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Foto: vh
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Ein Besuch im DialogMuseum

Den Abenteurer in sich entdecken

Die Ausstellung „Blinder Passagier-Entdecke Europa im Dunkeln“ im DialogMuseum macht Europa erlebbar. JOURNAL FRANKFURT-Praktikant Vincent Heberer hat den Rundgang durch komplett dunkle Erlebnisräume ausprobiert.
Schon beim Betreten des DialogMuseums fällt mir die besonders dekorierte Eingangshalle auf, die nicht zufällig einem Flughafenterminal ähnelt. Das Mobiliar ist original und stammt aus dem Frankfurter Flughafen, wie mir später erklärt wird. An der Wand hängt eine Anzeigentafel mit Abflugzeiten nach Rom oder London. An der Decke baumeln kleine Modelle des Airbus A380 und die „Ausgang“-Schilder an der Tür, kenne ich auch vom Flughafen.

Ich werde gleich die Ausstellung „Blinder Passagier-Entdecke Europa im Dunkeln“ zu sehen bekommen. Eine 90-minütige Erlebnisreise im Dunkeln durch die verschieden gestalteten Räume auf rund 400 Quadratmetern, die die Länder Litauen, Russland, Türkei, Griechenland, Italien und Österreich darstellen.

Ab ins Dunkel

Bevor die Tour durch die Sonderausstellung beginnt, bekomme ich einen Blindenstock in die Hand gedrückt. Ein Mitarbeiter des Museums erklärt mir, dass ich mich mit meiner linken Hand an der Wand orientieren soll. Er führt mich zu seiner Mitarbeiterin Patricia, die mich durch die Ausstellung führen wird. Sie hat Verständnis dafür, dass ich sehr zögerlich bin und die Wand abtastend vorwärts gehe. Obwohl ich vor Jahren schon einmal hier war, ist die Dunkelheit sehr ungewohnt für mich. Es ist stockdunkel, ich mache die Augen zu und berühre mit dem Blindenstock immer wieder die Wand. Ich habe das Gefühl gleich zu stolpern oder irgendwie hinzufallen, doch es kann nichts passieren mit der Stadtführerin, denke ich mir dann.

Erste Station: Litauen

„Kommen Sie zu mir“, sagt meine Stadtführerin und ich folge ihrer Stimme. Sie führt mich in den ersten Erlebnisraum, den Anfangspunkt unserer Reise. Im ersten Raum geht es um das baltische Land Litauen. Ich tauche sogleich in das Stadtleben der Hauptstadt Vilnius ein. Ich komme an dem Denkmal von Frank Zappa vorbei, dessen Lieder in der ehemaligen Sowjetunion verboten waren. Trotzdem oder gerade deshalb ist er in Litauen bis heute so bekannt. Ich bekomme seinen 1979 erschienen Hit „Bobby Brown“ vorgespielt. Ich laufe mit dem Blindenstock durch die Innenstadt und höre Straßentrubel, den Straßenverkehr und sogar das Rauschen der Neris, die durch Vilnius fließt. In einem Korb an einem Straßenstand erfühle ich Gemüse, darunter eine Kartoffel, die wie sich wenig später herausstellt, die Hauptzutat für das litauische Nationalgericht Cepelinai ist. Am Straßenstand hört man wie das Gericht zubereitet wird: Kartoffeln werden roh gerieben und mit Speck und Zwiebeln angebraten. Danach werden sie mit Hackfleisch oder Quark gefüllt. Meine Fantasie wird angeregt und ich wähne mich schon im Baltikum.

Danach kann ich dem Gottesdienst in der St. Stanislaus Kathedrale beiwohnen. Ich fühle mich direkt in eine katholische Messe hineinversetzt. Die aufregende Stadtrallye geht weiter und ich begebe mich allem Anschein nach in einen Flughafen, da ich eine Rolltreppe hochfahre und dabei Durchsagen vernehme, die zum Boarding auffordern.

Willkommen in Russland

Wenig später höre ich eine Nationalhymne und den Kommentator eines Fußballspiels. Ich sitze nun in einem Fußballstadion. Ich merke sofort, dass die Sprache Russisch ist und ich in Russland sein muss. Perfekt abgestimmt mit der Fußball-Weltmeisterschaft 2018. Ich sage Patricia, dass es sich hier bestimmt um das Olympiastadion-Luschniki handelt, in dem das Finalspiel zwischen Kroatien und Frankreich im Juli ausgetragen wurde, doch sie kennt sich nicht so gut mit Fußball aus. Dafür umso besser mit dem Moskauer Bolschoi-Ballett, dem wir später beim Training zuhören können und das sich international einen Namen gemacht hat. Ich kann kurz darauf einer tickenden Schachuhr und dem anschließenden Schachzug horchen, ein russisches Märchen wird vorgelesen. Ich gehe weiter zum Kreml, dem russischen Regierungssitz und höre russischer Folklore zu.

Quer durch Europa

Ich gelange nun von einem Erlebnisraum in den nächsten. Die Soundkulissen sind hervorragend und die zu erfühlenden Requisiten gut gewählt. Besonders beeindruckt hat mich der dritte Erlebnisraum, in dem ich über den Eminonu Pier in ein Boot gelange und mit der Stadtführerin durch den Bosporus von der europäischen zur asiatischen Seite von Istanbul gelange. Es schaukelt während der Fahrt, ich spüre sogar Wasserspritzer im Gesicht. „An wie vielen Palästen sind wir vorbeigefahren?“ fragt mich meine Stadtführerin. Es sind insgesamt vier, darunter der Beylerbeyi-Palast und der Dolmabahçe-Palast. Ich habe während der Fahrt mitgezählt. Über die Türkei gelange ich nach Griechenland, wo ich mehrere Büsten abtasten muss. „Welche Büste könnte das sein? Hat fast den gleichen Namen wie eine Figur von den Simpsons“, fragt mich Patricia während ich mit meinen Händen über die Büste streife. Die Antwort ist natürlich Homer. Daneben gibt es noch weitere Büsten von Apollo, Pythia und Archimedes. Mit den Händen ertaste ich Kopf, Gesicht und Schultern der Büsten. Es ist schwieriger als gedacht mit den Händen zu erkennen, um wen es sich handeln könnte, weil ich meinen Tastsinn noch nie so oft benutzen musste wie in diesem Moment. Über Griechenland gelange ich nach Italien und schließlich nach Österreich. Die Ausstellung zeigt mir, wie vielfältig und facettenreich Europa ist und das ganz ohne etwas zu sehen.

Nach sechs spannenden Ländern und am Ende der Tour gönne ich mir ein bisschen Entspannung in der sogenannten „DunkelBar“, wo ich österreichische Süßigkeiten verköstige. Nach der Tour kann ich mich noch mit meinem Stadtguide Patricia sprechen. Sie erzählt mir, dass sie nicht blind, sondern seit ihrer Geburt sehbehindert ist. Das bedeutet, dass sie noch Sehkraft hat und die Umrisse eines Menschen erkennen kann, der vor ihr steht. Das DialogMuseum verfolgt schon seit seiner Eröffnung im Jahr 2005 das Ziel das Bewusstsein und Akzeptanz für blinde und sehbehinderte beziehungsweise behinderte und sozial benachteiligte Menschen in Gesellschaft und Öffentlichkeit zu wecken. Meine Stadtführerin kritisiert das oftmals fehlende Verständnis der Gesellschaft und unsensible Sprüche, die sie oft zu hören bekommt. Das Gespräch führt mir nochmal vor Augen, dass in der Gesellschaft mehr für Blinde und sehbehinderte Menschen getan werden muss. Das Konzept der Sonderausstellung „Blinder Passagier“ stammt von Alexandra Kurcsics mit der ich mich im Anschluss unterhalten kann. Frau Kurcsics ist auch Projektleiterin dieser Sonderausstellung und Veranstaltungsleiterin des DialogMuseums. Trotz der politischen Spannungen wählte sie für die Ausstellung Russland und die Türkei aus, was ich als ein Zeichen der Völkerverständigung verstehe. Kurcsics erklärt mir auch, dass das Ausstellungsformat weltweit vertreten ist. Unter dem Motto „Dialog im Dunkeln“ kann man die Ausstellung in 21 Ländern und 28 Städten erleben. Das Museum hat mich nachhaltig beeindruckt und ich gehe mit der Erfahrung aus der Ausstellung heraus, dass man mit Händen und Ohren auch sehen kann.

>>Ausstellung „ Blinder Passagier-Entdecke Europa im Dunkeln“, 10.7-2.9.2018, DialogMuseum Frankfurt, Hanauer Landstraße 145, Preis: 8 Euro (Kind) bis 16 Euro (Erwachsene)+ 4 Euro Zuschlag für den Bootstrip, Reisedauer: 90 Minuten, Check-in nach telefonischer Anmeldung unter: 069.90 43 21-44 oder online im Ticket-Shop unter tickets.dialogmuseum.de
 
23. August 2018, 11.26 Uhr
Vincent Heberer
 
 
Fotogalerie:
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