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Deutschlandpremiere der Adaption
The Picture of Dorian Gray auf USB-Stick
Merlin Holland, der Enkel von Oscar Wilde, hat mit John O'Connor den Roman des Großvaters adaptiert. Im English Theatre in Frankfurt feierte das leicht verwirrende Stück seine Deutschlandpremiere.
Eine unschuldig und zugleich kalte weiße Kulisse mit modernen Möbeln. Auf der Mies-van-der-Rohe-Designliege liegt Dorian Gray splitterfasernackt. Wie gebannt starrt Künstler Basil Hallward (Timothy Allsop) nicht nur mit den Augen, sondern auch mit der Videokamera auf den Schönling, den man heute salopp "Eyecandy" nennen würde. Gilt es doch die Schönheit und Jugend des Mannes für die Ewigkeit festzuhalten, später auf einem USB-Stick. Auch das Publikum kann die nackte Frontseite Grays begutachten –nett und doch künstlerisch verzichtbar, war das doch Ende der 80er-Jahre Gang und Gebe in deutschen Theatern. Michael Lanni spielt ziemlich beeindruckend den jungen, zunächst unschuldig naiven und dann immer böser werdenden Dandy, der vom zynischen Lord Henry Wotton (herrlich britisch-arrogant spielend: Richard Lynson) dazu verführt wird, die schönen Dinge des Lebens auszukosten, koste es was es wolle. Was würde Dorian Gray darum geben, für immer knackig-jung und schön zu sein, soll doch sein Abbild für ihn altern! Seine Seele würde er dafür eintauschen. Ein Pakt mit dem Teufel, den Gray bereuen wird, aber erst, nach dem er über Leichen – etwa die seiner Geliebten Sybil Vane (Natasha Rickman) – gegangen ist.
Zu Beginn sieht Dorian Gray aus wie ein neuzeitiger Hipster. Tatsächlich hat sich der gesellschaftlich kultivierte Jugend- und Schönheitswahn seit den Entstehungsjahr des Romans, 1890, kaum geändert. Auch heute nimmt man Extreme in Kauf, um einem Ideal zu entsprechen, die inneren Werte werden zu Nebenaspekten. Der Versuch, das Stück in die heutige Zeit zu katapultieren, ist daher durchaus nachvollziehbar. Die Neuadaption des Theaterstücks durch Oscar Wildes Enkel Merlin Holland sowie John O’Connor ebenso wie die Inszenierung Tom Littlers machen es dem Zuschauer jedoch nicht eben leicht, sich auf die Handlung einzulassen.
Rund zwanzig Rollen hat das Stück, aber in der Inszenierung nur vier Schauspieler. Außer Michael Lenni, der sich ganz auf die Entwicklung zum bösartigen Gray konzentrieren darf, werden alle Rollen von Allsop, Lynson und Rickman übernommen, die Kostüme werden in Spielunterbrechungen auf der Bühne gewechselt. Diese mit buntem Licht und Musik unterlegten langatmigen Pausen reißen den Zuschauer jäh aus dem Fluss der Geschichte heraus, stattdessen schaut er zu, wie Requisiten verschoben werden und es manchmal nur ein Hut ist, der aus Lord Henry Wotton (dann aber mit verstellter Stimme) eine feine Dame macht. Die drei Darsteller verstehen es famos, in die ihnen zugewiesenen Rollen zu schlüpfen, keine Frage. Hinzukommt der dem Wilde’schen Text innewohnende, manchmal beißende Wortwitz, der für Lacher sorgt. Dennoch könnte die Inszenierung kurzweiliger sein. Das Stück arbeitet mit verschiedenen Zeitebenen. Nicht nur vergehen innerhalb der Handlung zwanzig Jahre, in denen das Bildnis des Dorian Gray altert und mit jeder Missetat hässlicher wird, während der Mann selbst ein Jüngling bleibt. Auch das Umfeld der Charaktere wandelt sich. Je weiter die Handlung fortschreitet, desto mehr verwandeln sich das Bühnenbild und die Kostüme zurück in die die Zeit um 1890. Aus der Designerliege wurde eine Récamière,aus dem Video ein Bildnis, aus dem weißen Bühnenbild ein dunkles Loch. Es ist faszinierend, dabei zuzusehen, wie Michael Lanny als Dorian Gray noch versucht, ein guter Mensch zu werden, nur um sein fieses Abbild ertragen zu können, versteht sich, nicht weil er seine Taten aufrichtig bereut. Die Verzweiflung ist ihm ins Gesicht geschrieben. Gute Darsteller und die Wilde’schen Bonmots sind gute Gründe, sich den adaptierten Klassiker anzusehen, doch die neue Inszenierung wird nicht Jedermanns Sache sein.
>>Bis 27.10. im English Theatre, Gallusanlage 7, www.english-theatre.de
Zu Beginn sieht Dorian Gray aus wie ein neuzeitiger Hipster. Tatsächlich hat sich der gesellschaftlich kultivierte Jugend- und Schönheitswahn seit den Entstehungsjahr des Romans, 1890, kaum geändert. Auch heute nimmt man Extreme in Kauf, um einem Ideal zu entsprechen, die inneren Werte werden zu Nebenaspekten. Der Versuch, das Stück in die heutige Zeit zu katapultieren, ist daher durchaus nachvollziehbar. Die Neuadaption des Theaterstücks durch Oscar Wildes Enkel Merlin Holland sowie John O’Connor ebenso wie die Inszenierung Tom Littlers machen es dem Zuschauer jedoch nicht eben leicht, sich auf die Handlung einzulassen.
Rund zwanzig Rollen hat das Stück, aber in der Inszenierung nur vier Schauspieler. Außer Michael Lenni, der sich ganz auf die Entwicklung zum bösartigen Gray konzentrieren darf, werden alle Rollen von Allsop, Lynson und Rickman übernommen, die Kostüme werden in Spielunterbrechungen auf der Bühne gewechselt. Diese mit buntem Licht und Musik unterlegten langatmigen Pausen reißen den Zuschauer jäh aus dem Fluss der Geschichte heraus, stattdessen schaut er zu, wie Requisiten verschoben werden und es manchmal nur ein Hut ist, der aus Lord Henry Wotton (dann aber mit verstellter Stimme) eine feine Dame macht. Die drei Darsteller verstehen es famos, in die ihnen zugewiesenen Rollen zu schlüpfen, keine Frage. Hinzukommt der dem Wilde’schen Text innewohnende, manchmal beißende Wortwitz, der für Lacher sorgt. Dennoch könnte die Inszenierung kurzweiliger sein. Das Stück arbeitet mit verschiedenen Zeitebenen. Nicht nur vergehen innerhalb der Handlung zwanzig Jahre, in denen das Bildnis des Dorian Gray altert und mit jeder Missetat hässlicher wird, während der Mann selbst ein Jüngling bleibt. Auch das Umfeld der Charaktere wandelt sich. Je weiter die Handlung fortschreitet, desto mehr verwandeln sich das Bühnenbild und die Kostüme zurück in die die Zeit um 1890. Aus der Designerliege wurde eine Récamière,aus dem Video ein Bildnis, aus dem weißen Bühnenbild ein dunkles Loch. Es ist faszinierend, dabei zuzusehen, wie Michael Lanny als Dorian Gray noch versucht, ein guter Mensch zu werden, nur um sein fieses Abbild ertragen zu können, versteht sich, nicht weil er seine Taten aufrichtig bereut. Die Verzweiflung ist ihm ins Gesicht geschrieben. Gute Darsteller und die Wilde’schen Bonmots sind gute Gründe, sich den adaptierten Klassiker anzusehen, doch die neue Inszenierung wird nicht Jedermanns Sache sein.
>>Bis 27.10. im English Theatre, Gallusanlage 7, www.english-theatre.de
9. September 2016, 10.16 Uhr
Nicole Brevoord
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