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Mousonturm könnte betroffen sein
„Die Haushaltspläne der Bundesregierung schaden Frankfurt“
Im Bundestag laufen die Beratungen über den Bundeshaushalt 2025. Die Frankfurter Bundestagsabgeordnete Bettina Wiesmann befürchtet Einschnitte für die Stadt Frankfurt.
JOURNAL FRANKFURT: Frau Wiesmann, Sie sagen, dass aus Frankfurter Perspektive das Zahlenwerk äußerst kritisch zu bewerten sei. Woran machen Sie das fest?
Bettina Wiesmann: Die Ampel hat den Haushalt mit Geschenken an die eigene Klientel wie das überdimensionierte Bürgergeld und das Deutschlandticket auf fast 490 Milliarden Euro aufgebläht. Um die Bilanz zu retten, setzt sie ausgerechnet dort den Rotstift an, wo eher mehr als weniger Geld gefragt wäre. Bei uns in Frankfurt wird das zu spürbaren Einschnitten führen.
Welche Einschnitte könnten auf Frankfurt zukommen?
Es fängt beim Sozialetat an: Das Jobcenter Frankfurt soll nach den Plänen der Ampel nächstes Jahr im Vergleich zu 2024 mit sechs Prozent weniger Geld auskommen. Wichtige Maßnahmen zur Arbeitsförderung werden gestrichen werden müssen.
Ein anderes Beispiel ist der Kulturetat. Die Ampel plant hier Kürzungen, die Frankfurter Kulturinstitutionen hart treffen werden. Im öffentlichen Verkehr wiederum will die Ampel zwar keine Mittel kürzen, aber indem sie einen Investitionszuschuss für die Deutsche Bahn in eine Kapitalspritze umwandelt, um ihre eigene Schuldenbilanz aufzubessern, sorgt sie dafür, dass das Verkehrsangebot des Rhein-Main-Verkehrsverbunds voraussichtlich teurer oder reduziert werden wird.
Kulturetat soll beschnitten werden
Welche Bereiche wären am stärksten betroffen?
Das ist eine Frage der Betrachtung. Die Etats der Ressorts sind sehr unterschiedlich groß. Wenn der Bund im mit fast 180 Milliarden Euro größten Einzelplan, dem Sozialetat, eine Million Euro einspart, ist das nicht zu vergleichen mit einer Million Euro im Kulturetat, der um ein Vielfaches kleiner ist.
Im Kulturbereich lässt sich mit kleinen Summen viel Gutes schaffen. Andererseits können hier vergleichsweise kleine Einsparungen verheerende Folgen haben. Und dann ist es möglich, dass ein Etat zwar wächst, innerhalb des Etats aber an entscheidenden Stellen gespart wird. Beispiel Familienetat: Hier sind spürbare Einsparungen vorgesehen, obwohl er durch einen angenommenen Zuwachs an Kinderzuschlagsanträgen insgesamt wachsen soll.
So sollen die frühen Hilfen, mit deren Beratungs- und Unterstützungsangebot jungen Familien geholfen wird, um 10 Prozent gekürzt werden, statt wenigstens einen Inflationsausgleich zu erhalten. Auch sollen die Freiwilligendienste um 30 Millionen Euro verringert werden; Hilfen für ungewollt Kinderlose und für schwangere Frauen in Not werden sogar gegenüber 2023 halbiert.
Sie sagen, dass auch die Kultur in ihrer Förderung stark eingeschränkt würde. Welche Häuser in Frankfurt müssten sich auf Einschnitte gefasst machen?
Es müssen sich zum Beispiel das Künstlerhaus Mousonturm und das Ensemble Modern auf Einschnitte gefasst machen.
Beispiel Mousonturm: Was bedeutet das konkret für das Haus?
Seit fast zehn Jahren fördert der Bund das Bündnis internationaler Produktionshäuser, dem der Mousonturm angehört. 2024 stehen dem Mousonturm über das Bündnis rund eine Million Euro zur Verfügung. Mit dem Geld finanziert er einen erheblichen Teil seiner Programmarbeit. Wenn die Bundesförderung wie geplant 2025 eingestellt wird, kann das das Ende aller gemeinsamen Projekte des Mousonturms mit seinen Bündnispartnern, gerade auch für internationale Vorhaben bedeuten.
Weitere Kulturhäuser betroffen
Welche Kultureinrichtungen wären noch betroffen?
In diesem konkreten Fall wären zunächst die sieben Häuser betroffen, die dem Bündnis angehören. Neben dem Mousonturm sind das Häuser in Dresden, Berlin, Hamburg, Essen und Düsseldorf. Da sich das Bündnis aber über die Jahre zu einem wichtigen Innovationsmotor der deutschen Theaterlandschaft entwickelt hat und über zahlreiche Kooperationen in die freie Szene insgesamt hineinwirkt, wären indirekt noch viele weitere Kulturhäuser betroffen.
Auch im Verkehrsbereich befürchten Sie massive Kostensteigerungen. Was könnte auf den Rhein-Main-Verkehrsverbund und die Pendler zukommen?
Der Haushaltsentwurf sieht vor, der Deutschen Bahn versprochene Mittel in Höhe von 4,5 Milliarden Euro zur Finanzierung der überfälligen Infrastruktursanierung nicht als Baukostenzuschuss, sondern in Form einer Eigenkapitalspritze zukommen zu lassen. Mit diesem Trick will die Ampel die eigene Haushalsbilanz aufbessern.
Für die Bahn bedeutet dies allerdings nichts Gutes, denn auf die Kapitalspritze werden Zinsen fällig, die die Deutsche Bahn erwirtschaften muss, indem sie die sogenannte Trassenpreise erhöht, die alle Eisenbahnverkehrsunternehmen für die Nutzung des Schienennetzes zahlen müssen. Steigen die Trassenpreise, verteuert sich der Verkehr.
Frankfurter Fahrpläne könnten reduziert werden
Für uns in Frankfurt hat das zur Folge, dass der Rhein-Main-Verkehrsverbund, in dessen Auftrag die Regionalzüge und S-Bahnen in Frankfurt unterwegs sind, mit massiven Kostensteigerungen konfrontiert sein wird. Da er diese in Zeiten des Deutschlandtickets kaum an seine Kunden weitergeben kann, wird sich das beim Verkehrsangebot niederschlagen. Die Eigenkapitalerhöhung bei der Bahn wird im schlimmsten Fall dazu führen, dass Fahrpläne zusammengestrichen werden.
Welche Alternativen sehen Sie zu den geplanten Einschnitten?
Taschenspielertricks wie die Umwandlung von Baukostenzuschüssen in Eigenkapitalspritzen ließen sich mit einem mehrjährigen Infrastrukturfonds verhindern. Ein solcher Fonds würde Planungssicherheit für die dringend erforderliche Sanierung von Schienen, Straßen und Brücken schaffen. Planungssicherheit ist auch in der Kulturförderung wichtig. Förderung nach Kassenlage dagegen ist Gift für die Kulturbranche in unserem Land.
Im Familienetat könnte das Programm „Demokratie leben!“ reduziert werden, das innerhalb weniger Jahre um ein Vielfaches, auf 200 Millionen Euro, gewachsen ist und an dessen Wirksamkeit wir als Union Zweifel haben.
Mit Blick auf den Sozialetat schließlich kann ich nicht nachvollziehen, warum die Ampel verbissen am teuren und fehlgerichteten Bürgergeld festhält und gleichzeitig bei der Arbeitsförderung sparen will. Sozialpolitik sollte Menschen zu Arbeit verhelfen und nicht Arbeitslosigkeit zementieren. Ein Umdenken der Ampel an diesem Punkt wäre nicht nur für den Bundeshaushalt gut, sondern vor allem auch für die betroffenen Menschen.
Info
Zur Person
Bettina Wiesmann sitzt für die CDU im Bundestag (Wahlkreis 182, Frankfurt II) und ist stellvertretende Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion im Familienausschuss.
© privat
Bettina Wiesmann: Die Ampel hat den Haushalt mit Geschenken an die eigene Klientel wie das überdimensionierte Bürgergeld und das Deutschlandticket auf fast 490 Milliarden Euro aufgebläht. Um die Bilanz zu retten, setzt sie ausgerechnet dort den Rotstift an, wo eher mehr als weniger Geld gefragt wäre. Bei uns in Frankfurt wird das zu spürbaren Einschnitten führen.
Welche Einschnitte könnten auf Frankfurt zukommen?
Es fängt beim Sozialetat an: Das Jobcenter Frankfurt soll nach den Plänen der Ampel nächstes Jahr im Vergleich zu 2024 mit sechs Prozent weniger Geld auskommen. Wichtige Maßnahmen zur Arbeitsförderung werden gestrichen werden müssen.
Ein anderes Beispiel ist der Kulturetat. Die Ampel plant hier Kürzungen, die Frankfurter Kulturinstitutionen hart treffen werden. Im öffentlichen Verkehr wiederum will die Ampel zwar keine Mittel kürzen, aber indem sie einen Investitionszuschuss für die Deutsche Bahn in eine Kapitalspritze umwandelt, um ihre eigene Schuldenbilanz aufzubessern, sorgt sie dafür, dass das Verkehrsangebot des Rhein-Main-Verkehrsverbunds voraussichtlich teurer oder reduziert werden wird.
Welche Bereiche wären am stärksten betroffen?
Das ist eine Frage der Betrachtung. Die Etats der Ressorts sind sehr unterschiedlich groß. Wenn der Bund im mit fast 180 Milliarden Euro größten Einzelplan, dem Sozialetat, eine Million Euro einspart, ist das nicht zu vergleichen mit einer Million Euro im Kulturetat, der um ein Vielfaches kleiner ist.
Im Kulturbereich lässt sich mit kleinen Summen viel Gutes schaffen. Andererseits können hier vergleichsweise kleine Einsparungen verheerende Folgen haben. Und dann ist es möglich, dass ein Etat zwar wächst, innerhalb des Etats aber an entscheidenden Stellen gespart wird. Beispiel Familienetat: Hier sind spürbare Einsparungen vorgesehen, obwohl er durch einen angenommenen Zuwachs an Kinderzuschlagsanträgen insgesamt wachsen soll.
So sollen die frühen Hilfen, mit deren Beratungs- und Unterstützungsangebot jungen Familien geholfen wird, um 10 Prozent gekürzt werden, statt wenigstens einen Inflationsausgleich zu erhalten. Auch sollen die Freiwilligendienste um 30 Millionen Euro verringert werden; Hilfen für ungewollt Kinderlose und für schwangere Frauen in Not werden sogar gegenüber 2023 halbiert.
Sie sagen, dass auch die Kultur in ihrer Förderung stark eingeschränkt würde. Welche Häuser in Frankfurt müssten sich auf Einschnitte gefasst machen?
Es müssen sich zum Beispiel das Künstlerhaus Mousonturm und das Ensemble Modern auf Einschnitte gefasst machen.
Beispiel Mousonturm: Was bedeutet das konkret für das Haus?
Seit fast zehn Jahren fördert der Bund das Bündnis internationaler Produktionshäuser, dem der Mousonturm angehört. 2024 stehen dem Mousonturm über das Bündnis rund eine Million Euro zur Verfügung. Mit dem Geld finanziert er einen erheblichen Teil seiner Programmarbeit. Wenn die Bundesförderung wie geplant 2025 eingestellt wird, kann das das Ende aller gemeinsamen Projekte des Mousonturms mit seinen Bündnispartnern, gerade auch für internationale Vorhaben bedeuten.
Welche Kultureinrichtungen wären noch betroffen?
In diesem konkreten Fall wären zunächst die sieben Häuser betroffen, die dem Bündnis angehören. Neben dem Mousonturm sind das Häuser in Dresden, Berlin, Hamburg, Essen und Düsseldorf. Da sich das Bündnis aber über die Jahre zu einem wichtigen Innovationsmotor der deutschen Theaterlandschaft entwickelt hat und über zahlreiche Kooperationen in die freie Szene insgesamt hineinwirkt, wären indirekt noch viele weitere Kulturhäuser betroffen.
Auch im Verkehrsbereich befürchten Sie massive Kostensteigerungen. Was könnte auf den Rhein-Main-Verkehrsverbund und die Pendler zukommen?
Der Haushaltsentwurf sieht vor, der Deutschen Bahn versprochene Mittel in Höhe von 4,5 Milliarden Euro zur Finanzierung der überfälligen Infrastruktursanierung nicht als Baukostenzuschuss, sondern in Form einer Eigenkapitalspritze zukommen zu lassen. Mit diesem Trick will die Ampel die eigene Haushalsbilanz aufbessern.
Für die Bahn bedeutet dies allerdings nichts Gutes, denn auf die Kapitalspritze werden Zinsen fällig, die die Deutsche Bahn erwirtschaften muss, indem sie die sogenannte Trassenpreise erhöht, die alle Eisenbahnverkehrsunternehmen für die Nutzung des Schienennetzes zahlen müssen. Steigen die Trassenpreise, verteuert sich der Verkehr.
Für uns in Frankfurt hat das zur Folge, dass der Rhein-Main-Verkehrsverbund, in dessen Auftrag die Regionalzüge und S-Bahnen in Frankfurt unterwegs sind, mit massiven Kostensteigerungen konfrontiert sein wird. Da er diese in Zeiten des Deutschlandtickets kaum an seine Kunden weitergeben kann, wird sich das beim Verkehrsangebot niederschlagen. Die Eigenkapitalerhöhung bei der Bahn wird im schlimmsten Fall dazu führen, dass Fahrpläne zusammengestrichen werden.
Welche Alternativen sehen Sie zu den geplanten Einschnitten?
Taschenspielertricks wie die Umwandlung von Baukostenzuschüssen in Eigenkapitalspritzen ließen sich mit einem mehrjährigen Infrastrukturfonds verhindern. Ein solcher Fonds würde Planungssicherheit für die dringend erforderliche Sanierung von Schienen, Straßen und Brücken schaffen. Planungssicherheit ist auch in der Kulturförderung wichtig. Förderung nach Kassenlage dagegen ist Gift für die Kulturbranche in unserem Land.
Im Familienetat könnte das Programm „Demokratie leben!“ reduziert werden, das innerhalb weniger Jahre um ein Vielfaches, auf 200 Millionen Euro, gewachsen ist und an dessen Wirksamkeit wir als Union Zweifel haben.
Mit Blick auf den Sozialetat schließlich kann ich nicht nachvollziehen, warum die Ampel verbissen am teuren und fehlgerichteten Bürgergeld festhält und gleichzeitig bei der Arbeitsförderung sparen will. Sozialpolitik sollte Menschen zu Arbeit verhelfen und nicht Arbeitslosigkeit zementieren. Ein Umdenken der Ampel an diesem Punkt wäre nicht nur für den Bundeshaushalt gut, sondern vor allem auch für die betroffenen Menschen.
Zur Person
Bettina Wiesmann sitzt für die CDU im Bundestag (Wahlkreis 182, Frankfurt II) und ist stellvertretende Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion im Familienausschuss.
© privat
12. Oktober 2024, 11.00 Uhr
Jasmin Schülke
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. Mehr von Jasmin
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Text: Florian Aupor / Foto: Rund 4000 Menschen protestierten im September gegen den geplanten A5-Ausbau © Bernd Kammerer
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