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Foto: Gedenkstelle Hadamar
Foto: Gedenkstelle Hadamar

Denkmal zur Euthanasie gastiert in Frankfurt

Busse des Grauens

Das Denkmal der Grauen Busse erinnert an die Euthanasie-Aktion T4 unter den Nationalsozialisten. In der Nacht zum Freitag soll dazu ein tonnenschwerer Betonbus auf den Rathenauplatz gestellt werden.
Ein grauer in Beton gegossener Bus mitten in der Stadt: Vom 19. August an bis Ende Mai 2018 erinnert das Denkmal der grauen Busse an die Opfer der „Euthanasie“-Verbrechen im Nationalsozialismus. Das Mahnmal reiste schon durch mehrere Städte, Frankfurt ist die 20. Station. Bis Ende Mai ist der graue Bus auf dem Rathenau­platz zu sehen. Doch das ist nur ein kleiner Teil. Die Stadt inszeniert ein umfangreiches Rahmenprogramm. "Wir wollten nicht einfach nur ein Denkmal aufstellen", sagt Gesundheitsdezernent Stefan Majer (Grüne).

Vor einem Jahr hat das Frankfurter Parlament die Aufstellung des Denkmals beschlossen in einer, wie es Majer nennt, der herausragenden Debatten des Gremiums. In diesem Jahr fällt nun der Besuch des Beton-Busses, eine Arbeit der Künstler Horst Hoheisel und Andreas Knitz, mit dem 100-jährigen Bestehen des Gesundheitsamtes zusammen. Die Behörde will damit Licht auf ein dunkles Kapitel seiner Geschichte lenken. "Die Mitarbeiter waren mit ihrer Arbeit unmittelbar in die Euthanasie involviert", sagt Majer. Sie hätten später gesagt, nur ihre Pflicht getan zu haben. "Doch sie haben durch die daraus folgenden Konsequenzen, schwere Schuld auf sich geladen."Handlungen im übrigen, die keineswegs mit dem Kriegsende vorbei waren. Akten belegten, dass das Amt die 1935 begründete behördliche Arbeit über Erbkrankheiten und Behinderungen bis in die 60er-Jahre hinein verfolgte.

Die Arbeit der Künstler Horst Hoheisel und Andreas Knitz erinnert an die mit grauer Tarnfarbe gestrichenen Busse. Sie brachten psychisch kranke oder geistig behinderte Kinder und Erwachsene zwischen 1940 und 1941 zu sechs Tötungsanstalten in Deutschland, in denen sie ermordet wurden.

Sowohl Majer wie auch Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) würdigten bei der Vorstellung des Programms die Arbeit und Initiative der beiden Künstler, einen in Originalgröße aus Beton gegossenen, 70 Tonnen schweren Bus als Erinnerung an die Opfer der „Euthanasie“ und gleichzeitig als Nachbildung des Täterwerkzeugs auszustellen. Die Busse waren in den Dörfern und Städten bekannt. Keiner hielt sie auf, obwohl bald viele von den Todesfahrten wussten. Ina Hartwig nennt Hadamar, spricht auch davon, dass die Ermordung behinderter Menschen, Menschen am Rande der Gesellschaft auch nach 1941 weiterging, Kinder von Ärzten totgespritzt wurden. Sie nennt den Korbflechter Heinrich Bechtold, der 1938 von Frankfurt in die Heil- und Pflegeanstalt nach Weilmünster. Herr Bechtold wurde bereits am 27. Januar 1941, zwei Wochen nachdem in Hadamar die Morde begonnen hatten, zusammen mit 75 weiteren Patienten in „Grauen Bussen“ nach Hadamar gebracht. Noch am gleichen Tag wurden sie in der im Keller des Gebäudes eingerichteten Gaskammer ermordet und ihre Leichname verbrannt. Die Angehörigen erhielten eine Sterbeurkunde, in der eine falsche, natürliche Todesursache angegeben wurde. Auch ein falsches Sterbedatum war eingetragen, um einen Aufenthalt in Hadamar vorzutäuschen und um zusätzlich Pflegegelder einzustreichen. Ersonnen wurden solche Verbrechen in der Tiergartenstraße 4 in Berlin – daher der Name der Aktion, T4.

Lange Zeit blieb die Geschichte um die grauen Busse verschüttet, ein Tabuthema, wie auch Behinderungen an sich ein Tabuthema der Gesellschaft waren und noch heute sind. "Wir haben in Deutschland ein enormen Nachholbedarf, was die Integration behinderter Menschen im Alltag angeht", sagt Frau Hartwig. „Nach Auffassung der Künstler, der ich mich anschließe, kommt und geht dieses Erinnerungszeichen in Form des grauen Busses, so wie im Alltag Verdrängtes und Tabuisiertes immer wieder plötzlich auftaucht: Erinnerung als ein ständiger Prozess.“

„Das Thema „Euthanasie“ ist bis heute zum Teil noch immer mit dem ‚Mantel des Schweigens‘ behaftet. Mit dem Begleitprogramm wollen wir stattdessen zu einer Kultur des Sprechens, Erkennens Begreifens und Handelns beitragen, die vor der Gefahr der Wiederholung schützt“, sagte Stadtrat Majer.

Der Künstler Hoheisel greift dieses Verschweigen auf und kritisiert, dass in Hadamar, die Opfer der Euthanasie nur mehr mit ihrem Vornamen genannt würden. Hoheisel bezieht sich auf ein Zitat des Frankfurter Journalisten und Rechercheurs Ernst Klee, der meinte, mit den Namen gebe man den Opfern ihre Geschichte zurück. "Hessen ist das einzige Bundesland, das die Namen der Opfer nicht öffentlich nennt", so Herr Hoheisel. Das ließe sich ändern - wenn man denn wolle.

Erinnerung – als ständiger Prozess.

>> Denkmal der Grauen Busse
Das Denkmal wird zum Freitag am Rathenauplatz aufgestellt. Dafür werden des nachts die angrenzenden Straßen gesperrt. Die offizielle Eröffnung des reisenden Mahnmals findet am Samstag, 19. August, um 14 Uhr auf dem Rathenauplatz statt. Mehr zum Rahmenprogramm finden Sie auf der Website.
 
15. August 2017, 10.25 Uhr
Nils Bremer
 
 
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