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Zwischenruf von Janine Wissler

Zur Einheitsfeier das Leid der Flüchtlinge nicht vergessen

Das Motto der Einheitsfeier in Frankfurt ist zynisch, meint die Politikerin Janine Wissler (Die Linke) in ihrem Kommentar. Wer "Grenzen überwinden" ernstmeine, müsse für eine humanitäre Flüchtlingspolitik eintreten.
„Grenzen überwinden“ – so lautet das Motto der offiziellen Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der Deutschen Einheit. In den vergangenen Tagen hat dieses Motto jedoch einen zynischen Beigeschmack bekommen: Deutschland hat wieder Grenzkontrollen eingeführt, in Europa werden Stacheldrahtzäune errichtet und das Mittelmeer ist längst zum Massengrab geworden. Wenn Menschen auf der Flucht über das Mittelmeer ertrinken, dann sind das keine tragischen Unglücksfälle, sondern die Folge der EU-Abschottungspolitik und der Aushöhlung des Asylrechts. Es wird den Flüchtlingen so schwer wie möglich gemacht, europäischen Boden zu erreichen. Es gibt keine sicheren Fluchtwege und bei der Seenotrettung wurde gekürzt. Aktuell erleben wir ein unwürdiges Geschacher zwischen den EU-Staaten – auf Kosten der Menschen, die vor Krieg, Terror, Elend und Verfolgung fliehen und ein Leben in Würde für sich und ihre Kinder suchen. Das alles 25 Jahre nach der Deutschen Einheit, bei der eine Zaunöffnung an der ungarischen Grenze eine zentrale Rolle spielte.

Der 25. Jahrestag der Deutschen Einheit ist aber auch ein Anlass, sich anzuschauen, wie geeint Deutschland wirklich ist und welche Gräben es bis heute gibt. Noch immer gibt es zwischen Ost- und Westdeutschland große Unterschiede bei den Löhnen und Renten. Im Osten ist die Erwerbslosigkeit höher, die Menschen haben eine niedrigere Lebenserwartung und im Schnitt einen sehr viel geringeren Wohlstand. Dafür florieren der Niedriglohnsektor und die Kinderarmut. Die Abwanderung junger und qualifizierter Menschen und der damit verbundene Rückgang der sozialen Infrastruktur stellen breite Landstriche vor große Probleme. Die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse bleibt also gesamtdeutsche Aufgabe – auch 25 Jahre nach der Einheit. Wir können aber auch von den Erfahrungen der Ostdeutschen lernen. Bei der Nutzung erneuerbarer Energien liegt der Osten heute genauso vorne, wie bei der frühkindlichen Bildung und dem Anteil vollzeiterwerbstätiger Frauen.

Es gibt gute Gründe, den Mauerfall und die Öffnung der innerdeutschen Grenze zu feiern. Dass man ungehindert und ohne Gefahren von Ost nach West reisen kann, ist heute eine Selbstverständlichkeit, bleibt aber eine wichtige Errungenschaft. Gerade in diesen Tagen zeigt sich aber in drastischer Art und Weise, dass es auch im Jahr 2015 noch viele Grenzen, Zäune und Mauern gibt, die eingerissen werden müssen. Bei den Feierlichkeiten in Frankfurt sollte das Leid der Menschen, die unter Lebensgefahr versuchen nach Europa zu flüchten und für die die Grenzen oft unüberwindbar sind, nicht vergessen werden. Im Gegenteil: Wer das Motto „Grenzen überwinden“ ernst nimmt, der muss für eine Abkehr der Abschottungs- und Abschiebepraxis und eine humanitäre Flüchtlingspolitik eintreten.Ich werde an den Feierlichkeiten in Frankfurt nicht teilnehmen können, weil ich auf einer Reise in Tunesien und Sizilien bin. Dort will ich mir selbst ein Bild von der Lage an den EU-Außengrenzen machen.

Janine Wissler (Die Linke) ist Abgeordnete des Hessischen Landtags und
seit 2014 stellvertretende Parteivorsitzende.– Diskutieren Sie den ­Zwischenruf
hier in den kommenden 14 Tagen online: www.journal-frankfurt.de/zwischenruf
 
22. September 2015, 10.58 Uhr
Janine Wissler
 
 
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