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Besuch in Tel-Aviv
Wie geht es der Partnerstadt von Frankfurt?
Tel Aviv ist Frankfurts Partnerstadt. Ein Besuch in Israels Mittelmeer-Metropole mit gemischten Gefühlen. In einer Stadt, die sich gerade wieder selbst findet.
Eine Reise unter dem Motto: Wie kriege ich das zusammen? Schon die Ankunft in Tel Aviv, am Flughafen Ben Gurion, zeigt einem, in welche Situation man kommt. Noch vor dem Gepäckband laufen wir an den Porträts der von der Hamas verschleppten Menschen vorbei. Die Plakate stehen da einfach neben dem Rollband. Fotos der Würde und der Mahnung, eine starke Begrüßung. Mich macht das nachdenklich, aber auch neugierig.
Schließlich ist Tel Aviv-Jaffa Frankfurts Partnerstadt. Beide Metropolen haben viel gemeinsam, das kenne ich von früheren Reisen, die aber mehr als zehn Jahre zurückliegen. Bei der Größe fängt es an. Für eine Weltstadt sind beide eigentlich viel zu klein – Frankfurt 700 000 Einwohner, Tel Aviv knapp 500 000. Aber in der Bedeutung überragen beide Städte die Einwohnerzahl bei weitem. Jeweils der größte Flughafen des Landes – das prägt eine Stadt.
Und eine lebendige Zivilgesellschaft, hauptsächlich samstags wird demonstriert (in Tel Aviv wie in Frankfurt). Zurzeit kommen jeden Samstagabend bis zu 150 000 zu Demos gegen Ministerpräsident Netanjahu. Geschäftig, politisch wach und unterschätzt sein, mit diesem Urteil können Tel Aviver und Frankfurterinnen gut leben.
„Wir haben jetzt unser Tel Aviv wieder zurück“
Meine Reise findet Ende Juni 2024 statt. Eingeladen wurde eine Gruppe Journalisten, eine touristische Reise zu unternehmen. Diese Reise soll nicht unter dem Motto stehen: „Macht Urlaub, wo andere Krieg machen“, sondern sie soll die Orte zeigen, die man auch heute, in der schwierigen Lage, individuell
gut bereisen kann. Ich erlebe eine Stadt Tel Aviv und ein Land Israel, wo die Menschen zwischen dem Schock vom 7. Oktober, der Trauer danach, dem Trotz, der darauf folgte, und nun einer andauernden Kriegsangst hin- und hergeschüttelt sind.
Dazu kommt die Zerrissenheit der politischen Landschaft, und vor Ankunft am Flughafen Tel Aviv fragte ich mich kurz: Dort soll Lebensfreude herrschen? Eigentlich eine seltsame Frage, denke ich sofort, denn eine gewisse Art von Lebensfreude ist einfach nur menschlich und herrscht eigentlich überall. Besonders aber in Tel Aviv, merke ich dann gleich.
Meine Freunde in der Mittelmeermetropole sagen mir am ersten Abend, kurz nach meiner Ankunft: „Wir haben jetzt unser Tel Aviv wieder zurück.“ Sie meinen damit, dass sie jetzt wieder Zeit finden, ab und zu eines dieser tollen Restaurants wie das Aria in der Nahalat Binyamin Straße zu besuchen, oder in eine coole Bar zu gehen. Wochenlang waren sie mit Volunteering beschäftigt. Eine meiner Bekannten hat zum Beispiel Dialyse-Patienten zur Klinik gefahren, drei Mal pro Woche. Es war einfach viel zu tun, und das alles neben dem regulären Job.
„In Haifa wird gearbeitet, in Jerusalem wird gebetet und in Tel Aviv wird gefeiert“
Die Unterstützung galt den Evakuierten. Das sind die Menschen, die in den Kibbuzim im Süden, in der Nähe des Gaza-Streifens lebten und nach dem Terrorangriff keine Bleibe mehr hatten. „Diese Flüchtlinge kamen ohne alles, ohne Schuhe, ohne Koffer, wir mussten für sie alles neu organisieren“, sagen meine Freunde. Dann kamen die Evakuierten aus dem Norden.
Rund 150 000 Menschen aus dem Grenzgebiet zum Libanon und rund um die Golanhöhen können wegen ständiger Angriffe schon länger nicht in ihrem Zuhause leben. Sie sind im ganzen Land untergebracht. In Gastfamilien, in Hotels (viele stehen zurzeit ja leer). „Diese Evakuierten kamen mit genauso vielen Sorgen wie die aus dem Süden, aber immerhin mit Koffern und den nötigsten Dingen“, verraten meine Freunde.
© Jens Prewo
Die Zivilgesellschaft organisierte vieles, und es wurde eine App programmiert, über die man Dinge spenden konnte, auch Arbeitsstunden. Wer will helfen? Wer braucht Hilfe? Keine staatliche Stelle dazwischen, das funktionierte gut und passt zu den Israelis. Diese App soll jetzt weltweit in anderen Krisengebieten zur Verfügung gestellt werden. Es gibt ja den alten Spruch: „In Haifa wird gearbeitet, in Jerusalem wird gebetet und in Tel Aviv wird gefeiert“, das scheint heute wieder der Fall zu sein.
Angst vor GPS-gesteuerten Raketen um Frankfurts Partnerstadt
Der Vorteil für Touristen: Es ist ziemlich leer an praktisch allen Orten, die sonst überfüllt sind. Besonders in Jerusalem ist das zum Greifen nahe: Grabeskirche, Gartengrab, Golgatha, Ölberg – alles ohne Warteschlange zu besichtigen. Und auf unserer Station am See Genezareth werden wir sogar mit den Worten empfangen „You are our Heroes“ – wir seien also quasi Helden, weil wir uns nicht abschrecken lassen, neugierig zu sein und ins Heilige Land kommen.
Wie Helden sehen wir uns aber natürlich nicht, wir fühlen uns ja sicher und entbehren nichts. Etwas seltsam ist nur, dass es im Norden – rund um Akkon und Haifa und an manchen Orten in Galiläa kein GPS-Signal gibt, beziehungsweise nur ein gestörtes. Die Navigations-App zeigt dann immer an, man befinde sich im Flughafen Beirut. Das wird gemacht, damit GPS-gesteuerte Raketen nicht einsetzbar sind.
Die Tourismus-Zahlen sind eingebrochen, es kommen zurzeit vielleicht noch circa zehn bis 15 Prozent der Reisenden von früher, wird uns in Capernaum gesagt (da wo die biblische Geschichte mit der Fisch-Vermehrung spielt). „Und das, nachdem wir im Jahr 2019 auf dem absoluten Tourismus-Höhepunkt waren und schon über ‚over tourism‘ gesprochen hatten“, sagt Henriette Pansold. Sie ist die Repräsentantin des israelischen Tourismus in Deutschland und begleitet uns.
„Wir wünschen uns einfach, dass ihr beschreibt, wie ihr das Land erlebt“
Im letzten Jahr vor Covid ging es also eher darum, Strategien gegen zu viel (Billig)Tourismus zu entwickeln. Jetzt geht es darum, zu retten, was zu retten ist und zumindest den einen oder anderen Reisenden zu begrüßen. Klar, diese Reise wird von der Regierung organisiert und bezahlt, aber es wurde kein bisschen Druck ausgeübt, wie und was wir berichten. „Wir wünschen uns einfach, dass ihr beschreibt, wie ihr das Land erlebt“, sagt Pansold.
Und was ich erlebe, sind Menschen, die ein tiefes Bedürfnis haben, mit ihren Nachbarn in Frieden zu leben. Aber mir scheint, heute ist allen klar, dass das mit Sympathisanten der Hamas gar nicht geht. Wer sogar die Taten vom 7. Oktober leugnet, kleinredet oder relativiert, kann ja kein Gesprächspartner sein. So fehlt dem demokratischen Israel auf der anderen Seite ein Gesprächspartner, der es ernst meint. Das ist kein neues Gefühl für die Menschen in Frankfurts Partnerstadt, aber Hoffnung haben sie immer noch.
Schließlich ist Tel Aviv-Jaffa Frankfurts Partnerstadt. Beide Metropolen haben viel gemeinsam, das kenne ich von früheren Reisen, die aber mehr als zehn Jahre zurückliegen. Bei der Größe fängt es an. Für eine Weltstadt sind beide eigentlich viel zu klein – Frankfurt 700 000 Einwohner, Tel Aviv knapp 500 000. Aber in der Bedeutung überragen beide Städte die Einwohnerzahl bei weitem. Jeweils der größte Flughafen des Landes – das prägt eine Stadt.
Und eine lebendige Zivilgesellschaft, hauptsächlich samstags wird demonstriert (in Tel Aviv wie in Frankfurt). Zurzeit kommen jeden Samstagabend bis zu 150 000 zu Demos gegen Ministerpräsident Netanjahu. Geschäftig, politisch wach und unterschätzt sein, mit diesem Urteil können Tel Aviver und Frankfurterinnen gut leben.
Meine Reise findet Ende Juni 2024 statt. Eingeladen wurde eine Gruppe Journalisten, eine touristische Reise zu unternehmen. Diese Reise soll nicht unter dem Motto stehen: „Macht Urlaub, wo andere Krieg machen“, sondern sie soll die Orte zeigen, die man auch heute, in der schwierigen Lage, individuell
gut bereisen kann. Ich erlebe eine Stadt Tel Aviv und ein Land Israel, wo die Menschen zwischen dem Schock vom 7. Oktober, der Trauer danach, dem Trotz, der darauf folgte, und nun einer andauernden Kriegsangst hin- und hergeschüttelt sind.
Dazu kommt die Zerrissenheit der politischen Landschaft, und vor Ankunft am Flughafen Tel Aviv fragte ich mich kurz: Dort soll Lebensfreude herrschen? Eigentlich eine seltsame Frage, denke ich sofort, denn eine gewisse Art von Lebensfreude ist einfach nur menschlich und herrscht eigentlich überall. Besonders aber in Tel Aviv, merke ich dann gleich.
Meine Freunde in der Mittelmeermetropole sagen mir am ersten Abend, kurz nach meiner Ankunft: „Wir haben jetzt unser Tel Aviv wieder zurück.“ Sie meinen damit, dass sie jetzt wieder Zeit finden, ab und zu eines dieser tollen Restaurants wie das Aria in der Nahalat Binyamin Straße zu besuchen, oder in eine coole Bar zu gehen. Wochenlang waren sie mit Volunteering beschäftigt. Eine meiner Bekannten hat zum Beispiel Dialyse-Patienten zur Klinik gefahren, drei Mal pro Woche. Es war einfach viel zu tun, und das alles neben dem regulären Job.
Die Unterstützung galt den Evakuierten. Das sind die Menschen, die in den Kibbuzim im Süden, in der Nähe des Gaza-Streifens lebten und nach dem Terrorangriff keine Bleibe mehr hatten. „Diese Flüchtlinge kamen ohne alles, ohne Schuhe, ohne Koffer, wir mussten für sie alles neu organisieren“, sagen meine Freunde. Dann kamen die Evakuierten aus dem Norden.
Rund 150 000 Menschen aus dem Grenzgebiet zum Libanon und rund um die Golanhöhen können wegen ständiger Angriffe schon länger nicht in ihrem Zuhause leben. Sie sind im ganzen Land untergebracht. In Gastfamilien, in Hotels (viele stehen zurzeit ja leer). „Diese Evakuierten kamen mit genauso vielen Sorgen wie die aus dem Süden, aber immerhin mit Koffern und den nötigsten Dingen“, verraten meine Freunde.
© Jens Prewo
Die Zivilgesellschaft organisierte vieles, und es wurde eine App programmiert, über die man Dinge spenden konnte, auch Arbeitsstunden. Wer will helfen? Wer braucht Hilfe? Keine staatliche Stelle dazwischen, das funktionierte gut und passt zu den Israelis. Diese App soll jetzt weltweit in anderen Krisengebieten zur Verfügung gestellt werden. Es gibt ja den alten Spruch: „In Haifa wird gearbeitet, in Jerusalem wird gebetet und in Tel Aviv wird gefeiert“, das scheint heute wieder der Fall zu sein.
Der Vorteil für Touristen: Es ist ziemlich leer an praktisch allen Orten, die sonst überfüllt sind. Besonders in Jerusalem ist das zum Greifen nahe: Grabeskirche, Gartengrab, Golgatha, Ölberg – alles ohne Warteschlange zu besichtigen. Und auf unserer Station am See Genezareth werden wir sogar mit den Worten empfangen „You are our Heroes“ – wir seien also quasi Helden, weil wir uns nicht abschrecken lassen, neugierig zu sein und ins Heilige Land kommen.
Wie Helden sehen wir uns aber natürlich nicht, wir fühlen uns ja sicher und entbehren nichts. Etwas seltsam ist nur, dass es im Norden – rund um Akkon und Haifa und an manchen Orten in Galiläa kein GPS-Signal gibt, beziehungsweise nur ein gestörtes. Die Navigations-App zeigt dann immer an, man befinde sich im Flughafen Beirut. Das wird gemacht, damit GPS-gesteuerte Raketen nicht einsetzbar sind.
Die Tourismus-Zahlen sind eingebrochen, es kommen zurzeit vielleicht noch circa zehn bis 15 Prozent der Reisenden von früher, wird uns in Capernaum gesagt (da wo die biblische Geschichte mit der Fisch-Vermehrung spielt). „Und das, nachdem wir im Jahr 2019 auf dem absoluten Tourismus-Höhepunkt waren und schon über ‚over tourism‘ gesprochen hatten“, sagt Henriette Pansold. Sie ist die Repräsentantin des israelischen Tourismus in Deutschland und begleitet uns.
Im letzten Jahr vor Covid ging es also eher darum, Strategien gegen zu viel (Billig)Tourismus zu entwickeln. Jetzt geht es darum, zu retten, was zu retten ist und zumindest den einen oder anderen Reisenden zu begrüßen. Klar, diese Reise wird von der Regierung organisiert und bezahlt, aber es wurde kein bisschen Druck ausgeübt, wie und was wir berichten. „Wir wünschen uns einfach, dass ihr beschreibt, wie ihr das Land erlebt“, sagt Pansold.
Und was ich erlebe, sind Menschen, die ein tiefes Bedürfnis haben, mit ihren Nachbarn in Frieden zu leben. Aber mir scheint, heute ist allen klar, dass das mit Sympathisanten der Hamas gar nicht geht. Wer sogar die Taten vom 7. Oktober leugnet, kleinredet oder relativiert, kann ja kein Gesprächspartner sein. So fehlt dem demokratischen Israel auf der anderen Seite ein Gesprächspartner, der es ernst meint. Das ist kein neues Gefühl für die Menschen in Frankfurts Partnerstadt, aber Hoffnung haben sie immer noch.
17. September 2024, 11.56 Uhr
Jens Prewo
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