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Foto: aded
Foto: aded

Dosch@Berlinale 2017

So klingt Berlin: Trrrackatrrrrackatrrracktrrrr

Die 67. Internationalen Filmfestspiele Berlin sind in vollem Gange. Unser Kino-Redakteur Andreas Dosch sitzt in vollen Rängen. Und wenn der Film gut war, applaudiert er auch mal. Aber nur ganz kurz.
An welchem Geräusch erkennt man eine Stadt? Berlin, zum Beispiel: Baulärm, Gehupe? Gibt es auch bei uns. Vorbeiratternde S-Bahn-Züge? Schon eher. Mein persönliches Berlin-Geräusch ist eindeutig „Trrrackatrrrrackatrrracktrrrr“: das Rumgezacker hinter sich hergezogener Rollkoffer auf Beton- und Kopfsteinplaster – ständig, überall! Man fühlt sich regelrecht verfolgt davon. Und die Kofferbesitzer, sie haben es immer so eilig. Wo wollen die denn alle hin? Ins Kino womöglich. Stimmt: ist ja Berlinale! Ich habe hier schon Kinobesucher erlebt, die hatten tatsächlich ihr Reisegepäck mit im Saal. Früher. Geht heute nicht mehr. Viel zu strenge Sicherheitsvorkehrungen. Schon mit Rucksäcken darf man (eigentlich) nicht mehr rein. Irgendwie verständlich und gar ein wenig beruhigend, selbst wenn man sich von der Terror-Paranoia nicht anstecken lassen will. Aber einen Anti-IS-Film, möglicherweise finanziert durch französische und amerikanische Gelder, würde ich mir hier vielleicht auch mit eher mulmigem Gefühl anschauen. Gibt aber keinen – zumindest habe bislang keinen gefunden.


Was aktuell gehäuft angeboten wird, sind Künstlerbiografien. Das geht nun schon seit Längerem so. Von einem David Bowie-Film ist mir leider noch nichts zu Ohren gekommen. Eine Prince-Doku befindet sich gerade in der Mache. Auch das Leben Whitney Houstons soll demnächst auf die Leinwand kommen. Bis es soweit ist, muss man sich auf der Berlinale 2017 mit Django begnügen. Nein, natürlich nicht mit dem „Zahlt heute nicht“-Django. Die Rede ist von Django Reinhardt. Wie, kennen Sie nicht? Die Legende schlechthin des früher so genannten „Zigeuner-Jazz“! Heute würde man vielleicht „Sinti-Swing“ dazu sagen. Ein Gott der Gitarre. Jimi Hendrix (hätte auch einen Film verdient) benannte seine Begleitcombo „Band of Gypsys“ nach ihm. Fun-Fact! Dem Franzosen Etienne Comar ist nun ein ansehnliches Beinahe-Biopic gelungen, das sich nur einem bestimmten Lebensabschnitt des Künstlers widmet, nämlich seiner Verfolgung durch die Nazis. Manchmal hängt der Film etwas durch, in Fahrt kommt „Django“ vor allem bei seinen Musikszenen. Was wohl auch im Sinne des Erfinders war.


Wer es eher „high-brow“ bevorzugt: Eine Hommage an den – ebenfalls ruhmreichen und bedeutsamen –Aktionskünstler Joseph Beuys (kreativer Titel: „Beuys“) steht zu einem späteren Zeitpunkt auf dem Festivalprogramm. Der in Fachkreisen renommierte Hollywood-Darsteller Stanley Tucci präsentiert derweil als Regisseur „Final Portrait“, einen vergnüglichen Ausschnitt der letzten Monate des Malers & Bildhauers Alberto Giacometti, köstlich schrullig verkörpert von Geoffrey Rush. Dann gibt es noch „Maudie“ über das Leben der naiven Malerin Maud Lewis (zugegeben: Ich kannte sie auch nicht). Und: „Der junge Karl Marx“ über … Sie ahnen es. Ihn als „Künstler“ zu bezeichnen mag jetzt vielleicht nicht hundertprozentig korrekt sein. Pfeifen wir jetzt aber drauf.
Wo wir gerade beim Pfeifen sind (super Überleitung, was?): Auch bei diesem handelt es sich um ein allseits beliebtes akustisches Merkmal des (meistens für die Presse akkreditieren) Berlinale-Publikums. Gerne verbunden mit einem verächtlichen Lachen während des Films, so „hö hö hö“-mäßig. Natürlich vor allem an Stellen, wo es eigentlich gar nichts zu lachen gibt. Viele kramen während der Vorstellung in ihren mitgebrachten Brötchentüten rum („krrsskrssskrrrss“), die sie irgendwie in ihren Rucksäcken mit reingeschmuggelt haben, trotz der draußen aufgehängten Verbotsschilder („No Drinks. No Food. No Cameras. No Bombs“). Andere tippen auf Smartphones – eher ein optisches Ärgernis. Sonores Schnarchen: keine Seltenheit. Großes Thema: Husten, Räuspern, Niesen, Schneuzen. Nicht zuletzt genießt die Berlinale den heiseren Ruf des weltweit größtes Influenza-Events. Mit ein Grund, warum ich mich impfen lasse. Und dann herrscht beim Festivalzuschauer allgemein noch der Irrglaube vor, man müsse einem gelungenen Beitrag durch das Aufeinanderschlagen der Handflächen lautstark Tribut zollen. Selbst wenn weit und breit keiner der jeweiligen Macher zu entdecken ist. Dann sitzen die Leute da und beklatschen tatsächlich eine sich gerade im des Schließen des Vorhanges begriffene Kinoleinwand. Könnte ja sein, dass beispielsweise Aki Kaurismäki, welcher hier einen tollen neuen Film mitgebracht hat („Die andere Seite der Hoffnung“), es hören könnte. Gaaanz bestimmt: Der Mann kommentiert gerade ein paar hundert Meter entfernt in einem abgeschotteten Hotelzimmer lustlos nuschelnd blöde Interviewfragen. Wenn er nicht letzte Nacht in einer abgeschabten Kreuzberger Szenekneipe unterm Tresen vergessen wurde. Möglicherweise gar beides. Habe ich jedenfalls noch nie kapiert, das mit dem Applaus – komische Sache. Sei's drum, bringt jetzt auch keinen um. Ab und zu, ich gebe es zu, lasse ich mich sogar mitreißen. Gruppenzwang. Natürlich. Aber nur für etwa drei oder vier kurze Schläge, das muss reichen! Dann sollte der Filmgenuss auch wirklich außergewöhnlich gewesen sein. Bei Kaurismäki hätte ich es vielleicht sogar getan. Aber der war aus erwähnten Gründen unpässlich. Auch beim furiosen zweiten „Trainspotting“-Teil („T2“– war das nicht Terminator?)war ich versucht mich euphorisiert bemerkbar zu machen. Allerdings war der Techno-Abspann eh zu laut. Außerdem musste ich weg: nächster Film. Vielleicht kommt noch was Beklatschenswertes. Sind ja noch ein paar Tage. Bis dahin: Nehmen Sie sich von den Rollkoffern in Acht! Ich glaube, das sind in Wirklichkeit manipulativ-mechanische Killeraliens. (Hatte ich erwähnt, dass es auf der diesjährigen Berlinale auch eine Science-Fiction-Retrospektive gibt?) Nicht wir ziehen sie – sie führen uns. Ja, so muss es sein. Hilfe, da kommt schon wieder einer! „Trrrackatrrrrackatrrracktrrrr.“

>> Der Berlinale-Blog
 
13. Februar 2017, 11.14 Uhr
Andreas Dosch
 
 
Fotogalerie:
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