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Nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten

Warum es jetzt auf uns Frankfurter ankommt

Frankfurt ist in Deutschland zum Inbegriff einer freien, toleranten Metropole geworden. Deswegen kommt es jetzt auf die Bürger dieser Stadt an, die Werte zu verteidigen, die sie groß gemacht haben. Ein Kommentar.
Von Trump trennt uns weniger als man gemeinhin annehmen möchte. Ein paar Beispiele: Wie Trump fordert auch die CSU, die Zahl der Flüchtlinge zu begrenzen, die Grenzen enger zu knüpfen – selbst, wenn man damit Leute abweisen müsste, die vor politischer Verfolgung oder Krieg flüchten.

Der Hass auf den Islam ist ebenfalls keine Spezialität der Republikaner unter Trump. In Deutschland muss man nicht lange suchen, um Menschen zu finden, die Bedenken gegenüber den Gläubigen dieser Religion haben, die Islam mit Terrorismus gleichsetzen. Von Toleranz sind wir weit entfernt, von Akzeptanz noch weiter. Man erinnere sich an den Ausspruch von Bundespräsident Christian Wulff, der Islam gehöre zu Deutschland. Große Teile der CDU empfanden das nicht so. Wulffs Nachfolger Joachim Gauck distanzierte sich freilich davon – und garniert seine Reden mindestens so oft mit Kriegsrhetorik wie mit Gedanken um die Verteidigung der Freiheit. In einer glückssüchtigen Gesellschaft seien deutsche Gefallene eben schwer zu ertragen.

Und die linken Parteien? Dürfen sich glücklich schätzen mit Trump nun einen US-Präsidenten zu haben, der mit ihnen in der Ablehnung von Freihandelsabkommen wie TTIP auf einer Linie liegt.

Das soll nur zeigen, dass man nicht erst auf den ganz rechten Rand schauen muss, auf die sogenannte Alternative für Deutschland, auf Pegida oder die erstarkende Identitäre Bewegung. Sie sind bloß der Nährboden auf dem Populismus, harte Worte und letztlich ein Abschleifen von Staat, Werten und Ordnung gedeihen.

Trump hat auch als Kandidat gesiegt, der sich als Gegenmodell zur Elite, als Außenseiter des politischen Systems verkaufte und so Hoffnungen unter jenen schürte, die sich abgehängt fühlen, die sich nicht ernstgenommen fühlen. Solche Reden verfangen auch in Deutschland – auch in Frankfurt. Immerhin acht Sitze hat die AfD im Stadtparlament errungen, mit einem Programm, in dem vom "erwachenden Widerstand des Bürgertums gegen seine Abschaffung" die Rede ist. Der Sieg Trumps wird Bewegungen wie der AfD weiter Aufschwung geben – er ist auch ein Sieg des postfaktischen Zeitalters.

Dagegen sollten wir uns zur Wehr setzen. Wir sollten die Toleranz, die Vielfalt, die Freiheit und Offenheit unserer Stadt verteidigen gegen jene, die Grenzen ziehen, Mauern bauen, Minderheiten verächtlich machen wollen und die Gesellschaft spalten. Wir haben zu lange geschwiegen und fälschlicherweise gedacht, dass am Ende schon die Vernunft siegen wird. Der 9. November 2016 sollte ein Weckruf sein, jenem Europa eine kraftvolle Stimme zu geben, dass für ein friedliches Zusammenleben der Völker steht, für Menschenrechte und Aufklärung. Für den Fall von Mauern, nicht für die Errichtung von Mauern.

In ihrer Rede in der Paulskirche sagte Carolin Emcke vor wenigen Wochen: "Sie wollen uns einschüchtern, die Fanatiker, mit ihrem Hass und ihrer Gewalt, damit wir unsere Orientierung verlieren und unsere Sprache. Damit wir voller Verstörung ihre Begriffe übernehmen, ihre falschen Gegensätze, ihre konstruierten Anderen – oder auch nur ihr Niveau. Sie beschädigen den öffentlichen Diskurs mit ihrem Aberglauben, ihren Verschwörungstheorien und dieser eigentümlichen Kombination aus Selbstmitleid und Brutalität. Sie verbreiten Angst und Schrecken und reduzieren den sozialen Raum, in dem wir uns begegnen und artikulieren können."

Warum es in diesem Kontext auf uns Frankfurter ankommt? Weil es auf jeden einzelnen von uns ankommt in einer Stadt, in der die Paulskirche steht. Weil wir uns nicht vorwerfen lassen sollten, zu wenig gesagt und getan zu haben gegen das Wiedererstarken von Feinden unserer multikulturellen, offenen Stadtgesellschaft. Zum Schluss also noch einmal Carolin Emcke: "Wir dürfen uns nicht wehrlos und sprachlos machen lassen. Wir können sprechen und handeln. Wir können die Verantwortung auf uns nehmen. Und das heißt: Wir können sprechend und handelnd eingreifen in diese sich zunehmend verrohende Welt." So ist es.
 
9. November 2016, 11.21 Uhr
Nils Bremer
 
 
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