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The Jesus & Mary Chain
Jetzt oder nie
„Jetzt oder nie – wir werden schließlich auch nicht jünger” sagten sich die Reid-Brüder und nahmen zehn Jahre nach der Wiedervereinigung von The Jesus & Mary Chain mit „Damage And Joy“ endlich ein neues Album auf und kommen damit auf Tour.
JOURNAL FRANKFURT: Der Titel Ihres neuen Album „Damage And Joy“ hat ja in etwa eine Bedeutung wie Schadenfreude ...
Jim Reid: Das sollte man nicht zu wörtlich nehmen, das Album heißt nicht wirklich „Schadenfreude“ (das spricht Reed auf Deutsch aus). Wir freuen uns nicht über das Elend anderer Leute. Es bedeutet nur, dass wir beides, Schaden und Freude bringen.
Es ist viel Zeit vergangen. Warum hat es trotz der Wiedervereinigung 2007 noch mal zehn Jahre gedauert bis ein neues Album aufgenommen und veröffentlicht wurde?
Wir haben hier und dort live gespielt und tatsächlich schon länger vorgehabt, ein Album aufzunehmen. Aber wir waren uns nicht einig, wo und wann aufgenommen werden sollte, so ging die Zeit ins Land. Schließlich sagten wir uns: Wir werden auch nicht jünger, entweder jetzt oder nie!
Sind die vierzehn Titel des neuen Albums über diese Jahre entstanden oder erst in jüngster Zeit?
Beides, einige Songs sind schon älter, andere ganz frisch. Die Titel umspannen die ganze Zeit seit der ersten Auflösung der Band 1999.
Im Text ihres Song „Amputation“ heißt es, dass Sie sich zeitweise wie amputiert gefühlt haben. Wie ist das gemeint?
Es gab eine Zeit, in der ich mich wie im Exil gefühlt habe. Niemand hat nach uns gefragt, wir bekamen auch keine Gigs. Da fühlte ich mich wie abgeschnitten. Auch im Radio fanden wir nicht mehr statt. Deshalb fühlten wir uns wie „Rock´n´Roll amputations“....
Der Titel „All Things Must Pass“ wurde schon früher einmal auf dem Soundtrack zu „Heroes“ veröffentlicht ...
Ich kenne den Film gar nicht, aber mein Bruder schaut alles, was im Fernsehen läuft. Wir hatten das Gefühl, ihn zuvor nie auf den Punkt gebracht zu haben.
Ein Trademark von The Jesus and Mary Chain war immer auch, gute Melodien mit krachenden Sounds zu kombinieren. Ist das nach wie vor das Markenzeichen der Band?
Ich weiß nicht so genau, was unser Markenzeichen ist. Es ging uns immer schon um die Songs. Ich bin kein Showman, wie etwa Mick Jagger bei den Rolling Stones. Damit will ich nichts gegen diese Bands sagen, nur waren wir immer schon etwas anders. Aber gute Melodien waren uns schon immer wichtig.
Wie würdet Sie das neue Album im Kontext der Bandgeschichte einordnen?
Ich analysiere unsere Musik nicht nach solchen Maßstäben. Oft gehen wir ins Studio, spielen auf unseren Gitarren und daraus entwickelt sich ein Song. Es gibt kein Korsett, im Studio ist alles erlaubt. Selbst wenn wir eine Grundidee haben, kann sich noch ein anderes Arrangement entwickeln.
Wie sind Sie an die Aufnahmen herangegangen. Haben Sie die Titel live im Studio eingespielt?
Nein, das tun wir nie. Anfangs sind nur William und ich involviert, dann kommen erst die anderen dazu.
Sie haben an verschiedenen Orten Stücke aufgenommen. Wie wichtig ist ein bestimmtes Studio für den Sound?
Ich denke, die Bedeutung eines Studios wird überbewertet. Für mich jedenfalls ist es ein Raum mit der nötigen technischen Ausrüstung, die ich für meine Arbeit brauche. Der Löwenanteil des Albums wurde in Spanien aufgenommen, in Dublin haben wir dann einige Tracks abgemischt.
Wie wichtig war Youth als Produzent bei der Aufnahme?
Youth hat einen guten Job gemacht. Eigentlich hatten wir ihn engagiert, damit er wie ein Schiedsrichter verhindert, dass Schlimmes zwischen mir und meinem Bruder passiert. Dann aber lief es viel besser als wir befürchtet hatten. Wir kamen sogar ganz gut miteinander aus, und vielleicht kommt da ja noch mehr.
Das leidliche Thema Bruderzwist. Die früheren Streitigkeiten mit Ihrem Bruder William sind so legendär wie die zwischen Ray und Dave von den Kinks oder der Gallaghers bei Oasis. Kommt Sie jetzt besser miteinander klar?
Wir haben tatsächlich viel gestritten. Eine Band zu haben ist an sich schon schwer. Wenn man die Gruppe auflöst, geht man seiner Wege und man sieht sich vielleicht nie wieder. Wenn man aber ein Brüderpaar ist, dann ist man noch miteinander verbandelt, wenn man nicht mehr zusammen spielt. Als sich The Jesus & Mary Chain 1997 trennte, gab es noch diese Verletzungen.
Aktuell ist die Band ja wieder auf Tournee. Was werden die Fans live zu hören bekommen?
Wir werden nicht das ganze neue Album spielen, schließlich sind die Leute noch nicht damit vertraut. Also werden wir einen Mix aus neuem und altem Material spielen. „Amputation“ hatten wir früher schon im Programm, aber das Meiste ist auch für uns neu.
Es wurde ja auch oft kolportiert, dass Sie sich auch oft rüpelhaft gegenüber Journalisten verhalten haben ...
Ich kann mich nicht daran erinnern, je einen Journalisten verprügelt zu haben. Aber wir waren unerfahren, und ich war immer scheu und hatte mit mir selbst genug zu tun. Wehe, wenn jemand auf der Bühne erschien, der dort nichts zu suchen hatte. Oft ging es bei uns drunter und drüber. Manchmal sang ich ein Stück und hatte plötzlich den Eindruck, dass die anderen Jungs gleichzeitig einen anderen Titel spielten.
Die Auftritte dauerten anfangs nur höchstens 20 Minuten. Wie hat das Publikum denn darauf reagiert?
Sie erwarteten nichts Anderes von uns. Wir haben kein konventionelles Rockkonzert geboten und auch keine hohen Eintrittspreise verlangt. Wir kamen wie eine Explosion auf die Bühne und verschwanden wieder. Eine Explosion dauert nun mal keine eineinhalb Stunden, das wäre eher verwirrend gewesen.
The Jesus and Mary Chain warden oft als die Mitbegründer des so genannten „Shoegazing“ bezeichnet ...
Ach, das ist so ein Ausdruck, den sich ein Redakteur ausgedacht hat. Tatsache ist, dass sich mancher Musiker der Zeit, und auch ich mich anfangs nie wohl gefühlt habe im Scheinwerferlicht. So haben wir auf unsere Instrumente geschaut, bis der Auftritt vorbei war.
Gab es jemals Unstimmigkeiten mit Ihrer Plattenfirma?
Ja, es gab sicher Reibereien, aber wir haben uns eigentlich nie reinreden lassen und immer selber entschieden, was z.B. als Single erscheinen sollte.
The Jesus And Mary Chain haben früher gerne auch Coverversionen gespielt ...
Grundvoraussetzung war, dass wir den Song mochten, dann aber haben wir ihn ganz anders gespielt als das Original klingt. Sonst hätte es auch keinen Sinn gemacht. „Who Do You Love“, „Tower Of Song“ oder „Surfing USA“ hatten in unserer Interpretation nichts mit der ursprünglichen Version zu tun.
Gab es jemals Einflüsse deutscher Bands auf Ihre Musik?
Oh ja, wir haben sogar „Mushroom“ von Can gecovert, aber natürlich auch verfremdet. Wir wussten ja auch, dass wir die Originale nicht verbessern konnten. Auch die Einstürzenden Neubauten und Kraftwerk sind bedeutend.
Viele fanden es erstaunlich, dass sie auch van Morrison als Inspiration erwähnt haben ...
Ich habe schon immer auch andere Musik gehört, und nur unterschieden, ob sie gut oder schlecht ist. Die Einteilung in andere Kategorien ist Unsinn. Und „Astral Weeks“ ist definitiv großartig.
Ihr Debütalbum „Psychocandy“ ließ solche Einflüsse nicht erkennen, gilt aber bis heute als ein echtes und relevantes Statement seiner Ära. Findest Sie es rückblickend gelungen?
Es ist so perfekt, wie wir es zur damaligen Zeit machen konnten. Natürlich haben sich die Zeiten geändert, auch wir haben uns geändert. Natürlich würden die Songs anders klingen, wenn wir sie heute aufnehmen würden. Aber ich weiß, warum sie so klingen, wie sie klingen. Und es hat uns ermöglicht noch drei Jahrzehnte später hier zu sitzen und sich darüber zu unterhalten.
Jim Reid: Das sollte man nicht zu wörtlich nehmen, das Album heißt nicht wirklich „Schadenfreude“ (das spricht Reed auf Deutsch aus). Wir freuen uns nicht über das Elend anderer Leute. Es bedeutet nur, dass wir beides, Schaden und Freude bringen.
Es ist viel Zeit vergangen. Warum hat es trotz der Wiedervereinigung 2007 noch mal zehn Jahre gedauert bis ein neues Album aufgenommen und veröffentlicht wurde?
Wir haben hier und dort live gespielt und tatsächlich schon länger vorgehabt, ein Album aufzunehmen. Aber wir waren uns nicht einig, wo und wann aufgenommen werden sollte, so ging die Zeit ins Land. Schließlich sagten wir uns: Wir werden auch nicht jünger, entweder jetzt oder nie!
Sind die vierzehn Titel des neuen Albums über diese Jahre entstanden oder erst in jüngster Zeit?
Beides, einige Songs sind schon älter, andere ganz frisch. Die Titel umspannen die ganze Zeit seit der ersten Auflösung der Band 1999.
Im Text ihres Song „Amputation“ heißt es, dass Sie sich zeitweise wie amputiert gefühlt haben. Wie ist das gemeint?
Es gab eine Zeit, in der ich mich wie im Exil gefühlt habe. Niemand hat nach uns gefragt, wir bekamen auch keine Gigs. Da fühlte ich mich wie abgeschnitten. Auch im Radio fanden wir nicht mehr statt. Deshalb fühlten wir uns wie „Rock´n´Roll amputations“....
Der Titel „All Things Must Pass“ wurde schon früher einmal auf dem Soundtrack zu „Heroes“ veröffentlicht ...
Ich kenne den Film gar nicht, aber mein Bruder schaut alles, was im Fernsehen läuft. Wir hatten das Gefühl, ihn zuvor nie auf den Punkt gebracht zu haben.
Ein Trademark von The Jesus and Mary Chain war immer auch, gute Melodien mit krachenden Sounds zu kombinieren. Ist das nach wie vor das Markenzeichen der Band?
Ich weiß nicht so genau, was unser Markenzeichen ist. Es ging uns immer schon um die Songs. Ich bin kein Showman, wie etwa Mick Jagger bei den Rolling Stones. Damit will ich nichts gegen diese Bands sagen, nur waren wir immer schon etwas anders. Aber gute Melodien waren uns schon immer wichtig.
Wie würdet Sie das neue Album im Kontext der Bandgeschichte einordnen?
Ich analysiere unsere Musik nicht nach solchen Maßstäben. Oft gehen wir ins Studio, spielen auf unseren Gitarren und daraus entwickelt sich ein Song. Es gibt kein Korsett, im Studio ist alles erlaubt. Selbst wenn wir eine Grundidee haben, kann sich noch ein anderes Arrangement entwickeln.
Wie sind Sie an die Aufnahmen herangegangen. Haben Sie die Titel live im Studio eingespielt?
Nein, das tun wir nie. Anfangs sind nur William und ich involviert, dann kommen erst die anderen dazu.
Sie haben an verschiedenen Orten Stücke aufgenommen. Wie wichtig ist ein bestimmtes Studio für den Sound?
Ich denke, die Bedeutung eines Studios wird überbewertet. Für mich jedenfalls ist es ein Raum mit der nötigen technischen Ausrüstung, die ich für meine Arbeit brauche. Der Löwenanteil des Albums wurde in Spanien aufgenommen, in Dublin haben wir dann einige Tracks abgemischt.
Wie wichtig war Youth als Produzent bei der Aufnahme?
Youth hat einen guten Job gemacht. Eigentlich hatten wir ihn engagiert, damit er wie ein Schiedsrichter verhindert, dass Schlimmes zwischen mir und meinem Bruder passiert. Dann aber lief es viel besser als wir befürchtet hatten. Wir kamen sogar ganz gut miteinander aus, und vielleicht kommt da ja noch mehr.
Das leidliche Thema Bruderzwist. Die früheren Streitigkeiten mit Ihrem Bruder William sind so legendär wie die zwischen Ray und Dave von den Kinks oder der Gallaghers bei Oasis. Kommt Sie jetzt besser miteinander klar?
Wir haben tatsächlich viel gestritten. Eine Band zu haben ist an sich schon schwer. Wenn man die Gruppe auflöst, geht man seiner Wege und man sieht sich vielleicht nie wieder. Wenn man aber ein Brüderpaar ist, dann ist man noch miteinander verbandelt, wenn man nicht mehr zusammen spielt. Als sich The Jesus & Mary Chain 1997 trennte, gab es noch diese Verletzungen.
Aktuell ist die Band ja wieder auf Tournee. Was werden die Fans live zu hören bekommen?
Wir werden nicht das ganze neue Album spielen, schließlich sind die Leute noch nicht damit vertraut. Also werden wir einen Mix aus neuem und altem Material spielen. „Amputation“ hatten wir früher schon im Programm, aber das Meiste ist auch für uns neu.
Es wurde ja auch oft kolportiert, dass Sie sich auch oft rüpelhaft gegenüber Journalisten verhalten haben ...
Ich kann mich nicht daran erinnern, je einen Journalisten verprügelt zu haben. Aber wir waren unerfahren, und ich war immer scheu und hatte mit mir selbst genug zu tun. Wehe, wenn jemand auf der Bühne erschien, der dort nichts zu suchen hatte. Oft ging es bei uns drunter und drüber. Manchmal sang ich ein Stück und hatte plötzlich den Eindruck, dass die anderen Jungs gleichzeitig einen anderen Titel spielten.
Die Auftritte dauerten anfangs nur höchstens 20 Minuten. Wie hat das Publikum denn darauf reagiert?
Sie erwarteten nichts Anderes von uns. Wir haben kein konventionelles Rockkonzert geboten und auch keine hohen Eintrittspreise verlangt. Wir kamen wie eine Explosion auf die Bühne und verschwanden wieder. Eine Explosion dauert nun mal keine eineinhalb Stunden, das wäre eher verwirrend gewesen.
The Jesus and Mary Chain warden oft als die Mitbegründer des so genannten „Shoegazing“ bezeichnet ...
Ach, das ist so ein Ausdruck, den sich ein Redakteur ausgedacht hat. Tatsache ist, dass sich mancher Musiker der Zeit, und auch ich mich anfangs nie wohl gefühlt habe im Scheinwerferlicht. So haben wir auf unsere Instrumente geschaut, bis der Auftritt vorbei war.
Gab es jemals Unstimmigkeiten mit Ihrer Plattenfirma?
Ja, es gab sicher Reibereien, aber wir haben uns eigentlich nie reinreden lassen und immer selber entschieden, was z.B. als Single erscheinen sollte.
The Jesus And Mary Chain haben früher gerne auch Coverversionen gespielt ...
Grundvoraussetzung war, dass wir den Song mochten, dann aber haben wir ihn ganz anders gespielt als das Original klingt. Sonst hätte es auch keinen Sinn gemacht. „Who Do You Love“, „Tower Of Song“ oder „Surfing USA“ hatten in unserer Interpretation nichts mit der ursprünglichen Version zu tun.
Gab es jemals Einflüsse deutscher Bands auf Ihre Musik?
Oh ja, wir haben sogar „Mushroom“ von Can gecovert, aber natürlich auch verfremdet. Wir wussten ja auch, dass wir die Originale nicht verbessern konnten. Auch die Einstürzenden Neubauten und Kraftwerk sind bedeutend.
Viele fanden es erstaunlich, dass sie auch van Morrison als Inspiration erwähnt haben ...
Ich habe schon immer auch andere Musik gehört, und nur unterschieden, ob sie gut oder schlecht ist. Die Einteilung in andere Kategorien ist Unsinn. Und „Astral Weeks“ ist definitiv großartig.
Ihr Debütalbum „Psychocandy“ ließ solche Einflüsse nicht erkennen, gilt aber bis heute als ein echtes und relevantes Statement seiner Ära. Findest Sie es rückblickend gelungen?
Es ist so perfekt, wie wir es zur damaligen Zeit machen konnten. Natürlich haben sich die Zeiten geändert, auch wir haben uns geändert. Natürlich würden die Songs anders klingen, wenn wir sie heute aufnehmen würden. Aber ich weiß, warum sie so klingen, wie sie klingen. Und es hat uns ermöglicht noch drei Jahrzehnte später hier zu sitzen und sich darüber zu unterhalten.
3. März 2017, 12.34 Uhr
ADA/Warner Music
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