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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

Stadtteilporträt

Eintauchen in Rödelheim

Wo der Ebbelwoi im U-Boot lagert, Deutschlands am längsten besetztes Haus liegt und Goethe sich inspirieren ließ – Rödelheim ist ein Stadtteil, der unterschätzt wird und überrascht. Wir waren zu Besuch im Nordwesten der Stadt. Teil eins.
Wer von der Autobahn abbiegt und die Lorscher Straße in Richtung Ortskern fährt, bekommt zunächst einen abweisenden Ein-druck des Stadtteils, der im Westen Frankfurts liegt: Links eine gesichtslose Brandmauer, rechts der Abzweig zum Industriegebiet, und der Verkehr macht es einem auch nicht gerade leicht, sich in Rödelheim zu verlieben. Wie bei vielen Dingen ist hier Geduld und der zweite Blick gefragt und es ist ja durchaus ein Vorteil, unterschätzt zu werden. Rödelheim boomt seit einigen Jahren, was an den zahlreichen Neubauprojekten – zum Beispiel auf dem Gelände der Torpedo-Werke – zu erkennen ist und wartet mit einer Reihe von Überraschungen auf.

Fangen wir beim Stöffche-Produzenten Possmann an, der seit 1881 seinen Sitz in Rödelheim hat und zu den Weltmarktfüh-rern gehört. Sein Stammhaus hat das Unternehmen in der Niddagaustraße. Doch der Platz dort wurde schnell knapp. 1937 konnten die Brüder Werner und Fritz Possmann das Grundstück an der Eschborner Landstraße günstig erwerben. „Hier befand sich eine große Lehmgrube, es wurden Ziegel gebrannt“, erklärt Peter Possmann, der die Apfelweinkelterei in fünfter Generation leitet. Die Lage war verkehrsgünstig, die Eschborner Landstraße führte damals direkt in den Taunus. Nach dem Krieg begann der Aufbau der Kelterei, die bis heute hier Apfelwein und Apfelsaft produziert.

„Je nach Ernte verarbeiten wir im Schnitt 15 000 Tonnen Äpfel und verkaufen zwölf Millionen Liter Apfelwein und Apfelsaft, 70 Prozent davon sind Apfelwein“, sagt Possmann. Das Stöffche lagert zwei Stockwerke unter dem 30 000 Quadratmeter großen Gelände. 150 Tanks befinden sich hier, von denen drei besondere Beachtung verdienen: Es sind U-Boot-Druckkammern. „Nach dem Krieg gab es keinen Stahl. Mein Großvater, der bei der Marine war, entdeckte die drei U-Boot-Druckkörper im Frankfurter Westhafen. Sie stammen von U-Booten, die nicht fertig gebaut wurden“, erzählt Possmann. Großvater Werner kaufte sie der US-Armee ab und funktionierte sie um, so dass sie jeweils 418 000 Liter aufnehmen können.





Weiter geht es in Richtung Stadtmitte, rechts liegt der Wasserturm, eines der Wahrzeichen Rödelheims. Seine Silhouette gibt Orientierung, denn Rödelheim hat wenig markante Gebäude. Der Wasserturm, ein Hochreservoir, war ein Teil der zahlreichen Neuerungen, als Rödelheim 1885 zur Stadt erho-ben wurde. 1910 verlor es seine Unabhängigkeit und wurde ein Stadtteil von Frankfurt und damit auch an die Wasserversorgung angeschlossen. Der Wasserturm hat heute keine Funktion mehr, dafür aber einen Automaten am Fuße, der verspricht, in unter drei Minuten Pizza zu produzieren.

„Mit perfektionierten Worten weg von Blödsinn und Spaß/Und zwar direkt aus diesem Ort hier, in dem Goethe schon saß“, beschreibt Moses Pelham auf seinem 2017er Album „Herz“ seine emanzipatorische Entwicklung in Rödelheim. Das Rödelheim Hartreim Projekt – kurz: RHP – schuf 1993 mit seinem Debütalbum „Direkt aus Rödelheim“ die Blaupause für ernsten deutschsprachigen Rap. Eine musikalische Revolution, die das Gesicht von Rap aus Deutschland für immer verändern sollte, kam direkt aus Rödelheim.Trotz des Erfolgs löste sich das RHP wie angekündigt nach zwei Studioalben auf. Pelhams Produktionsfirma 3p, die in der Fuchstanzstraße saß, wurde zur Plattenfirma und brachte unter anderem Xavier Naidoo, Sabrina Setlur, Cassandra Steen, GLASHAUS und Azad hervor und verkaufte bis zum heutigen Tag knapp zehn Millionen Tonträger. Moses Pelham wurden 29 Gold- und Platin-Schallplatten verliehen und er ist Preisträger zahlreicher Auszeichnungen, u.a. des „ECHOS“ und der Goetheplakette.

Für Pelham, der in Rödelheim aufgewachsen ist, hat der Stadtteil in seiner Erinnerung etwas Vorstädtisches, Kuscheliges. Ein Ort, an dem jeder jeden kennt. „Ich war circa acht Jahre alt und bin nach dem Fußballtraining mit einer Flasche Spezi in der Hand nach Hause gelaufen. Als ich zu Hause ankam, hatte meine Oma bereits einen Anruf bekommen, dass ihr Enkel mit einer Flasche Bier durch Rödelheim liefe.“ Seinen Stadtteil im Namen seiner Band Rödelheim Hartreim Projekt zu nennen, sei „eine Rückbesinnung auf einen Nukleus“ gewesen. „Rödelheim, das im Rest der Republik ja eher unbekannt ist, war eine Projektionsfläche für uns.“ Seine heutige Beziehung zu Rödelheim werde in seinem Stück „You Remember“ formuliert: „Und wenn ich mich erinner‘/Hör ich plötzlich wieder diese Stimme/Sie sagt: Direkt aus Rödelheim/Und das bin ich für immer.

Wer noch mehr über Rödelheim erfahren will, kann an den besonderen Themenführungen und -events der Frankfurter Stadtevents teilnehmen.

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Dieser Text ist zuerst als Teil der Titelstory „Eintauchen in Rödelheim“ der August-Ausgabe (8/22) des JOURNAL FRANKFURT erschienen.
 
17. August 2022, 12.31 Uhr
Jasmin Schülke
 
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. – Mehr von Jasmin Schülke >>
 
 
Fotogalerie:
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