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Drug-Checking bald auch in Frankfurt?

„Pasten, Kristalle und Pillen lassen sich besonders gut testen“

Drug-Checking: Dr. Gernot Rücker macht Mecklenburg-Vorpommern zum Vorreiter – doch viele Bundesländer bremsen, auch Hessen. Warum schnelle Tests Leben retten und eine Reform längst überfällig ist.
Im Juni 2023 beschloss der Bundestag eine Regelung zur Erlaubnis von Drug-Checking-Modellen. Konsumierende können Drogen freiwillig auf ihre Inhaltsstoffe testen lassen, um Risiken zu minimieren. War der Entschluss als bedeutender Schritt in der deutschen Drogenpolitik wahrgenommen worden, stockt es allerdings in der Umsetzung, auch in Frankfurt. Der Bund schuf eine Rechtsgrundlage, die Umsetzung liegt allerdings bei den Ländern. Hessen, wie viele andere Bundesländer, bremst: Eine notwendige Rechtsordnung auf Landesebene wurde bislang nicht erlassen, so das Drogenreferat Frankfurt.

„Mit der Erlaubnis zum Drug-Checking kommen wir in der Drogenpolitik einen wichtigen Schritt weiter: weg von Strafe, hin zu Schutz und Hilfe!“, erklärte der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert (SPD).

Europaweit führend: Mecklenburg-Vorpommern

Während Drug-Checking in der Schweiz und Österreich bereits etabliert ist, starten in Deutschland erste Projekte in Berlin und Thüringen. Mecklenburg-Vorpommern gilt inzwischen als Vorreiter – dank Dr. Gernot Rücker, Notfallmediziner und einer von Europas führenden Experte für Freizeitdrogen. Der gebürtige Bad Schwalbacher leitet die Notfallmedizin an der Universitätsmedizin Rostock und engagiert sich besonders für Prävention. Das Ziel seiner Arbeit ist, Drogenschäden zu minimieren, erklärt er im Gespräch mit dem JOURNAL. Mit einem mobilen Team bietet er auf Festivals in Mecklenburg-Vorpommern Drug-Checking an.

Rücker und sein Team nutzen dafür die Infrarotspektroskopie: „Dieses Verfahren ist mobil, günstig, dauert weniger als eine Minute und ist weniger empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen wie beispielsweise Luftfeuchtigkeit.“

Damit die Rave-Party nicht im Massengrab endet

Die Bedeutung von Drug-Checking sei offensichtlich, sagt Rücker. „Momentan gibt es etwa 2000 bis 3000 psychoaktive Substanzen, jede Woche kommen ein bis zwei neue hinzu.“ Tests helfen, Überdosen oder tödliche Zwischenfälle zu vermeiden. „Wenn Sie Drogen nehmen, um Spaß zu haben, wollen Sie nicht, dass die Rave-Party im Massengrab endet“, betont er. Besonders gut testbar seien „Pasten, Kristalle und Pillen“, während pflanzliche Substanzen wegen ihrer komplexen Zusammensetzung schwieriger zu testen seien.

Alternative Verfahren wie die Gaschromatographie sind präziser, erfordern jedoch ein Labor, sind teurer und erfordern wesentlich mehr Zeit bis ein Testergebnis vorliegt. Laut Rücker führe für mobile Einsätze kein Weg an der Infrarotspektroskopie vorbei.

Unterschied zwischen Alltags- und Freizeitdrogen

Rücker unterscheidet klar zwischen „Alltagsdrogen“ wie Heroin, Crack oder Alkohol und „Freizeitdrogen“ wie MDMA oder 2-CB. „Es ist ein Trugschluss, dass Freizeitdrogenkonsum zwangsläufig in Abhängigkeit endet. Das ist völliger Unfug.“ Die Beratungsgespräche, die bei zukünftigen Drug-Checking-Modellen verpflichtend sein könnten, sieht er kritisch: „Wer glaubt, dass Süchtige durch eine Beratung aufhören, die Droge zu konsumieren, irrt. Abhängige haben ganz andere Probleme.“

Die „bösen Drei“

Besonders kritisch sieht Rücker das zerstörerische Potenzial von Alkohol. Deutschland gilt als Hochkonsumland mit 7,9 Millionen Menschen, die in einer gesundheitlich riskanten Form Alkohol konsumieren. Von weiteren 9 Millionen Menschen mit eindeutig problematischem Konsum, berichtet die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. in ihren Jahrbuch Sucht 2024. Alkohol richtet nicht nur gesundheitlichen Schaden an, sondern hätte auch massive soziale Auswirkungen. Während große Festivals mit Drogenkonsum selten von besonderen Vorfällen überschattet werden, verzeichnet das Oktoberfest jährlich zahlreiche Vergewaltigungen, Übergriffe und Führerscheinverluste. „Jedes Schützenfest ist krimineller als eine Hasch-Party“, behauptet Rücker.

Er fordert striktere Maßnahmen: „Ein Alkohol-Mindestalter von 18 Jahren und Verkaufsbeschränkungen wären ein wichtiger Schritt. Wenn jemand erst später anfängt zu trinken, verschieben sich die Alkoholsucht und auch der Tod nach hinten.“ Alkohol, Crack und Heroin bezeichnet Rücker als die „bösen Drei“, wobei Alkohol durch seine gesellschaftliche Akzeptanz besonders problematisch sei. „Wer jeden Tag eine Kiste Bier trinkt, gibt 500 Euro im Monat aus. Würde sie 100 Euro kosten, wäre das für viele nicht mehr finanzierbar – und Alkoholismus ließe sich reduzieren.“

Milliardenverluste durch illegale Märkte

Auch die geplante Cannabispolitik von Friedrich Merz und der CDU die das Cannabisgesetz kippen wollen, sofern sie die nötigen Mehrheiten generieren kann, bezeichnet er als „riesiges Drama“, auch aus marktwirtschaftlicher Sicht. „200 bis 400 Tonnen Cannabis werden jährlich in Deutschland konsumiert – mit einem Handelsvolumen von vier bis fünf Milliarden Euro. Dieses Geld landet nicht im Fiskus, sondern in kriminellen Strukturen.“ Rücker verweist darauf, dass allein Alkohol das Gesundheitssystem jährlich 56 Milliarden Euro kostet. „Das ignorieren zu wollen, ist Wahnsinn. Wer das nicht erkennt muss verrückt sein. Jeder der das in einer Firma machen würde, würde vom Hof gejagt werden.“

Info
Dr. Georg Rücker ist Anästhesist, Notfallmediziner und Experte für Freizeitdrogenkonsum. Der gebürtige Bad Schwalbacher hat seinen charmanten hessischen Dialekt behalten, obwohl er bereits seit über zehn Jahren an der Universitätsmedizin Rostock tätig ist. Dort leitet er eine Arbeitsgruppe für notfallmedizinische Forschung sowie das Simulations- und Ausbildungszentrum RoSaNa. Zudem forscht er intensiv zu psychoaktiven Substanzen und deren Auswirkungen auf die Notfallversorgung. In Europa gilt er als einer der führenden Forscher im Bereich des Freizeitdrogenkonsums. Auch auf Musikfestivals ist er aktiv, wo er über die Risiken von Drogen und safer use informiert und Drug-Checking anbietet. Mit seinem Buch „Rausch“ setzt er sich für eine differenzierte Diskussion über den Konsum von Rauschmitteln ein, wobei er medizinische, gesellschaftliche und geschichtliche Perspektiven einbezieht.
 
6. Dezember 2024, 11.30 Uhr
Till Taubmann
 
Till Christian Taubmann
Jahrgang 1997, Studium in Kommunikationsdesign an der Hochschule Mainz, Arbeit als freier Illustrator, seit Januar 2023 beim JOURNAL FRANKFURT. – Mehr von Till Christian Taubmann >>
 
 
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