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Foto: Detlef Kinsler
Foto: Detlef Kinsler

Bridges – Musik verbindet

Ein interkultureller Höhenflug mit Mozart und Hensel

Unter dem Motto „Zwischen Hier und Jetzt“ fand das dritte Orchesterkonzert des „Bridges – Musik verbindet“-Projekts im hr-Sendesaal statt. Ein Glücksgriff war Dirigent Gregor A. Mayrhofer.
Damit hätte wohl keiner gerechnet. Denn wenn man zu einem „Bridges – Musik verbindet“-Konzert kommt, weiß man, da spielen viele afrikanische, arabische und asiatische Musiker mit, die für uns oft fremd klingende Instrumente ihr Eigen nennen und gerne auch Kompositionen aus ihrem Kulturkreis vorstellen. Und dann beginnt der lange wie kurzweilige Abend im hr-Sendesaal mit dem „Divertimento Nr. 11 in D“ von Wolfgang Amadeus Mozart.



Ein „Flüchtlingsorchester“ spielt Wiener Klassik in Reinkultur. In Reinkultur? Mitnichten! Die Bridges-Projektleiterin Johanna-Leonore Dahlhoff (Flöte) hatte sich Mozart als einen der Brückenköpfe ausgedacht, als Stellvertreter der eigenen Kultur. Nur vom Klangbild des Original „Nannerl-Septetts“ sind vor allem die prägnanten Hörner neben den Streichern geblieben. In ihr Arrangement fügt sie die persische Tar, die weißrussische Cymbaly, die orientalische Kastenzither Kanun und die mongolische Pferdekopfgeige für kurze Licks ein und führt so gleich zu Beginn des Konzertes wie selbstverständliche einen interkulturellen Dialog ein.



Der gute Mozart, immerhin Urheber des wohlbekannten „Rondo alla turca“, hätte seine Freude daran gehabt. Anders als in den beiden Jahren davor, stehen diesmal mal nicht die inzwischen neun Einzelensembles von Bridges auf der Bühne, sondern werden ausschließlich Orchesterformate (von Kammerorchester bis zu sinfonischer Stärke) aufgeführt.



So kann man Pejman Jamilpanah einmal nicht als besonders empathischen Vokalisten, sondern als Virtuosen auf seiner Langhalslaute erleben. Für „Termeh“ (eine spezielle Stoffart mit Paisley-ähnlichen bunten Mustern) hat sich der Iraner für seine Viertelton-Skalen Oud, Streicher (die Celli liefern anfangs wunderbare Dronetones) und Flöte um die Orientalik zu bewahren. Aber kurz blitzt unüberhörbar eine Dur-Frequenz auf. „Aber nur kurz“, moderiert Jamilpanah schmunzelnd an. Ein Beispiel für arabische Musikpoesie hat Oud-Spieler Mustafa Kakour mit „Ya Gareeb Al Dar“ arrangiert. Beschrieben wird der Zauber der Ausstrahlung einer geliebten Person.



Unter Fanny Hensels „Liedern ohne Namen“ empfand Dahlhoff, ohnehin begeistert von den Arbeiten von Felix Mendelssohn Bartholdys Schwester, „Heimweh“ als besonders passend für den „Bridges“-Abend – für ein weiteres mutiges Arrangement, in dem mit Ouya Raufyan und Amir Vafa zwei Afghanen deutsche Lyrik aus der Romantik singen und Abbass Anoor seinen Rap integriert, in dem er die politische Situation in seiner Heimat Sudan beklagt: „Wie können wir der eigenen Rasse gegenüber rassistisch auftreten?“



Seine „Alles, was wir brauchen, ist Freiheit und Liebe“-Botschaft trifft den Nerv des Publikums im ausverkauften Sendesaal. „Dieses Orchester ist für mich ein Glücksfall“ entlockt Moderatorin Tabea Süßmuth (eine Wohltat nach Klaus Krückemeyers Conférence-Versuchen 2017) Rainer Michel zu Einführung seiner Komposition „Compression Of The Fourth Ventricle“, etwa Die Stauchung des vierten Ventrikels. Denn zur klanglichen Umsetzung seiner posttraumatischen Bilder braucht es für den Filmkomponisten, der sich eher als Klangforscher denn Komponisten begreift, ein Instrumentarium, wie es ihm nur das Bridges-Orchester bieten kann. Und das setzt er weidlich ein zu Illustrierung der unterschiedlichen Traumphasen, hier auch mit Flügel, Vibraphon und Glockenspiel.



Stimmengewirr, ein einzelner Stoß auf einem tibetischen Horn und singende Töne aus Plastik-Heulschleuchen setzen zusätzliche Akzente, unterstreichen das Spielerische in Michels Tun, den Spaß am Experiment. Auch umgekehrt wird ein Schuh draus. Der Mann ist auch ein Glücksfall für das Orchester.



Nach der Pause geht die Reise in die ferne Mongolei. Enkhtuya Jambaldorj streicht die Kastenspießlaute Morin khuur und entlockt ihr in „Alsiin gazriin zereglee“ sehnsuchtsvolle Klänge. Als Sängerin hat sie neben dem Oberton- auch den gutturalen Kehlkopfgesang für sich entdeckt, ein Stil, der in ihrer Heimat eigentlich den Männern vorbehalten ist und den sie sich erobert hat. Mit dem zweiten Stück „Uulen bon“ entführt uns „Tuya“ in die unendlichen Weiten der mongolischen Steppe und lässt die Rhythmusgruppe losgaloppieren. Mongolen ohne Pferde, undenkbar. Und so lässt die Solistin ihre Geige demonstrativ zum Abschluss wiehern.



Peter Klohmanns Beitrag ist eine Jazzsuite für Kammerorchester mit internationaler Couleur. „Identigration?“ ist der klangliche Versuch, Identifikation und Integration auf einen Nenner zu bringen und unterschiedliche Verschmelzungsprozesse darzustellen. Henning Eichler hat hier mit seiner Mundharmonika einen langen, auch bluesgefärbten Solopart. „Die Jahre des Leidens“ seines Volkes in Darfur darf Anoor fern der Heimat endlich auf Arabisch rappen und erhält bei seiner Anklage Unterstützung des Bridges-Chores. Das Finale gehört dem afghanischen Triumvirat Ustad Ghulam Hussain mit der Laute Rubab und Mirweis Neda an den Tablas, die aus der freien Improvisation heraus ein auf einem Gedicht von Bidel Dehlavi basierendes Lied entwickeln, in dem Rohid Elyas vom Duft der Jasminblüten schwärmen darf, der an die Geliebte erinnert.


 
30. April 2018, 08.31 Uhr
Detlef Kinsler
 
Detlef Kinsler
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt. – Mehr von Detlef Kinsler >>
 
 
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