Partner
Foto:
Detlef Kinsler
Werner Reinke wird 70
Das Mietmaul
Der Mann muss Zwilling sein. Bei so viel Präsenz. Werner Reinke feiert seinen 70. Geburtstag. Und der Moderator bleibt dem HR erhalten. Bis auf Widerruf. Nur wer sollte den aussprechen solange die Fans Reinke die Treue halten?
Werner Reinke hatte mit dem Radio längst abgeschlossen. 1989 war er nach 15 Jahren beim Hessischen Rundfunk ausgeschieden. Auf eigenen Wunsch. 777 Mal hatte er allein die „Hitparade International“, aber auch Sendungen wie „Pop und weck“, „Die Mittags-Discotheke“ und „Kuschelrock“ moderiert und tiefe Spuren beim HR hinterlassen. „Ich habe dann meine freien Jobs gehabt, bin durch die Gegend geturnt was viel Spaß gemacht hat“, konzentrierte sich Reinke fortan auf Werbung und Veranstaltungsmoderationen. „Das einzige, was ich bedauert habe, war, dass im im Juli 1989 ausgeschieden bin und im Oktober ging die Grenze auf. Das war blöd. Da hätte ich gerne noch mitgerockt.“ Die deutsche Wiedervereinigung musste so ohne Reinke am Mikro auskommen.
Dass der gebürtige Delmenhorster jetzt seinen 70. Geburtstag „mit lieben Leuten“ aus dem beruflichen Umfeld auf dem Plattenhof vorm hr Bistro (liebevoll „Pinte“ genannt) feiert, liegt daran, dass Reinke noch einmal schwach geworden ist. 2002 trommelte der damaligen hr 3-Wellenchef Jörg Bombach zum 30. Jubiläum alle Ehemaligen zusammen. „Die Idee war für fünf Minuten in der Frühsendung auftauchen und mal zu erzählen wie das früher so war“, erinnert sich der Rückkehrer. Seine Reaktion: „Das ist quatsch, das bringt keinem etwas.“ Dann doch lieber die glorreichen Zeiten der „Mittags-Diskotheke“ wiederaufleben lassen. Gleich vier Mal am Samstagnachmittag.
Der junge Kollege Jürgen Rasper wurde ihm zur Seite gestellt. „Ich hatte ja keine Ahnung von Digitaltechnik, aber ich wollte nicht, dass er mir nur die Regler zieht“, schlug Reinke kurzerhand eine Doppelmoderation vor. „Da haben wir uns die Bälle hin und her gefeuert und dann ging alles durch die Decke.“ Die Telefone standen nicht mehr still, der Mailserver drohte zu kollabieren. „An solchen Reaktionen konnten weder der hr noch ich vorbeigehen“, wusste Reinke sofort. „Du kannst ja nicht tausende von E-Mails bekommen und dann sagen: das ist uns aber jetzt Wurst.“ Zurück in die Anstalt hieß es also für den da 56-Jährigen. By public demand sozusagen. Besser geht’s gar nicht. Die Ratlosigkeit, was machen wir denn jetzt mit dem, löste sich schnell in Wohlgefallen auf. „Ich hatte ja dreizehn Jahre keine Popmusik konsumiert, war ganz in meinem eigenen Leben, hatte keine Ahnung wer Shania Twain war und was angesagt ist“, gibt Reinke unumwunden zu. Da kam Lidia Antonini ins Spiel. Die hatte ihm als Hörerin einst eine Probecassette einer Sendung geschickt, die sie in Jugoslawien moderierte, Reinke lud sie nach Frankfurt ein. Der Beginn einer langen beruflichen und privaten Freundschaft. Im Juli sind sie zehn Jahre verheiratet. So übernahm die Regie beim Comeback des Partners, stellt ihm bis heute als „Mastermind“ seine wöchentlichen drei Stunden „hr1 Reinke am Samstag“ zusammen. „Ich bin ja eigentlich nur das Mietmaul“, stapelt er tief und schwärmt von einer wunderbaren Zusammenarbeit. „Die funktioniert, weil wir beide vollkommen uneitel sind. Ich kann da nach Herzenslust Titel aus der Sendung feuern wenn mir gerade was Besseres einfällt. Da kommt kein Streit oder gar Stress auf.“
Die Hörer wollten ihn zurück, wie aber würde das Haus reagieren. „Die Gefahr war ja nicht gering, dass ich da ankomme und alle sagen, ach du großer Gott, der alte Sack, was will der denn hier noch, der ist doch völlig aus der Zeit gefallen“, ist ihm die Situation noch ganz lebendig. „Ich wollte mir ja nicht meine Figur verbiegen und meinen Ruf demontieren.“ Nichts dergleichen passierte. Im Gegenteil. 2012 bekam Reinke den Deutschen Radiopreis als „Bester Moderator“, ausgezeichnet für seine „Haltung und Leidenschaft“, sein „Erzähltalent“, das „herausragende Sprachgefühl“ und den „zart schmelzenden Sprechbariton“. „Da haben sich alle im Sender mit mir gefreut wie Bolle“, genoss man gemeinsam die Ehrung. Unter Marketingaspekten verstand Reinke, dass der HR am liebsten jede Sendung nun mit dem Trailer „Ausgezeichnet mit dem deutschen Radiopreis – hier ist Reinke am Samstag“ angefangen hätte. „Tu’ Gutes und rede drüber“, lacht das Nordlicht. „Aber um Gottes Willen: wir haben das genau einen Samstag gemacht und dann wieder abgeschafft.“ Selbstbeweihräucherung ist nicht sein Ding. „Ich achte eine solche Auszeichnung nicht gering, aber ich betrachte das auch nicht als Berechtigung, wie ein Gockel durch die Gegend zu laufen.“
Rundfunk-Legende, Urgestein, Fels in der Brandung, wandelndes Musiklexikon – all das und Vergleichbares mehr wird Reinke jetzt im Vorfeld seines Ehrentages wieder zu hören und lesen bekommen. „Von wegen wandelndes Musiklexikon – das sage ich den Leuten immer, geh’ mir vom Hof mit dem Scheiß“, winkt er ab. „99,9 Periode-Prozent aller in der Welt produzierter populärer Musik kenne ich nicht. Also komme mir nicht und stelle irgendwelche Ansprüche. Das kennst Du nicht, Du, der Reinke?“ Da ist er ganz unprätentiös. „Man kann mir auch jeder Zeit alle möglichen Inkompetenzen nachweisen.“ Etwa Hip-Hop von House oder Techno von Trance unterschieden zu können, das war ihm immer egal. „Ich habe mein Leben lang mit Schubladen nichts anfangen können. Ich will auch gar nicht wissen, was was ist, weil es für mich völlig uninteressant ist“, gibt es für Reinke nur ein Bewertungskriterium: Macht ihn was Spaß oder eben nicht. „Macht es mir Spaß, kann der brutalste Ganster-Rap mich begeistern, macht es mir keinen Spaß, kann ich auch mit Mozart nichts anfangen. Punkt.“
So sehr Werner Reinke in seinem Job in der Musik aufgeht, so wenig bestimmt sie doch sein Privatleben. „Ich höre zuhause so gut wie keine Musik, da habe ich ein anderes Leben“, erklärt er. „Zum privaten Plaisir gibt es andere Sachen. Ich habe ja eine Pilotenlizenz. Und ich habe noch einen Freundeskreis.“ Mit dem abends in die Kneipe gehen, über alles Mögliche quatschen, nur nicht über die Arbeit, das findet Reinke lässig. So erübrigt sich fast die Frage, welche fünf Platten er mit auf die Insel nehmen würde? „Da würde ich mich ganz anders vergnügen.“ Gut möglich, dass er dann einfach nur der Stille lauschen würde.
>> Reinke am Samstag, hr1 Radio, jeden Samstag 9-12 Uhr
Mehr Biografisches finden Sie unter www.wernerreinke.de
Foto:
Dass der gebürtige Delmenhorster jetzt seinen 70. Geburtstag „mit lieben Leuten“ aus dem beruflichen Umfeld auf dem Plattenhof vorm hr Bistro (liebevoll „Pinte“ genannt) feiert, liegt daran, dass Reinke noch einmal schwach geworden ist. 2002 trommelte der damaligen hr 3-Wellenchef Jörg Bombach zum 30. Jubiläum alle Ehemaligen zusammen. „Die Idee war für fünf Minuten in der Frühsendung auftauchen und mal zu erzählen wie das früher so war“, erinnert sich der Rückkehrer. Seine Reaktion: „Das ist quatsch, das bringt keinem etwas.“ Dann doch lieber die glorreichen Zeiten der „Mittags-Diskotheke“ wiederaufleben lassen. Gleich vier Mal am Samstagnachmittag.
Der junge Kollege Jürgen Rasper wurde ihm zur Seite gestellt. „Ich hatte ja keine Ahnung von Digitaltechnik, aber ich wollte nicht, dass er mir nur die Regler zieht“, schlug Reinke kurzerhand eine Doppelmoderation vor. „Da haben wir uns die Bälle hin und her gefeuert und dann ging alles durch die Decke.“ Die Telefone standen nicht mehr still, der Mailserver drohte zu kollabieren. „An solchen Reaktionen konnten weder der hr noch ich vorbeigehen“, wusste Reinke sofort. „Du kannst ja nicht tausende von E-Mails bekommen und dann sagen: das ist uns aber jetzt Wurst.“ Zurück in die Anstalt hieß es also für den da 56-Jährigen. By public demand sozusagen. Besser geht’s gar nicht. Die Ratlosigkeit, was machen wir denn jetzt mit dem, löste sich schnell in Wohlgefallen auf. „Ich hatte ja dreizehn Jahre keine Popmusik konsumiert, war ganz in meinem eigenen Leben, hatte keine Ahnung wer Shania Twain war und was angesagt ist“, gibt Reinke unumwunden zu. Da kam Lidia Antonini ins Spiel. Die hatte ihm als Hörerin einst eine Probecassette einer Sendung geschickt, die sie in Jugoslawien moderierte, Reinke lud sie nach Frankfurt ein. Der Beginn einer langen beruflichen und privaten Freundschaft. Im Juli sind sie zehn Jahre verheiratet. So übernahm die Regie beim Comeback des Partners, stellt ihm bis heute als „Mastermind“ seine wöchentlichen drei Stunden „hr1 Reinke am Samstag“ zusammen. „Ich bin ja eigentlich nur das Mietmaul“, stapelt er tief und schwärmt von einer wunderbaren Zusammenarbeit. „Die funktioniert, weil wir beide vollkommen uneitel sind. Ich kann da nach Herzenslust Titel aus der Sendung feuern wenn mir gerade was Besseres einfällt. Da kommt kein Streit oder gar Stress auf.“
Die Hörer wollten ihn zurück, wie aber würde das Haus reagieren. „Die Gefahr war ja nicht gering, dass ich da ankomme und alle sagen, ach du großer Gott, der alte Sack, was will der denn hier noch, der ist doch völlig aus der Zeit gefallen“, ist ihm die Situation noch ganz lebendig. „Ich wollte mir ja nicht meine Figur verbiegen und meinen Ruf demontieren.“ Nichts dergleichen passierte. Im Gegenteil. 2012 bekam Reinke den Deutschen Radiopreis als „Bester Moderator“, ausgezeichnet für seine „Haltung und Leidenschaft“, sein „Erzähltalent“, das „herausragende Sprachgefühl“ und den „zart schmelzenden Sprechbariton“. „Da haben sich alle im Sender mit mir gefreut wie Bolle“, genoss man gemeinsam die Ehrung. Unter Marketingaspekten verstand Reinke, dass der HR am liebsten jede Sendung nun mit dem Trailer „Ausgezeichnet mit dem deutschen Radiopreis – hier ist Reinke am Samstag“ angefangen hätte. „Tu’ Gutes und rede drüber“, lacht das Nordlicht. „Aber um Gottes Willen: wir haben das genau einen Samstag gemacht und dann wieder abgeschafft.“ Selbstbeweihräucherung ist nicht sein Ding. „Ich achte eine solche Auszeichnung nicht gering, aber ich betrachte das auch nicht als Berechtigung, wie ein Gockel durch die Gegend zu laufen.“
Rundfunk-Legende, Urgestein, Fels in der Brandung, wandelndes Musiklexikon – all das und Vergleichbares mehr wird Reinke jetzt im Vorfeld seines Ehrentages wieder zu hören und lesen bekommen. „Von wegen wandelndes Musiklexikon – das sage ich den Leuten immer, geh’ mir vom Hof mit dem Scheiß“, winkt er ab. „99,9 Periode-Prozent aller in der Welt produzierter populärer Musik kenne ich nicht. Also komme mir nicht und stelle irgendwelche Ansprüche. Das kennst Du nicht, Du, der Reinke?“ Da ist er ganz unprätentiös. „Man kann mir auch jeder Zeit alle möglichen Inkompetenzen nachweisen.“ Etwa Hip-Hop von House oder Techno von Trance unterschieden zu können, das war ihm immer egal. „Ich habe mein Leben lang mit Schubladen nichts anfangen können. Ich will auch gar nicht wissen, was was ist, weil es für mich völlig uninteressant ist“, gibt es für Reinke nur ein Bewertungskriterium: Macht ihn was Spaß oder eben nicht. „Macht es mir Spaß, kann der brutalste Ganster-Rap mich begeistern, macht es mir keinen Spaß, kann ich auch mit Mozart nichts anfangen. Punkt.“
So sehr Werner Reinke in seinem Job in der Musik aufgeht, so wenig bestimmt sie doch sein Privatleben. „Ich höre zuhause so gut wie keine Musik, da habe ich ein anderes Leben“, erklärt er. „Zum privaten Plaisir gibt es andere Sachen. Ich habe ja eine Pilotenlizenz. Und ich habe noch einen Freundeskreis.“ Mit dem abends in die Kneipe gehen, über alles Mögliche quatschen, nur nicht über die Arbeit, das findet Reinke lässig. So erübrigt sich fast die Frage, welche fünf Platten er mit auf die Insel nehmen würde? „Da würde ich mich ganz anders vergnügen.“ Gut möglich, dass er dann einfach nur der Stille lauschen würde.
>> Reinke am Samstag, hr1 Radio, jeden Samstag 9-12 Uhr
Mehr Biografisches finden Sie unter www.wernerreinke.de
Foto:
17. Juni 2016, 11.12 Uhr
Detlef Kinsler
Mehr Nachrichten aus dem Ressort Kultur
In drei Frankfurter Kinos
„Im Dunkeln Sehn“: Schlaglicht auf rechtsextreme Gewalttaten
Durch Filme und Gespräche setzt sich eine Veranstaltungsreihe in Frankfurt und Umgebung mit rechtsextremer Gewalt sowie einer Kultur der Gleichgültigkeit und Tatenlosigkeit auseinander.
Text: Florian Aupor / Foto: Symbolbild © Adobestock/ Firn
KulturMeistgelesen
- Zum 13. MalKorean Film Festival in Frankfurt gestartet
- Wohnen in Frankfurt„Es geht um Identität, soziale Gerechtigkeit und Lebensqualität“
- Folk, Country und BluesZehn Jahre „Americana in Darmstadt“
- „Woche gegen das Vergessen“Erinnern im Frankfurter Holzhausenschlösschen
- Kunstsupermarkt FrankfurtStadtmusikanten treffen auf Genossen der Massentierhaltung
5. November 2024
Journal Tagestipps
Freie Stellen