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Foto: Justus Gelberg/ © DMSUBM
Foto: Justus Gelberg/ © DMSUBM

Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music

Eine Identität zwischen Tiroler Hut und Popmusik

Das temporäre Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music schaut bis zum 3. September im Museum Angewandte Kunst mit einem neuen Blickwinkel auf die deutsche Popkultur und stellt die Frage, was Prominentsein als Schwarze Person in Deutschland bedeutet.
Im Untergeschoss des Museum Angewandte Kunst, das nur von außen über eine lange Treppe zu erreichen ist, haben die Choreografin Joana Tischkau, die Theatermacherin Anta Helena Recke, die Dramaturgin Elisabeth Hampe und der Produzent und Musikwissenschaftler Frieder Blume das temporäre Deutsche Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music (DMSUBM) eingerichtet. Bis zum 3. September können Besucherinnen und Besucher sich die Ausstellung in kurzen Führungen anschauen und an einigen Abenden Livekonzerte und Choreographien beiwohnen. Das Projekt sei eher als Kunstperfomance statt als eine Ausstellung zu verstehen, betont Hampe. Als dauerhaftes Projekt könne man sich das Ganze dennoch vorstellen.

Mit Wänden aus Sperrholz wurden auf der Fläche provisorische Führungsgänge geschaffen. Beim Eintreten stehen die Besucherinnen und Besucher als erstes direkt vor einer Wand mit den 250 Namen von Schwarzen Persönlichkeiten, die die popkulturelle Landschaft in Deutschland in den vergangenen 60 Jahren geprägt haben – jedoch nur bis zum Jahr 2005. Durch die zunehmende Nutzung des Internets und die Veränderungen, die diese mit sich brachte, sei eine solche Übersicht nicht mehr weiter lückenlos möglich, erklärt Tischkau.

Die Namen reichen zurück auf die während der Nazizeit in St. Pauli aufgewachsene Schauspielerin und Schlagersängerin Marie Nejar, den aus Trinidad stammenden Jazztrompeter Billy Mo, der mit dem Schlagerhit „Ich kauf' mir lieber einen Tiroler Hut“ in Deutschland bekannt wurde, bis zu Schlagersänger Roberto Blanco, der in der Ausstellung noch einen weiteren besonderen Platz bekommen hat. Aus den vergangenen 20 Jahren tauchen Lou Bega, die durch die Sendung Popstars gecastete Gruppe Bro'Sis, die Rapper D-Flame und Harris, Sängerin Cassandra Steen oder der Hip Hop- und Reggae-Verein Brothers Keepers auf.

Die Gänge der Ausstellung sind eng, es bleibt wenig Platz, um sich die Exponate ausgiebig zu betrachten oder die Zeitungsausschnitte an den Wänden zu lesen; auch coronabedingt kann die ganze Führung nicht länger als 20 Minuten dauern. Als Besucherinnen oder Besucher sieht man die Stücke weniger im Einzelnen, der Gang durch die Ausstellung gleicht mehr einem Vorbeischweben, der weniger den Blick auf das Detail fokussiert, sondern eher einen Eindruck vom großen Ganzen vermittelt. Um die Ecke folgen Schallplatten Schwarzer Künstlerinnen und Künstler, allen voran Billy Mo. Sein Auftreten und seine Kleidung hätten ein subversives Deutschsein präsentiert, sagt Tischkau.

Zwischen Frank Farian, Fernsehchefs und Briefbomben

Nach der Wand mit den Schallplatten erwartet Gäste die sogenannte „Frank Farian-Gedächtniswand“. Farian war als Produzent für die Gruppen Boney M., Milli Vanilli und das Eurodance-Duo La Bouche verantwortlich – alle Gruppen stellte er mit mehrheitlich Schwarzen Mitgliedern zusammen, castete sie und bestimmte über ihr Image und ihr Auftreten. Im Mehrgenerationen-Zimmer steht ein Bett mit No Angels-Bettwäsche, es hängt ein Poster der Gruppe Bed & Breakfast, mit der Fernsehmoderator Daniel Aminati seine Karriere begann, an der Wand; im Hintergrund flimmert ein Fitnessvideo von Barbara Becker und Detlef D. Soost auf einem Röhrenfernseher. Der Tänzer Detlef D. Soost habe während der Castingshow Popstars gemeinsam mit der Musikerin und Autorin Noah Sow eine durchaus diverse Jury gebildet, erklärt Tischkau. Sow sei jedoch ausgestiegen, nachdem sie herausfand, dass nicht die Jury, sondern vor allem die Fernsehchefs über die Zusammenstellung der Gruppen entschieden.

Viele der Exponate stammen von Ebay, so Tischkau. „Manche haben die Ausschnitte bestimmter Personen über Jahre gesammelt.“ Im nächsten Raum folgen Ausschnitte der Talkshow-Moderatorin Arabella Kiesbauer. Über Kiesbauers Playboy-Cover und einem Bravo-Interview hängt ein Ausschnitt aus der Bild-Zeitung mit einer gewohnt großen, blockartigen und reißerischen Überschrift: „Wer wollte sie töten?“ Im Artikel geht es um den Briefbombenanschlag im Jahre 1995 – der Tiefpunkt der rassistischen Anfeindungen, die die Moderatorin während ihrer Karriere erlebte.

Alles halb so schlimm?

Der darauffolgende „Roberto Blanco-Schrein“ offenbart ein besonderes Stück: Durch eine schwarze Holzfigur können Besucherinnen und Besucher dort ihren Kopf stecken und damit auf einem Fotomoment den Schlagersänger mimen. Trotz seines Bekanntheitsgrads und seiner Beliebtheit habe man sich in der Branche dennoch weiterhin schwer getan, ihn beispielsweise als Moderator einzusetzen; der Grund sei sein starker Akzent gewesen, so Tischkau. Blanco habe damals argumentiert, auch die niederländischen Moderatoren Rudi Carrell und Linda de Mol würden mit einem starken Akzent sprechen, daran störe sich schließlich auch niemand.

Bei dem größten Stück der Ausstellung handelt es sich um „Rickys Popsofa“, auf dem Anke Engelke in der Comedy-Serie „Die Wochenshow“ mehrere Jahre das Tic Tac Toe-Gründungsmitglied Ricarda Wätken parodierte. Wätken sei aufgrund ihrer Schüchternheit zu dieser Zeit in der Fernsehlandschaft stets ein leichtes Opfer von Parodien und Sketchen gewesen, kommentiert ein Ausstellungscoach das Stück. Neben der abgewetzten Couch liegt ein Foto, das zeigt wie Wätken selbst die Sendung besuchte, als will es sagen „Alles halb so schlimm“. Als letzte Station der Ausstellung folgt eine Schallplatten- und Bücherstation. Auf einigen Büchern befindet sich das überklebte N-Wort, daneben das Kochbuch „Heimatliebe“ von Nelson Müller, die Autobiographie von Viva-Moderator Mola Adebisi „Zwischen Rassenhass und Promihype“ und „Ich bin nicht farbig“ von Shary Reeves.

Die Kulturwissenschaftlerin Mahret Ifeoma Kupka schrieb in einem Artikel über die Ausstellung, Deutschland liebe den Schwarzen Körper, allerdings nur in einer ganz bestimmten Form. „Nicht widerständig mit erhobener Faust oder als mitgestaltender Teil der Gesellschaft, sondern am besten als lustigen Garanten dafür, dass alles in Ordnung ist, dass es keinen Rassismus in Deutschland gibt.“ Dass dieses schiefe Repräsentationsverhältnis allerdings symptomatisch sei für die in Deutschland herrschenden rassistischen Strukturen, werde selten thematisiert.
 
26. August 2020, 13.40 Uhr
Johanna Wendel
 
Johanna Wendel
Jahrgang 1993, Technikjournalismus-Studium an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, seit Januar 2019 beim Journal Frankfurt. – Mehr von Johanna Wendel >>
 
 
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