal die Vorwürfe der Aktivisten genauer unter die Lupe. Sie wollen mit ihrer Aktion ein Zeichen setzen gegen „den Kolonialismus und eine fehlgeleitete Erinnerungskultur“. Doch richtet sich der Protest gegen die richtige Person? Bismarck habe zwischen 1882 und 1885 eine aktive Kolonialpolitik betrieben. Auf der Berliner Kongokonferenz sei es 1884/85 um das Abstecken von Einflusssphären der Kolonialmächte gegangen. Es sei ein Länderschacher über die betroffenen afrikanischen Fürstentümer hinweg gewesen, so wie es im 19. Jahrhundert üblich war, erklärte der Historiker Ulrich Lappenküper 2020 in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. Bismarck habe mit der Konferenz aber etwas ganz anderes erreichen wollen: einen Ausgleich mit Frankreich und habe sich dezidiert hinter die französischen Interessen gestellt, um Frankreich von Revanchegelüsten abzulenken, sagte Lappenküper. Der Kolonialpolitik habe der Reichskanzler „bemerkenswert reserviert“ gegenüber gestanden.
Man solle Denkmäler kritisch aufarbeiten, aber nicht entfernen, sagt Historiker Christoph Cornelißen 2020 in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau und fährt fort: „Das Problem bei Bismarck ist, dass er von den kolonialen Agitatoren zunächst überzeugt werden musste, ein Kolonialreich zu gründen. Er hat sich nur widerwillig auf diesen politischen Weg begeben. Insofern ist er nicht der optimale Bezugspunkt des antikolonialen Protests.“
Dies ist alles viel zu differenziert gedacht für die Aktivistinnen und Aktivisten der „Antikolonialen Bewegung“. Eine kritische fundierte Auseinandersetzung ist allerdings auch anstrengender als in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Kettensäge anzusetzen. Wir haben es also hier vielmehr mit einer fehlgeleiteten Protestkultur anstatt Erinnerungskultur zu tun.
19. November 2024, 09.15 Uhr
Jasmin Schülke
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. Mehr von Jasmin
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