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Foto: Anett Göthe
Foto: Anett Göthe

Auf nach Kassel

Retro-Flair auf der documenta 14

Am vergangenen Wochenende eröffnete, zwei Monate nach dem Start in Athen, die documenta in Kassel. Es ist mittlerweile die 14. Ausgabe dieser weltweit bedeutendsten Ausstellung für zeitgenössische Kunst, die in diesem Jahr unter der Ägide des polnischen Kurators Adam Szymczyk steht.
Der Titel der diesjährigen Schau „Von Athen lernen“ soll laut Szymczyk verdeutlichen, dass es Zeit ist für eine Neuausrichtung und eine Transformation der documenta durch einen Ortswechsel. Diesen Gedanken nimmt die Arbeit „The Welcoming Gate“ des griechischen Künstlers Zafos Xagoraris auf, zu der man durch einen Container auf dem Vorplatz des Kasseler Hauptbahnhofs hinunter in den Untergrund in einen stillgelegten Tunnel steigt – vorbei an alten Gleisen, Werbeplakaten und aufgeschüttetem Kies. Am Ende der stillgelegten Gleise wartet ein Schild mit den griechischen Lettern „XAIPETE!“, das schlicht und ergreifend „Seid gegrüßt!“ heißt und ein fast vergessenes Kapitel der deutsch-griechischen Geschichte aus dem ersten Weltkrieg aufgreift.

„Parthenon der Bücher“
Die zweifellos optisch imposanteste Arbeit auf der im fünfjährigen Turnus stattfindenden Werkschau ist Marta Minujíns „Parthenon der Bücher“, der 70 Meter lang, 30 Meter breit und 20 Meter hoch ist. Das Riesen-Kunstwerk hat damit in etwa die Maße des antiken Parthenon-Tempels auf der Akropolis in Athen und ist mit zehntausenden Büchern behängt, die irgendwo in der Welt verboten sind oder es einmal waren. Eine schöne Idee, jedoch fällt auf, dass der Parthenon erst zur Hälfte mit vor allem deutsch- und englischsprachig Büchern gefüllt ist. Etwa 20 Mal taucht die gleiche Ausgabe vom „Fänger im Roggen“ von J. D. Salinger auf. Auch stellt sich die Frage, ob es in den arabischen Ländern, in Asien, in Afrika oder in Südamerika keine verbotenen Bücher gab? Etwas mehr Vielfalt wäre hier eindrucksvoller gewesen. Damit die Bücher auch bei Regen noch ansehnlich bleiben, wurden alle Exemplare für die 100-tägige Aktion einzeln in Plastikfolie verpackt. In der Kategorie „umweltfreundlichstes Werk“ kann diese Arbeit damit allerdings nicht punkten. Die 35 documenta-Locations in Kassel, die insgesamt 160 Künstler zeigen, offerieren im Großen und Ganzen nicht viel Neues. Bis auf die kuratorische Neuausrichtung mit Ortswechsel zwischen Athen und Kassel konzentriert sich die Schau in den festen Institutionen auf historische Bezüge und den Kulturaustausch zwischen Deutschland und Griechenland. Vor allem die Präsentationen in der „Neuen Galerie“ fungieren als eine Art „Erinnerungsort“, der als Form einer Rückschau zu sehen ist und sich auf Aspekte der politischen und der Kunstgeschichte bezieht.



Neue Orte erobern
Doch gibt es unter den vielen Werken und Orten auch beeindruckende Highlights zu entdecken. So bespielt die documenta in dem Kasseler Arbeiter- und Migrantenviertel Nordstadt erstmalig einen riesigen Betonbau im 70er-Jahre-Charme, die sogenannte "Neue Hauptpost", die für die nächsten 100 documenta-Tage in „Neue Neue Galerie“ umbenannt wurde. Dort werden in der eindrucksvollen Performance von Maria Hassabi „Staging“ Dauer und Bewegungslosigkeit dazu benutzt, eine Choreografie zu entwickeln, in welcher die ausführenden Körper zwischen Tanz und Skulptur, Subjekt und Objekt, lebendigem Körper und Stillleben changieren. Daneben sind faszinierende Fotoarbeiten der Palästinenserin Ahlam Shibli zum Thema „Heimat“ zu sehen. Eines der fesselndsten Werke der documenta 14 ist jedoch die raumgreifende Projektion und Sound-Installation „Atlas Fractured" von Theo Eshetu. Hierbei filmte Eshetu das Banner des Ethnologischen Museums in Berlin-Dahlem und legt in seiner Projektion Masken der Sammlungen Afrika, Amerika, Ozeanien, Asien und Europa übereinander und schafft damit Raum zum Nachdenken über ethnologische Sammlungen und wie kulturelle Artefakte im europäischen Kontext gezeigt werden.



Am Ende eines Tages voller Kunstgenuss und -diskussion fragt man sich, was man denn nun von Athen lernen kann? „Griechenland war die Wiege der Zivilisation. Jetzt ist das Land in einem anderen Zustand und empfängt Lektionen aus aller Welt“ erläutert Szymczyk. Es sei höchste Zeit, nun wieder von Griechenland zu lernen. Die Schau hat eindrucksvoll gezeigt, dass es manchmal einfach wichtig ist, von seinen gewohnten (Denk-)Pfaden abzuweichen und die Blickrichtung zu ändern, um neue Denkanstöße zu erhalten. Das hat die documenta 14 überzeugend geschafft.




>> documenta 14, Kassel, 10.6.-17.9.2017, täglich von 10-20 Uhr, www.documenta14.de
 
13. Juni 2017, 09.49 Uhr
Anett Göthe
 
 
Fotogalerie:
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