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Waffen im Museum Angewandte Kunst
Peng, Boom, Peng
Stehen wir unter Waffen? Noch nie lebten wir in einer friedlicheren Zeit als heute. Doch Waffen sind dennoch allgegenwärtig: Das Museum Angewandte Kunst zeigt die Schau "Unter Waffen. Fire & Forget 2".
Auf der Straße, vor dem Museum Angewandte Kunst, verläuft eine weiße Linie und zeichnet den Schatten eines flugzeugähnlichen Objekts nach. Es handelt sich bei dem Schatten um ein unbemanntes, ferngelenktes Fluggerät, kurz: eine Drohne. Der Künstler James Bridle macht damit eine Realität sichtbar, die für viele im Verborgenen bleibt. Für Bridle verkörpert die Drohne eine Politik der Gewalt, der Verheimlichung, einer radikalen Ungleichheit. Für ihn ist es ein Diagram eines politischen Systems.
In einer Zeit, in der die Bundesregierung ein neues Zivilschutzgesetz entwirft und zum Anlegen von Lebensmittelvorräten rät, in der Pfefferspray im Drogeriemarkt verkauft wird und die Angst vor Terroranschlägen jede Großveranstaltung begleitet, zeigt das Museum Angewandte Kunst eine Schau über Waffen. "Unter Waffen. Fire & Forget 2" folgt den Spuren, die Waffen und Militärästhetik in Mode, Design, Kunst und Alltagskultur hinterlassen.
Ein Dildo, Parfümflakon und eine Ecstasy-Pille in Handgranatenform, ein mit Edelsteinen besetzter Schlagring, afghanische Teppiche mit Waffenmotiven, eine Kernseife in Pistolenform, Bomberjacken von Helmut Lang und Kleidung mit Camouflage-Prints: Mal überspitzt schillernd, mal unauffällig alltäglich eignen sich Träger und Nutzer dieser Gegenstände die martialische Ästhetik dieser todbringenden Instrumente an. Welche Motivation steckt dahinter, sich eine Tasche in Maschinenpistolenform zuzulegen?
Doch nicht nur Gegenstände des Alltags werden gezeigt. Auch Werke zeitgenössischer Künstler, die sich mit dem Thema Waffen auseinandersetzen werden ausgestellt. Die Künstlerin Clara Ianni zum Beispiel beschäftigt sich mit der Wirkkraft von Munition. Sie zeigt Metallplatten mit Einschusslöchern von unterschiedlicher Munition der Berliner Polizei. Das Einschussloch einer 357er Magnum ist etwas ganz anderes als wenn man mit Vogelschrot schießt. Sie führte diese Arbeit auch während eines Aufenthalts in Kolumbien mit Munition der dortigen Polizei durch und stellte fest: Orte wirken sich unterschiedlich auf Gewalt aus.
Eine Videoarbeit von Omer Fast lässt die Besatzung eines israelischen Panzers zu Wort kommen. Vier Menschen, die Reflexionen zu ihrer Arbeit preisgeben und alle sehr unterschiedliche Perspektiven haben. Auseinanderdividiert in unterschiedliche Aufgaben, die jeder einzelne auszuführen hat, wird der Akt der Zerstörung zu etwas Abstraktem.
Eine andere Arbeit zeigt die bayerische Polizei, wie sich die Beamten der Wirkkraft eines Tasers, einer Elektroschockpistole, aussetzen, bevor sie sie selbst im Dienst einsetzen. Zu den schmerzhaften, eindringlichen Bildern ertönt im hinteren Teil des Ausstellungsraums ein Song von Lady Gaga. Es handelt sich um ein YouTube-Video, in dem amerikanische Soldaten, die in Afghanistan stationiert sind, ausgelassen zu Musik tanzen.
Die Ausstellungsarchitektur imitiert die Formsprache einer Messe. Auf die Spitze getrieben, soll sie die Objekte wie Ware präsentieren und den Affekt maximieren. Der Besucher soll den Kaufimpuls spüren. Die Publikation zur Ausstellung sieht wie ein Modemagazin aus. In der Ästhetik eines Hochglanzmagazins für Kunst, Werbung, Design und Mode sind die Beiträge in unterschiedlichster Form gestaltet, die Waffenästhetik fügt sich konsequent und doch irritierend ein.
Die Kuratorin Ellen Blumenstein betont man wolle eine Ausstellung machen, die Gewalt nicht als Problem der Anderen thematisiert. Gleichzeitig werde die Frage aufgeworfen, ob Kunst und Kultur der richtige Ort sind, sich damit auseinanderzusetzen. Die Ausstellung ist in Kooperation mit dem Exzellenzcluster "Die Herausbildung normativer Ordnungen" der Goethe-Universität entstanden. Sie ist der zweite Teil einer vorausgegangenen Ausstellung im KW Institute for Contemporary Art in Berlin. Die Berliner Ausstellung "Fire & Forget. On Violence" hingegen ging der Frage nach, wie Waffen und Gewalt in der Kunst der Gegenwart verhandelt werden.
Die Schau im Museum Angewandte Kunst schärft den Blick dafür, wo Gewalt und ihre Verkörperung bereits präsent sind, zuweilen überraschend. Faszinierend ist auch zu beobachten, welch abstruse Züge diese Lust auf Gewalt annehmen kann.
>> Ausstellungseröffnung: Freitag, 9. September 2016, 19 Uhr. Ausstellungsdauer: 10. September bis 26. März 2016. Schaumainkai 17. Weitere Informationen unter www.museumangewandtekunst.de.
In einer Zeit, in der die Bundesregierung ein neues Zivilschutzgesetz entwirft und zum Anlegen von Lebensmittelvorräten rät, in der Pfefferspray im Drogeriemarkt verkauft wird und die Angst vor Terroranschlägen jede Großveranstaltung begleitet, zeigt das Museum Angewandte Kunst eine Schau über Waffen. "Unter Waffen. Fire & Forget 2" folgt den Spuren, die Waffen und Militärästhetik in Mode, Design, Kunst und Alltagskultur hinterlassen.
Ein Dildo, Parfümflakon und eine Ecstasy-Pille in Handgranatenform, ein mit Edelsteinen besetzter Schlagring, afghanische Teppiche mit Waffenmotiven, eine Kernseife in Pistolenform, Bomberjacken von Helmut Lang und Kleidung mit Camouflage-Prints: Mal überspitzt schillernd, mal unauffällig alltäglich eignen sich Träger und Nutzer dieser Gegenstände die martialische Ästhetik dieser todbringenden Instrumente an. Welche Motivation steckt dahinter, sich eine Tasche in Maschinenpistolenform zuzulegen?
Doch nicht nur Gegenstände des Alltags werden gezeigt. Auch Werke zeitgenössischer Künstler, die sich mit dem Thema Waffen auseinandersetzen werden ausgestellt. Die Künstlerin Clara Ianni zum Beispiel beschäftigt sich mit der Wirkkraft von Munition. Sie zeigt Metallplatten mit Einschusslöchern von unterschiedlicher Munition der Berliner Polizei. Das Einschussloch einer 357er Magnum ist etwas ganz anderes als wenn man mit Vogelschrot schießt. Sie führte diese Arbeit auch während eines Aufenthalts in Kolumbien mit Munition der dortigen Polizei durch und stellte fest: Orte wirken sich unterschiedlich auf Gewalt aus.
Eine Videoarbeit von Omer Fast lässt die Besatzung eines israelischen Panzers zu Wort kommen. Vier Menschen, die Reflexionen zu ihrer Arbeit preisgeben und alle sehr unterschiedliche Perspektiven haben. Auseinanderdividiert in unterschiedliche Aufgaben, die jeder einzelne auszuführen hat, wird der Akt der Zerstörung zu etwas Abstraktem.
Eine andere Arbeit zeigt die bayerische Polizei, wie sich die Beamten der Wirkkraft eines Tasers, einer Elektroschockpistole, aussetzen, bevor sie sie selbst im Dienst einsetzen. Zu den schmerzhaften, eindringlichen Bildern ertönt im hinteren Teil des Ausstellungsraums ein Song von Lady Gaga. Es handelt sich um ein YouTube-Video, in dem amerikanische Soldaten, die in Afghanistan stationiert sind, ausgelassen zu Musik tanzen.
Die Ausstellungsarchitektur imitiert die Formsprache einer Messe. Auf die Spitze getrieben, soll sie die Objekte wie Ware präsentieren und den Affekt maximieren. Der Besucher soll den Kaufimpuls spüren. Die Publikation zur Ausstellung sieht wie ein Modemagazin aus. In der Ästhetik eines Hochglanzmagazins für Kunst, Werbung, Design und Mode sind die Beiträge in unterschiedlichster Form gestaltet, die Waffenästhetik fügt sich konsequent und doch irritierend ein.
Die Kuratorin Ellen Blumenstein betont man wolle eine Ausstellung machen, die Gewalt nicht als Problem der Anderen thematisiert. Gleichzeitig werde die Frage aufgeworfen, ob Kunst und Kultur der richtige Ort sind, sich damit auseinanderzusetzen. Die Ausstellung ist in Kooperation mit dem Exzellenzcluster "Die Herausbildung normativer Ordnungen" der Goethe-Universität entstanden. Sie ist der zweite Teil einer vorausgegangenen Ausstellung im KW Institute for Contemporary Art in Berlin. Die Berliner Ausstellung "Fire & Forget. On Violence" hingegen ging der Frage nach, wie Waffen und Gewalt in der Kunst der Gegenwart verhandelt werden.
Die Schau im Museum Angewandte Kunst schärft den Blick dafür, wo Gewalt und ihre Verkörperung bereits präsent sind, zuweilen überraschend. Faszinierend ist auch zu beobachten, welch abstruse Züge diese Lust auf Gewalt annehmen kann.
>> Ausstellungseröffnung: Freitag, 9. September 2016, 19 Uhr. Ausstellungsdauer: 10. September bis 26. März 2016. Schaumainkai 17. Weitere Informationen unter www.museumangewandtekunst.de.
9. September 2016, 11.03 Uhr
Tamara Marszalkowski
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