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Foto: Dirk Ostermeier
Foto: Dirk Ostermeier

Bowlingcenter Rebstock

Besuch bei einem Schmuckstück mit Retro-Chic

Im Jahr 1973 wurde das Bowlingcenter Rebstock eröffnet - es ist ein gut gepflegtes Stück Frankfurt – mit befristeter Lebenszeit: In einigen Jahren sollen hier viele neue Wohnungen gebaut werden.
Vom klassischen funky Seventies-Orange an Wänden und Sitzschalen schwenkt die Kamera auf Schauspielerin Minh-Khai Phan-Thi. Wie eine Katze huscht sie über den plüschig flauschigen Teppichboden und hechtet unter den Verleihtresen für die blau-roten Bowlingschuhe; dunkles Furnier, gedämpfte Farben – Schnitt! Vor dem Tresen steht Michael Kessler, hinter ihm schimmern schummrig hellbeige, kugelförmige Lampen, die herab träufeln wie Trauben. Am Ende des Raumes sitzen Statisten an der geschwungenen Theke – das Bowlingzentrum Rebstock bildet eine prächtige und heimelige Kulisse – nicht nur im Film „Männer ticken, Frauen anders“. Hier überdauert der Charme seiner Entstehungszeit Anfang der 70er.

Auch auf dem Areal ringsum scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, aber statt Retro-Chic herrscht hier bestenfalls morbider Charme. Jenseits des steilen Bahndamms gegenüber verfallen die letzten Ruinen des einstigen Hauptgüterbahnhofs und Stümpfe gestutzter Strommasten rosten neben verrottenden Schwellen. Die Straße „Am Römerhof“ hat trotz unzähliger Teerflicken stellenweise mehr Löcher pro Fläche, als die Billardtische im Bowlingzentrum. Es wirkt, als habe die Stadt diese Gegend vergessen, aber in einigen Jahren sollen hier 2000 Wohnungen entstehen. Das Bowlingzentrum ist in den Plänen wohl nicht vorgesehen. Doch bis tatsächlich die Abrissbagger dereinst anrollen könnten, bleiben noch einige Jährchen, um das Kleinod auf der Brache in echt zu bewundern – und nicht nur auf Youtube im sieben Jahre alten Film „Männer ticken, Frauen anders“.



„Für die Dreharbeiten mussten wir die Klimaanlage ausstellen, weil die Mikrophone sensibel darauf reagierten“, erinnert sich Maud-Eva Waneck, Tochter von Klaus und Christel Penkwitz die das Bowlingzentrum erbauten. Beide waren leidenschaftliche Bowler gewesen, sie wurde mit der Nationalmannschaft sogar Vizeweltmeisterin 1967. Ursprünglich Kegler, waren sie zum Bowling gewechselt, weil sie es „moderner, technisch anspruchsvoller – besser“ fanden. Doch mit den lokalen Trainingsmöglichkeiten Umgebung haderte das Paar aus Sprendlingen, und beschloss eine eigene Bowlingbahn zu bauen. Da es in ihrem Wohnort kein passendes Gelände gab, errichteten sie diese auf dem damaligen Gelände des Polizeisportvereins. Bedingung war seinerzeit, dass es auch Kegelbahnen geben müsse.

In den 80ern lief Bowling dem Kegeln den Rang ab. Bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul war die Sportart sogar Demonstrationswettbewerb. Zwei Wochen vorher waren am Rebstock zehn zusätzliche Bowlingbahnen eingeweiht worden, denen wie Kegelbahnen weichen mussten. Potenzieller Spieler konnten sich Familie Penkwitz sicher sein, denn trotz des anhaltenden Booms hatte kurz zuvor die Bowlingbahn im Main-Taunus-Zentrum geschlossen. (Zur Gedächtnisauffrischung für die ortsansässige Generation X: Jene befand sich in einem Keller neber‘m Hertie, vom Springbrunnen aus links gesehen.)

À propos Epochenswitching : Als Klaus und Christel Penkwitz am 29. August 1973 die Pforten ihres Bowlingzentrums öffneten, feierte man zeitgleich am Platz der Republik Richtfest für das Selmi-Hochhaus – eine Woche nachdem es lichterloh in Flammen gestanden hatte. Am Hauptbahnhof klafften riesige Baugruben für S- und U-Bahn-Tunnel, des quasi neugebauten Waldstadion war gerade eröffnet worden und das Planfeststellungsverfahren für die Startbahn West begann. Nach Ende des Vietnam-Krieges marschierten nach vielen Jahren keine Demonstranten mehr gegen diesen auf Frankfurts Straßen, und an den vier autofreien Sonntagen infolge der Ölkrise fuhr darauf kaum jemand.
Original aus dieser Zeit stammt die Maschine, die die Pins wieder aufstellt, eine AMF 82-70 der „American Machine and Foundry“, Amerikas einst größtem Hersteller von Freizeitausrüstung, der auch Yachten und Atomreaktoren produzierte.



Axel Penkwitz hegt und pflegt die Maschine. Der 61-Jährige führt den Betrieb gemeinsam mit Schwester und Mutter. Jüngst baute er auf einigen Bahnen sogenannte „Bumper“ ein. Auf Wunsch erheben sie sich an den Bahnrändern, damit kleineren Kindern nicht die Kugel in die Seitenrinne plumpst mangels Schwung – automatisch per Voreinstellung an den Zählcomputern. Bei ihrer Einführung in den 80ern steigerten sie die Popularität des Bowlens. Nun konnten auch Laien einfach los- beziehungsweise die Pins umlegen, ohne vorher ausführlich die Zählweise lernen zu müssen. Obendrein von Vorteil: Wenn die Punkte selbstständig auf dem Bildschirm erscheinen, erspart das dem arglos Erholung Suchenden unter Umständen unnötige Scherereien – oder gar potenzielle Schießereien, falls jemand plötzlich eine Knarre zieht und droht: „Wenn Du ‘ne Acht aufschreibst, begibst Du Dich in die Welt des Schmerzes!“, wie Walter im Film Big Lebowski vor 20 Jahren. Das war auch so ein Film, dessen Bowlingszenen ebenso authentisch gewirkt hätten in diesem Schmuckstück mit Retro-Chic.

>> Mehr Orte, an denen Erinnerungen aufleben? Lesen Sie unsere aktuelle Titelgeschichte im April-Heft des Journal Frankfurt. Ab 28. März 2018 am Kiosk.
 
29. März 2018, 10.12 Uhr
Peter von Freyberg
 
 
Fotogalerie:
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