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125 Jahre Eintracht Frankfurt

„Eintracht war immer cool, selbst wenn sie nicht erfolgreich war“

Eintracht-Frankfurt-Fan und Podcaster Basti Red spricht im Jubiläumsmonat der Eintracht mit dem JOURNAL über Traumata, echte Fan-Emotionen und was die SGE zu einem besonderen Club macht.
JOURNAL FRANKFURT: 125 Jahre Eintracht Frankfurt! Ohne groß nachzudenken, was fällt dir dazu ein?
Basti Red: Eigentlich begleitet mich die Eintracht mein ganzes Leben, und natürlich denke ich an die prägendsten Ereignisse. Das waren Abstiege, das waren Finanzprobleme, das waren divenhafte Zeiten, wo du dich immer über die Eintracht aufgeregt hast; gefühlt 30 Jahre eine gewisse Schwere … und seit 2018, also dem Pokalsieg gegen die Bayern, blickt man anders auf die Eintracht.

Inwiefern?
Diese magische Gemeinschaft ist schon immer da gewesen, aber plötzlich ist die Eintracht ein erfolgreicher Verein. Es ist ein kleines Wellental: Als ich klein war, war die Eintracht auch ein erfolgreicher Verein, und damals dachte ich: ‚Boah, die Eintracht ist voll krass und die können fast Meister werden.‘ Anfang der 90er gegen Rostock dann dieses Trauma. … Tja, und danach ist erfolgsmäßig lange nicht viel passiert. Aber Eintracht ist mehr als das Sportliche, Eintracht ist alles drumherum. Die Leute, mit denen man hingeht, die, die man dort trifft – manche Freunde triffst du nur im Stadion immer wieder.

Eintracht Frankfurt ist mehr als das Sportliche

Du hast von einer Schwere gesprochen. Meinst du, die sind immer nur auf- und abgestiegen und man hat sich einfach gefreut, wenn sie im Mittelfeld rumgesumpft sind?
Wahrscheinlich ein verklärter Eindruck, weil natürlich jede Saison etwas anderes los war. Aber die Eintracht war immer ein bisschen der trottelige Kellner, der es gerne mal nach einem Erfolg geschafft hat, den wieder einzureißen, gerade mit sehr dubiosen Geschichten. Ich erinnere mich noch an die Zeit, als der Investor Oktagon eingestiegen ist, und wie das Geld verbraten wurde. Dann war man fast wieder insolvent und musste im Eintracht-Forum gucken, ob der Verein überhaupt noch in der Bundesliga ist.

Genug Geschichten für zehn Interviews…
Klar, bei der Eintracht denkt man immer auch an solche Storys. Die Zeit mit der Eintracht war immer cool, nie uncool, selbst wenn sie nicht erfolgreich war. In den Zweitligajahren sind auch geile Erinnerungen entstanden. An den Aufstieg gegen Reutlingen erinnert man sich ziemlich gerne, oder an den Nichtabstieg gegen Kaiserslautern … Storys konnte die Eintracht schon immer.

Dann kam der Pokalsieg – gegen die Bayern auch noch.
Gerade beim DFB-Pokalsieg und jetzt beim Europapokalsieg hat man gemerkt, was für eine Energie da ist. Die entsteht nicht innerhalb kurzer Zeit, die baut sich auf. Wenn ich an den Moment denke, in dem Gaćinović aufs Tor läuft, kann ich fast nicht darüber sprechen, ohne zu heulen. Dieser 30 Jahre alte Frust hat sich mit diesem Schuss gegen die Bayern Bahn gebrochen. Er läuft auf das Tor, schießt den Ball rein, und du denkst: ‚Was ist hier gerade passiert?‘ Das Lustige war tatsächlich, dass die Fans gar keine Lieder für den Sieg hatten.

„Welche Eintracht ist das jetzt?“

Dann der Europapokalsieg. Das waren spirituelle Momente, und die fühle ich noch. Eigentlich Wahnsinn, wenn man überlegt, dass das wegen eines Fußballspiels passiert. Aber diese Stadt hat sich das verdient, weil die Fans immer da waren.

Hast du dir im Europapokal-Finale gedacht, das wird was?
Nein, eher: ‚Was denkst du eigentlich? Du kennst doch die Eintracht. Nur weil die jetzt einmal einen Pokal gewonnen hat ….‘. Nach dem 1:1 von Borré habe ich minutenlang einen inneren Monolog mit mir geführt, von wegen, welche Eintracht ist das jetzt? Die, die mich auf Jahre traumatisiert, weil sie ein Europapokalfinale verliert? Oder die, die dafür sorgen wird, dass die nächsten Monate wie im Traum verlaufen? Tatsächlich war ich sauer auf mich, weil ich – trotz präventivem Pessimismus – gehofft habe, dass sie es gewinnen. Und dann hat die Eintracht das eins zu eins gemacht. Am Ende war alles nur noch surreal.

Du bist ab und an Gast im Doppelpass. Wie kam es dazu?
Ich wurde in den Eintracht-Podcast eingeladen, daraus hat sich das entwickelt. Irgendwann rief mich Pit Gottschalk, Ex-Chefredakteur von Sport1, an und hat gefragt, ob ich in den Doppelpass kommen will. Da war ich schon sehr aufgeregt.

Warum, was war anders?

Die Podcast-Blase, in der ich mich bewegt habe, war quasi weg, davor hatte ich Respekt. Gleichzeitig habe ich mich aber gefreut, weil ich das als Kind immer geschaut habe. Ich verrate es hier zum ersten Mal: Als ich vor der Sendung vom Frühstück in mein Zimmer gefahren bin, musste ich mich erst einmal übergeben vor Aufregung.

Wie ist Stefan Effenberg?
Im Doppelpass ist Effenberg tatsächlich einer der Coolsten, der hat mich bei meinem zweiten, dritten Auftritt an die Hand genommen, hat mir Feedback gegeben, was sehr wichtig ist. Man weiß ja nicht, wie man ankommt, hat wenig Zeit und muss genau überlegen, was man sagt.

Du haust ganz gerne mal einen raus und hast nicht nur Fans, wie in den sozialen Medien nachzulesen ist.
Ich muss immer eine Mischung finden zwischen auf den Punkt kommen und alles spontan halten. Und ja, vermutlich habe ich sogar mehr Hater als Fans, was ich anfangs echt persönlich genommen habe. Allerdings weiß ich, wenn ich über Leipzig, Wolfsburg, Hoffenheim etc. rede, kommen die Hater automatisch. Insofern ist es schon ok für mich, dass manche Leute mich nicht mögen. Sicher habe ich teils dazu beigetragen, versuche mich aber zu reflektieren und entschuldige mich, wenn ich übers Ziel hinausgeschossen bin.

Im Doppelpass kommen die Hater bei bestimmten Themen automatisch


Manchmal geht es aber gar nicht um sportliche Dinge, sondern etwa darum, dass ich im Doppelpass eine Kappe anhabe. Da haben mir sehr viele ältere Herren wütende Mails geschrieben, wie respektlos es sei, in einem geschlossenen Raum eine Kopfbedeckung zu tragen. Sowieso sei ich ein asozialer Rapper. Aber cool. Ich wollte immer Rapper sein.

Kommen wir zu RB Leipzig. Die magst du gar nicht, richtig?

RB Leipzig ist derjenige, der sich mit einer unglaublichen Aggressivität in die Bundesliga gekauft hat – und einfach die 50-plus-eins-Regel umgeht, die leider nur noch für einen Teil der Bundesligisten gilt. Da wird ein bisschen das Wappen verändert, das Wort Rasenball erfunden. Wer unterstützt so etwas? Ja, ich finde es einen Skandal, dass die in der Bundesliga spielen, diese Diskussion erhalte ich in all meinen Formaten am Laufen.

Weil sich die Leute daran gewöhnen, wie etwa an Leverkusen?

Bayer Leverkusen hat zumindest in meiner Fußballsozialisation noch eine kleine Geschichte, aber den Gewöhnungseffekt merke ich bei mir selbst. Das wird irgendwann auch mit Leipzig passieren. Normal ist es trotzdem nicht, zumal die Bundesliga schon deshalb ein Problem hat, weil sich für RB Leipzig keiner interessiert, die trotzdem einen sehr prominenten Spot blockieren. Spielt RB bspw. gegen Glasgow in der Campions League, haben sie weniger Leute auf dem Fanmarsch als ich auf meinem Geburtstag. Darüber kann man reden, auch wenn viele das nicht gerne tun und teils nicht gerne hören.

„RB Leipzig ist derjenige, der sich mit einer unglaublichen Aggressivität in die Bundesliga gekauft hat“


Warum haben sie so wenig Fans?
Du sitzt ja nicht zuhause und bist plötzlich leidenschaftlicher Fan. Daher das Bild mit den 30 Jahren Eintracht: Das ist echt, das merkst du an der Stadt. Du kennst deine Geschichte, Frankfurt ist voll mit ehrlicher Freude. Bei RB Leipzig ist das trollhaft; die freuen sich nur, weil andere sich aufregen, und schütten Red Bull in den Pokal. Als seien sie uneingeladen auf einer Party.




Bernd Kammerer

Geld haben die Bayern allerdings auch mehr als andere Vereine – siehe Katar.
Da gab es aber so lange Diskussionen, bis sie es gelassen haben. Das war wichtig, zumal die Bayern eine stabile, aktive Fanszene haben, die sich nicht volllabern lässt. Die haben ihren Standpunkt klar gemacht.

Welche Macht sollten Fans generell haben bzw. wie weit darf Fanprotest gehen?

Fanproteste dürfen so weit gehen, wie sie wollen. Wenn Fans das Gefühl haben, es wird über ihren Kopf hinweg entschieden, haben sie alles Recht zu protestieren, natürlich auf friedliche Art. Dann darf auch der Spielbetrieb gestört werden, wie kürzlich bei den Protesten gegen den Investoren-Deal. Was an Kommunikation bei manchen Vereinen stattfand, war einfach ungenügend. Obwohl ich bei der Sache eine andere Meinung habe, da hätte ich mir die Intensität der Proteste für etwas anderes gewünscht.

Eintracht-Fans protestierten gegen Investoren-Club Wolfsburg

Eher Proteste gegen ein Team, wie Leipzig oder Wolfsburg, wie es in Frankfurt der Fall war?
Die Eintracht-Fans haben erklärt, dass in letzter Zeit andere Dinge wichtig waren – zum Beispiel die Polizeiszenen bei dem Spiel gegen Stuttgart. Ich fand völlig ok, dass sie beim Investoren-Protest nicht mitgemacht haben, zumal der Eintracht-Protest für das wichtigere Thema, nämlich gegen den VFL Wolfsburg, also gegen Investorenvereine, da war und ist. Grundsätzlich sind Fans mit der wichtigste Teil des Spiels, das hat man bei Corona gesehen. Ohne die echten Emotionen ist Fußball zu langweilig, und damit muss man auf verantwortlicher Ebene auch sorgsam umgehen.

„Egal von wo du kommst. Wenn du einmal bei der Eintracht warst, wirst du immer Frankfurter bleiben“

Ist Kommerzialisierung etwa in Sachen Identifikation mit Spielern nicht auch bei Eintracht Frankfurt ein Problem?
Ist es, aber man hat sich dran gewöhnt und feiert die Ausnahmen wie Sebastian Rode, Timmy Chandler oder Kevin Trapp. Die Eintracht ist noch mit Identifikationsfiguren gesegnet, bei denen man fühlt, dass ihnen der Verein etwas bedeutet. „Egal von wo du kommst. Wenn du einmal bei der Eintracht warst, wirst du immer Frankfurter bleiben“, hat Timmy Chandler kürzlich gesagt. Wichtiger Satz. Ich glaube, das gilt auch für Oliver Glasner, Ante Rebić, David Abraham …

Fjörtoft …
Marco Fabian war als Fan im Block beim Europapokal-Finale, Martin Fenin hat noch einen Bezug. Das ist etwas Besonderes, daher kann man über Geschichten wie mit Kolo Muani hinwegsehen, solange man die Ausnahmen hat. Übrigens ist das mit ein Verdienst der aktiven Fans.

Was ist dein Königstransfer?
Ohne nachzudenken, Ante Rebić. Sein Weggang hat mir echt das Herz gebrochen.

„Wenn Dortmund Dortmund-Dinge tut, sollte die Eintracht vorbereitet sein“

Zum Abschluss: Wo sind die Emotionen bzw. ist die Party direkt nach dem Abpfiff am größten? Nach einem Nichtabstieg, einem Aufstieg oder einem Pokalsieg?
Ich glaube tatsächlich nach einem Nichtabstieg. Das ist die pure Erleichterung. Ich erinnere mich an keinen einzigen Sieg, den ich rauschend gefeiert habe, eher bin ich danach fix und fertig. Als wir in Sevilla am Flughafen waren, hätte man denken können, die Leute haben alle ein Hochwasser überlebt. Für mich war es fast zu viel, vermutlich war nicht vorgesehen, dass die Glückshormone dermaßen nach oben geschossen werden. So ein Nichtabstieg, wo man mit dem Schlimmsten rechnet, ist leichter zu feiern.

Wo siehst du die Eintracht am Saisonende?
Auf Platz 6, aber wenn Dortmund Bock hat, Dortmund-Dinge zu tun, sollte die Eintracht zumindest vorbereitet sein. Also wenn Leipzig oder Dortmund die Miete nicht mehr zahlen können, sollten wir in der Situation sein, zu übernehmen.
 
16. März 2024, 11.54 Uhr
Katja Thorwarth
 
Katja Thorwarth
Die gebürtige Frankfurterin studierte an der Goethe-Uni Soziologie, Politik und Sozialpsychologie. Ihre journalistischen Schwerpunkte sind Politik, politisches Feuilleton und Meinung. Seit März 2023 Leitung online beim JOURNAL FRANKFURT. – Mehr von Katja Thorwarth >>
 
 
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