Eine surreale Superhelden-Groteske, zarte Erinnerungen ans Blaxploitation-Kino der 1970er-Jahre, Cop-Geschichten und ein jüdisches Coming-of-Age-Drama. Das sind die Serien und Filme aus dem aktuellen Streamingangebot von Netflix, WOW, Prime, Apple+ & Disney.

Zeiten des Umbruchs

James Grays autobiografisches Coming-of-Age-Drama erzählt von der Unmöglichkeit, „Nein“ zu sagen, ohne zu brechen.
In den frühen 1980er Jahren besucht der junge Paul Graff (Banks Repeta) die sechste Klasse in einer öffentlichen Schule im New Yorker Stadtteil Queens. Paul kommt aus einer jüdischen Familie: die Großeltern überlebten nur wie durch ein Wunder antisemitische Pogrome in Europa und wanderten in die USA aus, die Eltern wuchsen mit neuen Privilegien auf, erfuhren aber dennoch immer wieder Antisemitismus im eigenen Alltag. Für Paul und seinen Bruder nun hoffen die Eltern Esther (Anne Hathaway) und Irving (Jeremy Strong) und besonders Großvater Aaron (Anthony Hopkins), dass ihr Leben sicherer und freier verlaufen kann als das eigene. An seiner Schule freundet sich Paul derweil mit Johnny (Jaylin Webb), dem einzigen Schwarzen Jungen in seiner Klasse, an, und will lieber Künstler werden, als die Sehnsüchte seiner Eltern zu erfüllen. Während beide regelmäßig mit dem Pauker aneinanderstoßen, bemerkt Paul schnell, dass Johnny aufgrund seiner Hautfarbe im wiederaufkeimenden Konservatismus der 80er Jahre mit deutlich mehr Widerstand zu kämpfen hat als er selbst.

Regisseur James Gray, der bereits in Filmen wie „The Yards“ oder „The Immigrant” gesellschaftliche Verhältnisse im familiären Rahmen durchdeklinierte, arbeitet in „Zeiten des Umbruchs“ in Form eines Coming-of-Age-Dramas nun die eigene Biografie auf. Der desillusionierende Film seziert die Lebensrealitäten einer jüdischen Einwandererfamilie über Generationsgrenzen hinweg, legt derweil aber sein Augenmerk feinfühlig auf die systematischen Ungerechtigkeiten, mit denen die verschiedenen marginalisierten Gruppen – hier die jüdische und die afroamerikanische Community – jeweils zu kämpfen haben. In geschickter wie unheilvoller Weise verweist der Film am Ende in die Gegenwart, in der die Kluft zwischen diversen gesellschaftlichen Akteuren so groß erscheint wie selten zuvor.

WOW: Zeiten des Umbruchs, bereits verfügbar

I’m a Virgo

Fast wäre Cootie (Jharrel Jerome) ein ganz normaler Jugendlicher. Der 19-Jährige lebt noch bei Tante und Onkel, wo er sehr behütet aufwuchs, und ist unsicher, wie seine Zukunft einmal aussehen soll. Ganz normal so weit, wäre Cootie nicht vier Meter groß. Und ein vier Meter großer schwarzer Mann, das bläuen ihm Onkel und Tante jeden Tag ein, macht der Welt da draußen Angst. Eines Tages lernt er unverhofft einige Jugendliche aus der Nachbarschaft kennen, und für Cootie beginnt unversehens ein neuer Lebensabschnitt. Tausendsassa Boots Riley verknüpft in seiner surrealen Serie rassistische Diskriminierungserfahrungen mit überbordender Kapitalismuskritik und kreiert dabei eine Superhelden-Groteske, die ihresgleichen sucht.

Prime Video: I’m a Virgo, Staffel 1, bereits verfügbar

They Cloned Tyrone

Irgendetwas geht da nicht mit rechten Dingen zu. Der Dealer Tyrone Fontaine (John Boyega) sucht den Zuhälter Slick Charles (Jamie Foxx) auf, der ihm noch Geld schuldet, während die Prostituierte Yo-Yo (Teyonah Parris) gerade ihre Koffer packt und Slick für immer verlassen will. Dieser traut jedoch seinen Augen nicht: noch einen Tag zuvor hatte er beobachtet, wie Tyrone von einer rivalisierenden Bande erschossen wurde. Das Trio will der Angelegenheit auf den Grund gehen und kommt alsbald einer schier unglaublichen Verschwörung auf die Spur, die bis in Regierungskreise führt. Groteske Satire mit Horroranleihen, die mitsamt spielfreudigem Cast an das Blaxploitation-Kino der 1970er Jahre erinnert.

Netflix: They Cloned Tyrone, bereits verfügbar

Ganz normaler Wahnsinn: Will Trent

Will Trent (Ramón Rodríguez), Special Agent beim Georgia Bureau of Investigations, kurz GBI, wird von seinen Kollegen als eher eigenwilliger Zeitgenosse wahrgenommen. Seine deduktiven Fähigkeiten werden bewundert oder neidisch beäugt, derweil seine Kollegen ihn als Nestbeschmutzer beschimpfen, seit er einen Korruptionsskandal in den eigenen Reihen aufgedeckt hat. Die Serie folgt dem Ermittler im Stile eines klassischen Police procedurals, in der Trent samt Kollegen Verbrechen aufklärt. Dabei fokussiert die eigenwillige, metamoderne Narration die traumatischen Kindheitserlebnisse der Protagonisten, die der sonst gewöhnlich daherkommenden Handlung einen tiefergehenden, emotionalen Subtext verleiht.

Disney+: Will Trent, Staffel 1, jeden Mittwoch eine neue Folge

Hijack

Ein ganz gewöhnlicher Tag am Flughafen in Dubai: Fluggäste gehen durch die Sicherheitskontrollen; einer rennt die langen Gänge entlang, in der Hoffnung, nicht den Flieger zu verpassen. Im Flugzeug zicken sich die Passagiere untereinander an, die Besatzung schäkert miteinander. Als ein junges Mädchen unverhofft Munition in der Toilettenkabine entdeckt, eskaliert die Lage bald darauf. Miniserie rund um eine Flugzeugentführung, in der Idris Elba als Verhandlungsexperte an Bord versucht, das Schlimmste zu verhindern. Der sich in Echtzeit abspielende Thriller bleibt bis zum Schluss spannend, auch wenn er zunehmend an Glaubwürdigkeit verliert.

AppleTV+: Hijack, Staffel 1, bereits verfügbar

Daniel Urban schreibt seit 2022 für das JOURNAL FRANKFURT mit dem Schwerpunkt TV und Streaming. – Mehr von Daniel Urban >>

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