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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

Zukunft des Weltkulturen Museums

Eva Raabe: „Alles in der Welt hängt zusammen“

Das Weltkulturen Museum hat in der Vergangenheit einige Krisen überwinden müssen. Museumsleiterin Eva Raabe erklärt, warum das einzige ethnologische Museum Hessens dennoch viel Interessantes zu bieten hat.
JOURNAL FRANKFURT: Frau Raabe, das Weltkulturen Museum hatte es in der Vergangenheit nicht immer leicht. Was beschäftigt Sie derzeit am meisten?
Eva Raabe: Mir ist wichtig, dass unser Profil das eines ethnologischen Museums ist und bleibt – das soll bei jeder Ausstellung sichtbar werden. Das Herzstück des Museums sind die Sammlungen, jede Präsentation sollte daher im Idealfall aus diesen Sammlungen heraus entwickelt werden. Wenn wir uns Themen für Ausstellungen überlegen, betrachten wir zunächst unseren Bestand und schauen, welche unserer Objekte diese Themen widerspiegeln. Wir denken dabei nicht mehr in Kategorien wie „Amazonas“ oder „Pazifik“, sondern wollen eine moderne Ethnologie betreiben, die aktuelle Themen als Ausgangspunkt für Diskurse und Schlussfolgerungen nimmt.

Wie setzen Sie das um?
Wichtig ist, dass man heutzutage nicht mehr nur über, sondern auch mit fremden Kulturen spricht. Hierfür sind vor allem Kontakte und Netzwerke entscheidend. Deshalb arbeiten wir eng mit Künstlern aus den Herkunftskulturen zusammen oder wir laden Aktivisten ein, die bestimmte Interessen vertreten. Für die Ausstellung „Entre Terra e Mar“ hatten wir beispielsweise einen Angehörigen einer Amazonas-Gruppe zu Gast, der gegen die Enteignung seines Landes und die Abholzung des Regenwaldes vorgeht. Wir hatten aber auch Vertreter aus Papua-Neuguinea da, die gegen den Tiefseebergbau vorgehen wollen, weil dieser die Umwelt enorm belastet. Das alles sind Themen, die in ein ethnologisches Museum gehören, aber auch sehr vielseitig sind.

Was möchten Sie Ihren Besuchern dabei mitgeben?
Es geht nicht darum, den Leuten einfach nur historische Objekte zu zeigen, sondern darzustellen, was diese mit uns heute zu tun haben. Häufig wird in der Öffentlichkeit gesagt, ein ethnologisches Museum habe die Aufgabe, sich mit der Flüchtlingskrise zu beschäftigen. In einer Multi-Kulti-Stadt wie Frankfurt müsse das Museum gerade für die Leute interessant sein, die sich dort mit ihrer Kultur beschäftigen wollen. Doch nicht alle Kulturen, aus denen Flüchtlinge zu uns kommen, sind auch in unserer Sammlung vertreten – der vordere Orient ist beispielsweise kein Bestandteil unserer Sammlung. Entscheidend ist nicht unbedingt, mit jeder Kultur in Kontakt zu stehen. Wir wollen der Öffentlichkeit mit unseren Ausstellungen vor allem vermitteln, dass alles in der Welt zusammenhängt. Wenn wir das Leben indigener Völker im Amazonas zeigen, machen wir die Öffentlichkeit auf eine Reaktionskette aufmerksam: Wenn wir in Deutschland weiterhin billiges Schweinefleisch essen, wird die Sojaproduktion in Südamerika dramatisch vorangetrieben und dadurch verlieren die Angehörigen der indigenen Kulturen noch mehr Lebensraum. Ein anderes Beispiel: Wenn wir uns jedes Jahr das neueste Modell eines Handys zulegen, muss noch mehr Kobalt abgebaut werden, weil dieser für den Akku gebraucht wird. Das führt uns wiederum zu der Dieseldebatte, denn alternative Elektrofahrzeuge benötigen Akkus. Schlussendlich verlieren dadurch Menschen ihre Lebensmittelgrundlage im Pazifik, weil der Tiefseebergbau vorangetrieben wird.




Foto: Harald Schröder

Haben Sie in Ihren Räumen derzeit die Möglichkeit, solche Ausstellungen sinnvoll zu zeigen?
Wir haben zwar die Möglichkeit, solche Zusammenhänge zu zeigen, aber nicht in Dauerausstellungen, da unsere Räumlichkeiten relativ klein und vor allem nicht klimatisiert sind. Das ist dem Denkmalschutz geschuldet. Wir befinden uns in einer Gründerzeit-Villa, das macht es unmöglich, moderne Klimaanlagen einzubauen – dafür müsste man Decken abhängen. Das würde auch die Wirkung der Räume zerstören. Ich befinde mich diesbezüglich in Gesprächen mit Kulturdezernentin Ina Hartwig. Sie denkt darüber nach, was Sie für uns tun kann.

Erst vor kurzem ist bekannt geworden, dass Frau Hartwig für das Museum für Moderne Kunst einen jährlichen Ankaufsetat von 525 000 Euro für die kommenden vier Jahre bewilligt hat. Ihnen steht kein solches Budget zur Verfügung. Was halten Sie davon?
Da muss man ins Detail schauen. Es gibt durchaus auch für uns einen Etat. Der ist jedoch nicht ausschließlich für Ankäufe gedacht, sondern betrifft auch andere bewegliche Güter. Wir können ankaufen, müssen dabei aber kontrolliert vorgehen, weil die Magazinflächen kleiner werden. Ein modernes Museum sammelt und kauft außerdem ganz anders ein als wir. Im Weltkulturen Museum müssen wir vor allem zu einer anderen Gebäudesituation kommen – und dieses Problem ist schwieriger zu lösen, als einen Etat zu bewilligen. Man müsste ein passendes Gebäude finden; unabhängig davon ist die Museumsreihe am Schaumainkai eine weltkulturelle Institution. Es geht nicht nur um das Gebäude und die Ausstellungen, sondern auch um die Bibliothek, die Archive, die Arbeit im Innern des Museums. Das müsste der Öffentlichkeit klar gemacht werden.

Wie könnte das erreicht werden?
Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Die Öffentlichkeit nimmt immer deutlicher wahr, dass wir ein Museum sind, das sich mit aktuellen gesellschaftlichen Themen beschäftigt. Gerade unsere aktuelle Ausstellung „Grey ist the new Pink“ erfährt großen Zuspruch. Das ist ein Thema, das alle angeht. Man begreift nach und nach, dass wir kein reines Kunstmuseum sind.

Haben Sie bei der Frage nach dem möglichen zukünftigen Standort bestimmte Präferenzen?
Nein, ich favorisiere keinen Standort. Vielmehr geht es um Details wie eine technisch unkomplizierte Ausstellungsmöglichkeit, eine Klimaanlage und die Möglichkeit, größere Objekte rein und raus transportieren zu können. Es sollte ein Gebäude sein, das nicht diesen älteren Kolonialzeit-Charme hat, sondern etwas Passenderes, Neutraleres. Ein größerer Ausstellungsraum oder -saal, vielleicht sogar mit einer Bühne, wäre ebenfalls wünschenswert, um Performances zeigen zu können oder Vorträge für mehr als derzeit 45 Besucher anbieten zu können.




Foto: Harald Schröder

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Museums?
Ich wünsche mir, dass wir gut planen und die Themen umsetzen können, die wir uns vorgenommen haben. Ob das nun unter meiner kommissarischen Leitung geschieht oder einer nächsten Leitung, ist mir nicht so wichtig. Ein Museum ist vor allem die Summe seiner Mitarbeiter. In den vergangenen vier Jahren waren wir erfolgreich mit unseren Projekten. Wir haben gelitten unter dem festgefahrenen, festgelegten Profil vergangener Zeiten. Das ist heute überwunden. Wir sind vielschichtig, abwechslungsreich. Inzwischen sind wir zum Glück auch wieder gut vernetzt in der Welt und auch breit aufgestellt, was das Personal angeht. Die Mitarbeiter haben vielfältige Möglichkeiten, zu arbeiten und sind methodisch nicht festgelegt. Ich denke, ich kann sagen, dass wir uns wohl fühlen, denn wir können viele gute Projekte umsetzen. Wichtig ist jetzt, dass die Vielfalt dieses Museums erhalten bleibt – immerhin sind wir das einzige ethnologische Museum Hessens.

Eine bewegte Geschichte
Das Weltkulturen Museum wurde bereits 1904 als „Städtisches Völkerkundemuseum“ gegründet, den jetzigen Standort am Museumsufer bezog es allerdings erst 1973. Bereits seit Mitte der 80er-Jahre wird immer wieder über einen möglichen Neubau oder einen Standortwechsels des Museums diskutiert, umgesetzt wurde bisher keiner der Pläne. Seit Mai 2015 hat Eva Raabe die kommissarische Leitung des Hauses inne, nachdem die letzte Direktorin Clémentine Deliss fristlos, drei Jahre vor Auslaufen des Vertrages, von der Stadt entlassen worden war. Die Direktorenstelle wurde bisher nicht ausgeschrieben. Das Weltkulturen Museum ist derzeit das einzige ethnologische Museum in Hessen und beschäftigt aktuell 24 festangestellte Mitarbeiter.

Das Interview erschien zuerst in der Print-Ausgabe 12/2018 des JOURNAL FRANKFURT.
 
27. Dezember 2018, 10.43 Uhr
Ronja Merkel & Karl Linsler
 
 
Fotogalerie:
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