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Der Schauspieler Andreas Wellano
Jenseits von schwarz und weiß
Der will nicht nur spielen: Seit mehr als 40 Jahren prägt der Schauspieler Andreas Wellano die Frankfurter Theaterszene. Er nahm schon die Rollen vieler Persönlichkeiten an. Doch was ist Wellano selbst für ein Mensch?
Ein Mann betritt die Bühne, einen Pferdesattel über die Schulter geworfen und einen Trolley hinter sich herziehend. Mit zugekniffenen Augen blinzelt er ins Scheinwerferlicht: „Sagen Sie, meine Garderobe ist beheizt? Meine Zigarren liegen bereit? Wissen Sie, ich habe drei Zigarren im Vertrag!“ Als die Auftrittsbedingungen stimmen, geht es los mit dem Stück über den Schöpfer von Winnetou und Old Shatterhand, „Durchgeritten. Alles von Karl May. Director’s Cut“. Und es scheint passend, dass Andreas Wellano diesen Karl May spielt und mit ihm das Theater im Theater, das die Bedingungen seiner Aufführung stets mitverhandelt. 2013 zeigte er das Stück am Neuen Theater Höchst, unter der Regie von Birgitta Linde.
Seit über vierzig Jahren steht der Schauspieler auf Frankfurts Bühnen. „Ich habe schon als Kind im Schultheater gespielt“, erzählt er, Sohn eines deutschen Vaters und einer französischen Mutter. Und obgleich er das Scheinwerferlicht sucht, obgleich er gern auf der Bühne steht und Geschichten erzählt, von sich selbst spricht Wellano eher ungern. Vielleicht gehört ja auch das zum Spielersein dazu: Nicht als man selbst in der Öffentlichkeit zu stehen, sondern als ein anderer. Oder, besser: als viele andere.
Wellano wurde in Basel geboren und wuchs im Elsass auf. Mit der deutschen Sprache hatte er lange seine Schwierigkeiten und besserte seine Deutschnoten auf, indem er im Unterricht Monologe spielte. Sein Vater hielt wenig vom Theater, doch Andreas Wellano nahm heimlich Schauspielunterricht und ging nach München, um Theaterwissenschaft zu studieren. An der Universität hielt es ihn allerdings nicht lange: „Das Studium hätte mir viel zu lang gedauert“, erzählt er. „Ich wollte einfach spielen.“ Inspiriert wurde er dabei auch von seiner Großtante, der berühmten Liesl Karlstadt, Bühnenpartnerin von Karl Valentin, die mit bürgerlichem Namen Elisabeth Wellano hieß. „Ich habe sie nicht mehr kennengelernt, aber ihre Unbeirrbarkeit hat mich beeindruckt.“ Ließ sich Karlstadt, die Tochter eines italienischen Bäckers, doch nicht abbringen von ihrem Weg ans Theater – auch wenn sie Zeitlebens als ebenbürtige Partnerin Valentins unterschätzt wurde.
Die Universität verließ Wellano also bald, gründete eine freie Theatergruppe in München – und zog schließlich nach Frankfurt, der Liebe wegen. So wurde er Anfang der 1970er Jahre Ensemblemitglied des Theaters am Turm (TAT), das damals unter der Leitung von Hermann Treusch die Mitbestimmung probte. „Es waren aufregende Jahre“, erinnert er sich. Schließlich gründete er gemeinsam mit seiner Partnerin, der Schauspielerin Angelika Sieburg, das „WuWei Theater“, das lange Zeit am Künstlerhaus Mousonturm beheimatet war. Die Idee des politischen Theaters, eines Theaters, das seine Gegenwart kritisch reflektiert, treibt sie immer noch um. Seit einiger Zeit arbeiten sie in der Stalburg, sie zeigten dort etwa Dario Fos „Geschichte einer Tigerin“ oder den Wiener Liederabend „A bisserl schwarz, a bisserl weiß“.
Warum er hiergeblieben sei? „Ich liebe Frankfurt total, es ist die Stadt, wo Angelika und ich uns kennengelernt haben vor über vierzig Jahren“, sagt er sofort. „Es ist eine lebendige Stadt, wir haben hier immer Impulse bekommen.“ Die Freie Theaterszene ist seit einigen Jahren wieder in Bewegung – nicht zuletzt dank Wellano und Sieburg, die sich im Landesverband Professioneller Freier Theater für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen engagieren und mit dem Verband erst ein Netzwerk freier Theaterschaffender ins Leben riefen. „Außerdem haben wir mit einer großen Gruppe in Niederrad eine Wohngenossenschaft gegründet, für gemeinschaftliches, generationenübergreifendes Wohnen“, erzählt Wellano. „Wir bauen in Niederrad über 50 Wohnungen.“ So wird es auch 2017 kein bisschen leise: Im Januar steht der Schauspieler in der Stalburg in Michael Herls neuem Stück auf der Bühne, „Captains’ Dinner“. In der Komödie treffen sich zwei scheinbar höchst verschiedene Menschen auf einer einsamen Insel, ein Wirtschaftskapitän im Ruhestand und eine junge Frau. „Es geht um männliche und weibliche Arbeitsweisen, um Alter und Jugend“, erzählt Wellano. Mit seinem eigenen Ruhestand scheint es allerdings nicht weit her zu sein: Es gibt noch viel zu tun.
>> Captains’ Dinner, Komödie, Ffm: Stalburg, Glauburgstraße 80, 7./8./13.1., 20 Uhr, Eintritt: 23–29,–
>> Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe Nr. 1-2 2017 erschienen. Sie können das JOURNAL FRANKFURT auch abonnieren. Mehr Informationen unter www.journal-frankfurt.de/service_shop_abo/.
Seit über vierzig Jahren steht der Schauspieler auf Frankfurts Bühnen. „Ich habe schon als Kind im Schultheater gespielt“, erzählt er, Sohn eines deutschen Vaters und einer französischen Mutter. Und obgleich er das Scheinwerferlicht sucht, obgleich er gern auf der Bühne steht und Geschichten erzählt, von sich selbst spricht Wellano eher ungern. Vielleicht gehört ja auch das zum Spielersein dazu: Nicht als man selbst in der Öffentlichkeit zu stehen, sondern als ein anderer. Oder, besser: als viele andere.
Wellano wurde in Basel geboren und wuchs im Elsass auf. Mit der deutschen Sprache hatte er lange seine Schwierigkeiten und besserte seine Deutschnoten auf, indem er im Unterricht Monologe spielte. Sein Vater hielt wenig vom Theater, doch Andreas Wellano nahm heimlich Schauspielunterricht und ging nach München, um Theaterwissenschaft zu studieren. An der Universität hielt es ihn allerdings nicht lange: „Das Studium hätte mir viel zu lang gedauert“, erzählt er. „Ich wollte einfach spielen.“ Inspiriert wurde er dabei auch von seiner Großtante, der berühmten Liesl Karlstadt, Bühnenpartnerin von Karl Valentin, die mit bürgerlichem Namen Elisabeth Wellano hieß. „Ich habe sie nicht mehr kennengelernt, aber ihre Unbeirrbarkeit hat mich beeindruckt.“ Ließ sich Karlstadt, die Tochter eines italienischen Bäckers, doch nicht abbringen von ihrem Weg ans Theater – auch wenn sie Zeitlebens als ebenbürtige Partnerin Valentins unterschätzt wurde.
Die Universität verließ Wellano also bald, gründete eine freie Theatergruppe in München – und zog schließlich nach Frankfurt, der Liebe wegen. So wurde er Anfang der 1970er Jahre Ensemblemitglied des Theaters am Turm (TAT), das damals unter der Leitung von Hermann Treusch die Mitbestimmung probte. „Es waren aufregende Jahre“, erinnert er sich. Schließlich gründete er gemeinsam mit seiner Partnerin, der Schauspielerin Angelika Sieburg, das „WuWei Theater“, das lange Zeit am Künstlerhaus Mousonturm beheimatet war. Die Idee des politischen Theaters, eines Theaters, das seine Gegenwart kritisch reflektiert, treibt sie immer noch um. Seit einiger Zeit arbeiten sie in der Stalburg, sie zeigten dort etwa Dario Fos „Geschichte einer Tigerin“ oder den Wiener Liederabend „A bisserl schwarz, a bisserl weiß“.
Warum er hiergeblieben sei? „Ich liebe Frankfurt total, es ist die Stadt, wo Angelika und ich uns kennengelernt haben vor über vierzig Jahren“, sagt er sofort. „Es ist eine lebendige Stadt, wir haben hier immer Impulse bekommen.“ Die Freie Theaterszene ist seit einigen Jahren wieder in Bewegung – nicht zuletzt dank Wellano und Sieburg, die sich im Landesverband Professioneller Freier Theater für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen engagieren und mit dem Verband erst ein Netzwerk freier Theaterschaffender ins Leben riefen. „Außerdem haben wir mit einer großen Gruppe in Niederrad eine Wohngenossenschaft gegründet, für gemeinschaftliches, generationenübergreifendes Wohnen“, erzählt Wellano. „Wir bauen in Niederrad über 50 Wohnungen.“ So wird es auch 2017 kein bisschen leise: Im Januar steht der Schauspieler in der Stalburg in Michael Herls neuem Stück auf der Bühne, „Captains’ Dinner“. In der Komödie treffen sich zwei scheinbar höchst verschiedene Menschen auf einer einsamen Insel, ein Wirtschaftskapitän im Ruhestand und eine junge Frau. „Es geht um männliche und weibliche Arbeitsweisen, um Alter und Jugend“, erzählt Wellano. Mit seinem eigenen Ruhestand scheint es allerdings nicht weit her zu sein: Es gibt noch viel zu tun.
>> Captains’ Dinner, Komödie, Ffm: Stalburg, Glauburgstraße 80, 7./8./13.1., 20 Uhr, Eintritt: 23–29,–
>> Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe Nr. 1-2 2017 erschienen. Sie können das JOURNAL FRANKFURT auch abonnieren. Mehr Informationen unter www.journal-frankfurt.de/service_shop_abo/.
2. Januar 2017, 10.34 Uhr
Esther Boldt
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Historisches Museum Frankfurt
Mit dem Käfer auf der Flucht aus der DDR
Das Historische Museum Frankfurt zeigt im Rahmen der Reihe „Zeitzeugenschaft? Ein Erinnerungslabor“ die Geschichte von drei Frauen in der DDR. Die Ausstellung startet am 30. Oktober in der „Bibliothek der Generationen“.
Text: Lukas Mezler / Foto: Der Käfer als Fluchtauto © Steffi Barthel
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