Partner
Shantel und Frankfurt
"Ich überlege, ob ich bei der nächsten Oberbürgermeisterwahl nicht in die Bresche springen soll"
Am kommenden Dienstag legt Shantel im Museum Angewandte Kunst auf. Die Rahmenhandlung: Die Suche nach einer Sympathiemarke für die Stadt. Was macht Frankfurt für den weltreisenden Musiker aus? Ein Gespräch.
Journal Frankfurt: Am kommenden Dienstag spielst du bei der Vernissage FRANKFUR™AIN auf, aus über 60 Logo-Entwürfen wird eine Handvoll ausgezeichnet - dahinter stand für uns die Frage: Warum hat Frankfurt eigentlich kein Logo wie New York, Amsterdam oder Berlin? Oder noch einfacher gefragt: Braucht es das überhaupt?
Das habe ich mich tatsächlich auch als erstes gefragt. Es klingt alles so bemüht. Die meisten Metropolen der Welt setzen schlicht auf ihr Stadtwappen, das meist ja noch aus ganz anderen Sphären stammt – ein Problem damit, es plakativ einzusetzen haben sie nicht. Das I Love New York-Logo von Milton Glaser wurde glaube ich Anfang der 70er entwickelt. Dazu muss man sagen, dass New York bis in die 80er-Jahre hinein ein absolutes No Go war, die Stadt korrupt und kriminell und alles andere als ein Sehnsuchtsziel. Die Kampagne sollte damals aus dem Nichts etwas völlig Neues kreieren.
Darf ich Deine Antwort so interpretieren, dass Frankfurt nicht Nichts ist?
Frankfurt ist sehr, sehr gut aufgestellt und hat in den letzten 10 bis 15 Jahren enorme Entwicklungsperioden durchgemacht. Das Problem ist jedoch, dass es keinen übergreifenden Schulterschluss gesellschaftlich relevanter Gruppen gibt. Dadurch gibt es zwar viele großartige Institutionen, die aber nur zusammen soviel Kraft entfalten könnten, dass es auch weltweite Ausstrahlung hat. Es ist immer noch so, dass im Ausland die meisten Menschen meine Musik in Berlin verorten. Wenn ich sage, ich komme aus Frankfurt am Main, dann verziehen die meisten das Gesicht – wenn sie denn überhaupt etwas mit der Stadt anfangen können. Das steht für mich in einem extremen Kontrast zur Realität.
Was fehlt, um das zu ändern?
Der politische Wille. Mit der Logo-Kampagne wird man Frankfurt nicht neu aufstellen, aber es könnte ein Impuls in die richtige Richtung sein. Frankfurt schmiert gerade wieder ab im Städtevergleich. Da muss man genau jetzt etwas tun, eine gesellschaftliche Diskussion anstoßen.
Bist du in einer Partei?
Mit Politik hab ich relativ wenig am Hut – aber ich überlege, ob ich bei der nächsten Oberbürgermeisterwahl in die Bresche springen soll. Dahinter steht der Gedanke, nicht immer nur am Spielfeldrand zu stehen und immer zu kommentieren, was die anderen bitteschön besser machen sollen.
Was wäre Dein Wahlprogramm?
In Bezug auf das identitätsstiftende Moment unserer Stadt müsste man all die Macher und Kreativen mal an einen Tisch bringen. Darüber hinaus frage ich mich zum Beispiel, warum wir diese zubetonierte Innenstadt brauchen, in der große Karossen Wettrennen fahren? Erstmal klingt eine autofreie Innenstadt wie eine grüne Utopie, aber andere europäische Städte machen das vor – nicht nur in der Mittelmeerregion, sondern etwa auch in Skandinavien.
Der Protest wäre Dir sicher.
Ach, naja... die Einzelhändler würden sich ein halbes Jahr lang beschweren, das ist ja in Kopenhagen nicht anders, aber danach boomen Städte, die sich zu diesem Schritt entschließen. Für mich bemisst sich die Lebensqualität einer Stadt daran, wie sich alte Leute und Kinder durch sie bewegen können. Lebensqualität überträgt sich wiederum auch ganz schnell auf die Außenwahrnehmung, womit wir wieder bei der Frage wären, wie die verbessert werden kann. Im Grunde genommen nur so: Groß denken und Visionen entwickeln. Das muss man mit einem gewissen Pathos und einem gewissen Nachdruck formulieren. Die politische Umsetzung steht für mich auf einem anderen Blatt, aber wenn man erstmal beginnt die Kräfte zu bündeln, dann kann etwas Gutes entstehen.
Teilweise gibt es die Schulterschlüsse ja schon, gerade in der Kultur. Ist sie der Schlüssel?
Ja, man braucht ja nur mal in eine Off-Galerie gehen und sieht, dass dort Studenten von Kunsthochschulen neben Bankiers stehen. Kultur ist identitätsstiftend – eine Bank ist es nicht, ein Investmentwohnkomplex ist es nicht. Das meine ich damit, dass man streckenweise die falschen Prioritäten setzt.
Willst du wirklich gegen Peter Feldmann antreten?
Ich wende mich nicht gegen Personen, sondern kämpfe dafür, ein Gespräch zu beginnen. Parteipolitik ist für mich uninteressant. Das überholt sich gerade ein bisschen. In Rom gibt es jetzt mit Virginia Raggi eine neue Bürgermeisterin, die mit der Politik nichts zu tun hat, die sich über das Fünf-Sterne-Bündnis hat aufstellen lassen, eine Quereinsteigerin, die in wenigen Wochen eine Durchschlagskraft und eine Beliebtheit in der Bevölkerung erreicht, die unglaublich ist. Es muss darum gehen, das Gespräch über unsere Stadt zu beginnen. Alles, was diesem Gespräch dient, muss man in Erwägung ziehen. Die Logo-Kampagne ist dafür ein richtiger Haken, es geht vordergründig auch um Merchandising und welchen Spruch du gerne auf Deinem T-Shirt hättest. Doch dahinter steht die Visualisierung eines Frankfurter Lebensgefühls.
>> Eine Sympathiemarke für Frankfurt
Am 12. Juli eröffnet Peter Feldmann die Ausstellung FRANKFUR(TM)AIN im Museum Angewandte Kunst und kürt die Gewinner
Danach spielt Shantel auf – begleitet von Lorenzo Dolce & Band. Beginn: 19.30 Uhr. Eintritt frei. Zum Facebook-Event bitte hier entlang.
Das habe ich mich tatsächlich auch als erstes gefragt. Es klingt alles so bemüht. Die meisten Metropolen der Welt setzen schlicht auf ihr Stadtwappen, das meist ja noch aus ganz anderen Sphären stammt – ein Problem damit, es plakativ einzusetzen haben sie nicht. Das I Love New York-Logo von Milton Glaser wurde glaube ich Anfang der 70er entwickelt. Dazu muss man sagen, dass New York bis in die 80er-Jahre hinein ein absolutes No Go war, die Stadt korrupt und kriminell und alles andere als ein Sehnsuchtsziel. Die Kampagne sollte damals aus dem Nichts etwas völlig Neues kreieren.
Darf ich Deine Antwort so interpretieren, dass Frankfurt nicht Nichts ist?
Frankfurt ist sehr, sehr gut aufgestellt und hat in den letzten 10 bis 15 Jahren enorme Entwicklungsperioden durchgemacht. Das Problem ist jedoch, dass es keinen übergreifenden Schulterschluss gesellschaftlich relevanter Gruppen gibt. Dadurch gibt es zwar viele großartige Institutionen, die aber nur zusammen soviel Kraft entfalten könnten, dass es auch weltweite Ausstrahlung hat. Es ist immer noch so, dass im Ausland die meisten Menschen meine Musik in Berlin verorten. Wenn ich sage, ich komme aus Frankfurt am Main, dann verziehen die meisten das Gesicht – wenn sie denn überhaupt etwas mit der Stadt anfangen können. Das steht für mich in einem extremen Kontrast zur Realität.
Was fehlt, um das zu ändern?
Der politische Wille. Mit der Logo-Kampagne wird man Frankfurt nicht neu aufstellen, aber es könnte ein Impuls in die richtige Richtung sein. Frankfurt schmiert gerade wieder ab im Städtevergleich. Da muss man genau jetzt etwas tun, eine gesellschaftliche Diskussion anstoßen.
Bist du in einer Partei?
Mit Politik hab ich relativ wenig am Hut – aber ich überlege, ob ich bei der nächsten Oberbürgermeisterwahl in die Bresche springen soll. Dahinter steht der Gedanke, nicht immer nur am Spielfeldrand zu stehen und immer zu kommentieren, was die anderen bitteschön besser machen sollen.
Was wäre Dein Wahlprogramm?
In Bezug auf das identitätsstiftende Moment unserer Stadt müsste man all die Macher und Kreativen mal an einen Tisch bringen. Darüber hinaus frage ich mich zum Beispiel, warum wir diese zubetonierte Innenstadt brauchen, in der große Karossen Wettrennen fahren? Erstmal klingt eine autofreie Innenstadt wie eine grüne Utopie, aber andere europäische Städte machen das vor – nicht nur in der Mittelmeerregion, sondern etwa auch in Skandinavien.
Der Protest wäre Dir sicher.
Ach, naja... die Einzelhändler würden sich ein halbes Jahr lang beschweren, das ist ja in Kopenhagen nicht anders, aber danach boomen Städte, die sich zu diesem Schritt entschließen. Für mich bemisst sich die Lebensqualität einer Stadt daran, wie sich alte Leute und Kinder durch sie bewegen können. Lebensqualität überträgt sich wiederum auch ganz schnell auf die Außenwahrnehmung, womit wir wieder bei der Frage wären, wie die verbessert werden kann. Im Grunde genommen nur so: Groß denken und Visionen entwickeln. Das muss man mit einem gewissen Pathos und einem gewissen Nachdruck formulieren. Die politische Umsetzung steht für mich auf einem anderen Blatt, aber wenn man erstmal beginnt die Kräfte zu bündeln, dann kann etwas Gutes entstehen.
Teilweise gibt es die Schulterschlüsse ja schon, gerade in der Kultur. Ist sie der Schlüssel?
Ja, man braucht ja nur mal in eine Off-Galerie gehen und sieht, dass dort Studenten von Kunsthochschulen neben Bankiers stehen. Kultur ist identitätsstiftend – eine Bank ist es nicht, ein Investmentwohnkomplex ist es nicht. Das meine ich damit, dass man streckenweise die falschen Prioritäten setzt.
Willst du wirklich gegen Peter Feldmann antreten?
Ich wende mich nicht gegen Personen, sondern kämpfe dafür, ein Gespräch zu beginnen. Parteipolitik ist für mich uninteressant. Das überholt sich gerade ein bisschen. In Rom gibt es jetzt mit Virginia Raggi eine neue Bürgermeisterin, die mit der Politik nichts zu tun hat, die sich über das Fünf-Sterne-Bündnis hat aufstellen lassen, eine Quereinsteigerin, die in wenigen Wochen eine Durchschlagskraft und eine Beliebtheit in der Bevölkerung erreicht, die unglaublich ist. Es muss darum gehen, das Gespräch über unsere Stadt zu beginnen. Alles, was diesem Gespräch dient, muss man in Erwägung ziehen. Die Logo-Kampagne ist dafür ein richtiger Haken, es geht vordergründig auch um Merchandising und welchen Spruch du gerne auf Deinem T-Shirt hättest. Doch dahinter steht die Visualisierung eines Frankfurter Lebensgefühls.
>> Eine Sympathiemarke für Frankfurt
Am 12. Juli eröffnet Peter Feldmann die Ausstellung FRANKFUR(TM)AIN im Museum Angewandte Kunst und kürt die Gewinner
Danach spielt Shantel auf – begleitet von Lorenzo Dolce & Band. Beginn: 19.30 Uhr. Eintritt frei. Zum Facebook-Event bitte hier entlang.
8. Juli 2016, 11.10 Uhr
Nils Bremer
Mehr Nachrichten aus dem Ressort Kultur
„Woche gegen das Vergessen“
Erinnern im Frankfurter Holzhausenschlösschen
Mit der „Woche gegen das Vergessen“ im Frankfurter Holzhausenschlösschen soll der Verfolgung jüdischer Menschen gedacht werden. Ein buntes Programm lädt zu Klassik, Kabarett und Literatur ein.
Text: Till Taubmann / Foto: Eine Szene der Darstellung „Empfänger unbekannt“ © Michael Raphael Klein
KulturMeistgelesen
- Graffiti und Street-Art in FrankfurtSprayer prägen das Stadtbild mit ihren Kunstwerken
- Verkündung auf der Frankfurter Buchmesse„Aura“ ist Jugendwort des Jahres 2024
- Zum 13. MalKorean Film Festival in Frankfurt gestartet
- Wohnen in Frankfurt„Es geht um Identität, soziale Gerechtigkeit und Lebensqualität“
- Beat Goes Funk in SachsenhausenEin kleine Soulrevue im Ono 2
2. November 2024
Journal Tagestipps
Freie Stellen