Partner
Zurück bleibt ihre Schwester Gisela Getty
Autorin Jutta Winkelmann gestorben
Ihre Schwester Gisela Getty berichtete in der vergangenen Woche vom Wandern in eine andere Welt: Nun ist Jutta Winkelmann auf die andere Seite gegangen. Die Autorin verstarb am Donnerstagmorgen.
Zwillinge, so heißt es, sind eng verbunden, sind sich stets nah, auch wenn sie den Abstand suchen. Bei Gisela Getty und Jutta Winkelmann war es so.
Aufgewachsen in Nordhessen, schon immer der Drang in die weite Welt, schließlich mitten hinein in die 68er-Bewegung, ein persönlicher wie gesellschaftlicher Aufbruch in Rom, später Ausschweifungen und Ablenkungen, Energie, immer wieder Energie – auch jetzt noch. Es ging irgendwie immer voran bei den Zwillingsschwestern, heute würde man sagen It-Girls, doch diesen Begriff gab es damals noch nicht. Los Angeles und München, Mick Jagger, Dennis Hopper, Robert de Niro, Bob Dylan – der in den Siebzigern gegründete "Harem" mit Rainer Langhans hielt bis in die Gegenwart, eine spirituelle Lebensgemeinschaft, aber keine, die je einfach gewesen wäre. "Die Wahrheit ist immer der beste Weg", sagt Gisela Getty und wer derart ungeschminkt mit ihr umgeht, muss den Schmerz von Liebe und Eifersucht auch mit voller Wucht in sein Leben lassen.
Vor neun Jahren wurde bei weissbooks die erste Autobiografie veröffentlicht, der ebenfalls in Kassel geborene und lange Zeit in Frankfurt ansässige Schriftsteller Jamal Tuschick hatte zum 68er-Jubiläum deren Geschichte aufgeschrieben. Das Buch „Die Zwillinge“ war zugleich der Auftakt für den von Rainer Weiss und Anya Schutzbach gegründeten Verlag weissbooks. Damals sprachen wir mit den beiden Schwestern über die Frauenbewegung, über das erreichte und das vergeblich geforderte, auch über das Altern. "Ich habe Angst vor dem Tod, und das Altwerden konfrontiert einen damit", sagte Gisela. Und Jutta strafte jene Lügen, die behaupteten, das Altwerden sei toll. "Wir haben die Jugend neu erfunden, und nun stehen wir davor, das Alter neu zu erfinden. Das wird nicht leicht." Zum Release des Buches gab es eine Zwillingsparty im alten Literaturhaus in Bockenheim, ein rauschendes Fest von der mir nur Schlaglichter in Erinnerung sind und die Hand von Jutta auf meiner Wange, dazu der Satz: "Du darfst keine Angst vor dem Leben haben."
Vor kurzem erschien bei weissbooks ein Buch von Jutta Winkelmann. „Mein Leben ohne mich“ hat rein gar nichts mehr zu tun mit Glamour. Es geht ums Sterben, um elende Schmerzen und wieder, auch hier, ist es die Direktheit der Worte, die den Leser ins Herz trifft, eine Lyrik, die dem Tod ins Auge springt, obwohl der nicht kommen mag, nur ein Gast ist, der nicht mehr weichen mag, der sich aber auch den tausend bohrenden Fragen an ihn verweigert.
Nun, an diesem Donnerstagmorgen im Februar, ist er gegangen und hat Jutta Winkelmann mitgenommen in eine andere Welt, sie, die schon die letzten Monate wie in einer anderen Welt lebte und ihrer Schwester davon berichtete. Die Verbundenheit zweier Schwestern endet gewiss nicht mit dem Tode der einen. Die Verbundenheit, sie zeigte sich schon in der Kindheit, wo Kommunikation in einer eigenen Sprache gelang – wie in einer eigenen, sich selbst ausgedachten Welt. Vielleicht entspringt daraus jene unendlich erscheinende Liebe, die es beiden so schwer machte, anderen die Liebe zu gestehen, ohne die eigene Schwester zu verraten, eine Liebe, die fast zeitlos erscheint, wenn man die Worte Jutta Winkelmanns in ihrem Buch liest:
you angel, you
Du kommst und salbst mich. Cremst mich, setzt mich wieder zusammen. Nimmst meine schwarzen Federn und hältst sie in die Sonne. Streichelst sie und gibst ihnen unermüdlich und entschlossen wieder Glanz.
Sonnenwindkind, ich danke dir so. Du bist da und immer da. Und da. Hier. Jetzt. Da. Ich danke dir so. Gute, gute, reine Seele, ich danke dir so. Du weißt genau, was du tust. Besser als ich. Ich danke dir so. Alles gibst du mir und noch mehr, die Welt würdest du am liebsten in ihre glitzernden Substanzen zerlegen und meinen Weg damit bestreuen, für mich den Himmel mit seinen vielfältigen Göttern anrufen, damit diese mich beschützen und in die Weite tragen. Alles gibst du. Ich weiß nicht, wie ich danken kann. Große, schöne Schwester. Schwester, Schwester, Gisela. So helles Licht.
Aufgewachsen in Nordhessen, schon immer der Drang in die weite Welt, schließlich mitten hinein in die 68er-Bewegung, ein persönlicher wie gesellschaftlicher Aufbruch in Rom, später Ausschweifungen und Ablenkungen, Energie, immer wieder Energie – auch jetzt noch. Es ging irgendwie immer voran bei den Zwillingsschwestern, heute würde man sagen It-Girls, doch diesen Begriff gab es damals noch nicht. Los Angeles und München, Mick Jagger, Dennis Hopper, Robert de Niro, Bob Dylan – der in den Siebzigern gegründete "Harem" mit Rainer Langhans hielt bis in die Gegenwart, eine spirituelle Lebensgemeinschaft, aber keine, die je einfach gewesen wäre. "Die Wahrheit ist immer der beste Weg", sagt Gisela Getty und wer derart ungeschminkt mit ihr umgeht, muss den Schmerz von Liebe und Eifersucht auch mit voller Wucht in sein Leben lassen.
Vor neun Jahren wurde bei weissbooks die erste Autobiografie veröffentlicht, der ebenfalls in Kassel geborene und lange Zeit in Frankfurt ansässige Schriftsteller Jamal Tuschick hatte zum 68er-Jubiläum deren Geschichte aufgeschrieben. Das Buch „Die Zwillinge“ war zugleich der Auftakt für den von Rainer Weiss und Anya Schutzbach gegründeten Verlag weissbooks. Damals sprachen wir mit den beiden Schwestern über die Frauenbewegung, über das erreichte und das vergeblich geforderte, auch über das Altern. "Ich habe Angst vor dem Tod, und das Altwerden konfrontiert einen damit", sagte Gisela. Und Jutta strafte jene Lügen, die behaupteten, das Altwerden sei toll. "Wir haben die Jugend neu erfunden, und nun stehen wir davor, das Alter neu zu erfinden. Das wird nicht leicht." Zum Release des Buches gab es eine Zwillingsparty im alten Literaturhaus in Bockenheim, ein rauschendes Fest von der mir nur Schlaglichter in Erinnerung sind und die Hand von Jutta auf meiner Wange, dazu der Satz: "Du darfst keine Angst vor dem Leben haben."
Vor kurzem erschien bei weissbooks ein Buch von Jutta Winkelmann. „Mein Leben ohne mich“ hat rein gar nichts mehr zu tun mit Glamour. Es geht ums Sterben, um elende Schmerzen und wieder, auch hier, ist es die Direktheit der Worte, die den Leser ins Herz trifft, eine Lyrik, die dem Tod ins Auge springt, obwohl der nicht kommen mag, nur ein Gast ist, der nicht mehr weichen mag, der sich aber auch den tausend bohrenden Fragen an ihn verweigert.
Nun, an diesem Donnerstagmorgen im Februar, ist er gegangen und hat Jutta Winkelmann mitgenommen in eine andere Welt, sie, die schon die letzten Monate wie in einer anderen Welt lebte und ihrer Schwester davon berichtete. Die Verbundenheit zweier Schwestern endet gewiss nicht mit dem Tode der einen. Die Verbundenheit, sie zeigte sich schon in der Kindheit, wo Kommunikation in einer eigenen Sprache gelang – wie in einer eigenen, sich selbst ausgedachten Welt. Vielleicht entspringt daraus jene unendlich erscheinende Liebe, die es beiden so schwer machte, anderen die Liebe zu gestehen, ohne die eigene Schwester zu verraten, eine Liebe, die fast zeitlos erscheint, wenn man die Worte Jutta Winkelmanns in ihrem Buch liest:
you angel, you
Du kommst und salbst mich. Cremst mich, setzt mich wieder zusammen. Nimmst meine schwarzen Federn und hältst sie in die Sonne. Streichelst sie und gibst ihnen unermüdlich und entschlossen wieder Glanz.
Sonnenwindkind, ich danke dir so. Du bist da und immer da. Und da. Hier. Jetzt. Da. Ich danke dir so. Gute, gute, reine Seele, ich danke dir so. Du weißt genau, was du tust. Besser als ich. Ich danke dir so. Alles gibst du mir und noch mehr, die Welt würdest du am liebsten in ihre glitzernden Substanzen zerlegen und meinen Weg damit bestreuen, für mich den Himmel mit seinen vielfältigen Göttern anrufen, damit diese mich beschützen und in die Weite tragen. Alles gibst du. Ich weiß nicht, wie ich danken kann. Große, schöne Schwester. Schwester, Schwester, Gisela. So helles Licht.
23. Februar 2017, 11.56 Uhr
Nils Bremer
Mehr Nachrichten aus dem Ressort Kultur
Historisches Museum Frankfurt
Mit dem Käfer auf der Flucht aus der DDR
Das Historische Museum Frankfurt zeigt im Rahmen der Reihe „Zeitzeugenschaft? Ein Erinnerungslabor“ die Geschichte von drei Frauen in der DDR. Die Ausstellung startet am 30. Oktober in der „Bibliothek der Generationen“.
Text: Lukas Mezler / Foto: Der Käfer als Fluchtauto © Steffi Barthel
KulturMeistgelesen
- Fotografie Forum FrankfurtAusstellung zeigt Schwarz-Weiß-Fotografien von Martin Parr
- Halloween 2024 in Frankfurt und Rhein-MainWo das große Halloween-Gruseln stattfindet
- Graffiti und Street-Art in FrankfurtSprayer prägen das Stadtbild mit ihren Kunstwerken
- Jünger denn jeDeutsches Jazzfestival 2024 in Frankfurt
- Verkündung auf der Frankfurter Buchmesse„Aura“ ist Jugendwort des Jahres 2024
30. Oktober 2024
Journal Tagestipps
Freie Stellen