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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

Gesichter der Stadt

Alles im Fluss

Vor zehn Jahren gründeten Esther und Dimitrios Tsatsas das Taschenlabel TSATSAS; das Ledermuseum in Offenbach widmet den beiden seit April eine eigene Ausstellung. Ein Gespräch über gemeinsames Arbeiten, die Vorzüge von Leder – und warum ihre Taschen keine Mode sind. 
JOURNAL FRANKFURT: Seit April widmet Ihnen das Deutsche Ledermuseum in Offenbach eine eigene Ausstellung. Wie war das für Sie, zehn Jahre TSATSAS für das Museum aufzubereiten?
Esther Tsatsas:
Es zwingt einen, erst einmal alles zu sichten und sich zu fokussieren: Was ist eigentlich relevant für uns? Wir wollten die Ausstellung nicht als Retrospektive sehen – denn wir fühlen uns weder irgendwo angekommen noch wäre jetzt der richtige Zeitpunkt für so eine Zäsur. Die Ausstellung ist für uns eher ein Status quo, in den Vergangenheit und Zukunft mit reinspielen.

Sie präsentieren Leder, Materialien und Herstellungsprozesse – und lassen Ihre fertigen Taschen auf einer Art Förderband durch den Raum fahren.
ET:
Genau! Wir finden es langweilig, Taschen im Museum auf Podeste zu stellen. Unser Ansatz war vielmehr, das Dahinter zu zeigen. Unsere Gedanken dazu, die Materialien, der Background, die Produktion – diese Dinge wollten wir ins Museum bringen. Um dann trotzdem einige Taschen zu zeigen, kam die Idee zur kinetischen Installation, in der die Modelle in ständiger Bewegung durch den Raum fahren. So ergibt sich eine Gesamtkollektion, die uns ganz gut repräsentiert. Denn wir arbeiten „non-seasonal“, unsere Taschen sind also nicht an Moden und Saisonzyklen gebunden. Unser allererstes Modell gibt es heute immer noch zu kaufen.

Dimitrios Tsatsas: Es gehört alles zusammen. So arbeiten wir generell: Es gibt keine abschließende Saison, es ist alles im Fluss. Wir sehen eine Tasche nicht so sehr als Accessoire oder schmückendes Beiwerk, wie sie klassischerweise in der Mode gesehen wird. Für uns ist sie ein Produkt, das für sich stehen muss. Und zusammen müssen sie alle Sinn ergeben, eine Einheit bilden.

ET: Was vielleicht auch mit unserem beruflichen Hintergrund zu tun hat. Dimitrios hat Produktdesign studiert, ich Architektur – da gestaltet man Dinge, die in der Regel viele Jahre oder eher noch Jahrzehnte Bestand haben sollen.

Apropos Kontinuität: Ihr Vater, Herr Tsatsas, ist in den 80er-Jahren nach Offenbach gekommen, wo er dann als Feintäschner Lederwaren hergestellt hat.
DT:
Ja, das war immer sehr präsent. Dadurch, dass meine Eltern viel arbeiten mussten, haben meine Schwester und ich viel Zeit in der Werkstatt verbracht. Es war ein Ort, der einfach dazugehört hat. Der stark an das Zusammenleben mit meiner Familie gekoppelt war. Das ging oft ganz spielerisch – um uns zu beschäftigen, hat mein Vater Formen aufgemalt, Intarsien, Schmetterlinge, die wir dann aus Leder ausgeschnitten haben. All das führt dazu, dass man eine sehr starke emotionale Bindung zum Handwerk aufbaut. Und zum Material, natürlich.

Sie verarbeiten ausschließlich Leder – müssen Sie da auch mal Vorurteile revidieren, zum Beispiel in aktuellen Nachhaltigkeitsdiskussionen?
ET:
Ein gängiges Missverständnis ist zum Beispiel, dass Tiere ausschließlich für Leder sterben müssten. Eine Ausnahme stellen Reptilien- und andere Exotenleder dar, die wir von Anfang an ausgeschlossen haben. All unsere Rohmaterialien sind Abfallprodukte der fleischverarbeitenden Industrie, wir arbeiten mit einem Produzenten in Schweden zusammen. In Europa geht der Fleischkonsum sehr langsam zurück, global betrachtet steigt er aber an.

DT: Es gibt in Bezug auf Taschen kein Material, das dermaßen langlebig ist wie Leder. Das muss man sich zunächst einmal klarmachen. Eine Ledertasche, die man ein bisschen pflegt, kann also durchaus 30 Jahre alt werden. Wenn man gute Materialien hat und mit einem Design kombiniert, das nicht für eine Saison gemacht ist, sondern lange Sinn ergibt: Dann ist das unserer Vorstellung nach der Inbegriff von Nachhaltigkeit.

ET: Wir schauen viel, recherchieren, sammeln Materialproben. Sogar aus Ananasfasern werden heute Alternativen hergestellt. Es gibt derzeit aber kein Material, das in puncto Langlebigkeit und Qualität an Leder heranreicht. Das kann in zehn Jahren natürlich anders aussehen. Wenn eines Tages tatsächlich weniger Leder auf dem Markt sein sollte oder ein guter Ersatz zur Verfügung steht, dann sind wir die Ersten, die das ausprobieren. Aber solange Leder da ist, wäre es unserer Meinung nach nicht richtig, es zu vernichten, um dann mit zusätzlichen Ressourcen Ersatz zu produzieren. Das rechnet sich in keinerlei Weise. Und nachhaltig wäre es auch nicht.

Sie arbeiten von Anfang an als Duo: Showroom und Atelier sind in Frankfurt, die Werkstatt ist bis heute in Offenbach. Wie kann man sich Ihre Aufgabenteilung vorstellen?
DT:
Eine klare Trennung gibt es nicht. Jeder von uns hat seine Verantwortung, Esther kümmert sich um Vertrieb, Kommunikation und Geschäftliches, ich um Design- und Produktionsfragen, aber es ist ein ständiger Austausch. Es ist eine Art Ping-Pong-Spiel: Einer von uns hat eine Idee, wir besprechen sie und entwickeln sie weiter. Alle Entscheidungen treffen wir gemeinsam.

ET: Das ist auch ein wichtiges Regulativ, um zu überprüfen: Ist die Idee wirklich gut? Produziert wird in der Werkstatt von meinem Schwiegervater, der immer noch die tragende Rolle in der Produktion innehat, eng verzahnt mit Dimitrios. Unterstützt von einem inzwischen gewachsenen Team von Feintäschnerinnen und Feintäschnern.

Sie haben einmal gesagt, dass Sie ungern Pläne machen, weil sich alles ganz natürlich ergebe. Können Sie uns trotzdem einen kleinen Ausblick auf Zukunftsvorhaben geben?
DT:
Künftig möchten wir uns mehr auf den Herrenmarkt konzentrieren.

ET: Genau, zum Beispiel wird es eine Kollektion mit Herrentaschen geben, die wir gemeinsam mit dem Architekten David Chipperfield entwickelt haben. Darauf freuen wir uns. Wir möchten gerne weiterhin Kooperationen eingehen, die Spaß machen und das eigene Repertoire nochmal ein bisschen öffnen. Und dann möchten wir natürlich die Stellung halten und weiterhin mit unserem Team in Frankfurt und Offenbach arbeiten.
Vielen Dank für das Gespräch!

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Dieses Gespräch ist zuerst in der September-Ausgabe (9/22) des JOURNAL FRANKFURT erschienen.
 
6. Oktober 2022, 09.52 Uhr
kjc
 
 
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