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Schon mal ausprobiert
Kommunalwahl im Selbstversuch
Unsere Autorin hat schon mal gewählt - und ist einigermaßen ernüchtert. Ihre Reportage aus der Kabine lesen Sie hier. Außerdem: eine Wahlanleitung für alle, die am großem Stimmzettel ebenso verzweifeln.
Wählen gehen - eine Reportage aus der Wahlkabine
Weil ich zur Wahl am 27.3. nicht in Frankfurt sein kann und das Warten auf die Briefwahlunterlagen zu lange dauert: Ab ins Wahlamt .Zeil 3, 3. Stock. Zwei Damen am Empfang lancieren mich sehr nett ins Wahlamtsbüro. Ausweis vorlegen, Wahlschein wird ausgedruckt, ein dicker Pack aus Stimmscheinen, Umschläge, Infozetteln und Heftchen wird mir ausgehändigt.
Nächstes Zimmer: Wahllokal, den Gang entlang hinten rechts. Wenn es Fragen gibt, über die beigelegten Informationen hinaus: Gerne die Wahlhelfer ansprechen, man sei da hilfsbereit. Fragen: Danke, ja, einige, ganz bestimmt...
Zunächst jedoch die Unterlagen mal sichten: Blauer, roter, grüner Umschlag, Extraumschlag. Grüner Volksenscheid, grüne Broschüre dazu. Grauer und roter Stimmzettel. Beide haben entfaltet die Größe eines Saunahandtuchs – logistisch nicht einfach hinter dem Wellpappenverschlag („Wahlkabine“) zu handhaben.
Ich nehme die angebotene Hilfe dankbar an, erkundige mich zunächst vorsichtig, im Laufe des Dialogs zunehmend forscher bei den beiden Wahlhelfern: Listen (Parteien) oben ankreuzen geht nur einmal, bei zweimal wäre die Wahl ungültig. Einzelne Kandidaten kann man in einer oder mehrerer Listen ankreuzen, einmal, zweimal, maximal dreimal. Macht nur da Sinn, wo man nicht schon die ganze Liste angekreuzt hat. Die angekreuzte Liste kann aber um Kandidaten gekürzt werden: Wen ich durchstreiche, der bekommt keine Stimme, alle verbleibenden Stimmen werden unter den restlichen Listenkandidaten aufgeteilt.
Hier ein paar Kreuzchen, da ein paar Kreuzchen, keiner der Kandidaten ist mir wirklich bekannt, ich entscheide spontan, wähle einmal eine Partei per Kreuz an der ganzen Liste, ergänze hier und da einzelne Kandidaten aus anderen Listen, immer wo der Parteiname politisch interessant Ziele zu signalisieren scheint. Für die Grauen Panter fühle ich mich jedoch zu jung, für die Radikalen jedwelcher Couleur stehe ich nicht zur Verfügung; Die PARTEI habe ich in der Titanic inserieren sehen und überrascht mich: Die stehen ja tatsächlich auf dem Wahlplakat vor mir - und ich dachte, die meinen das nicht ernst ...
Eine Partei namens ELF – ich lese sehr aufmerksam auch die Kandidatennamen – lässt auf Zielgruppe Fussball-Fan schließen – wofür soll die 11 sonst stehen, bitte? Ich präferiere zukunfts-relevantere Sujets – nichts gegen die Eintracht! – und kreuze gegen Zerstörung, für Naturerhalt an. In der Hoffnung, man führt den Wähler nicht an der Nase herum und die Versprechungen stimmen auch noch nach der Wahl!
Ach, und dann die Piratenpartei: Hätte ich Euer Plakat mit dem Sneaker in der Rathaustür vorher gesehen: Super! Eine Stimme hätte ich Euch allein wegen des einzig gelungenen Plakates aller Wählerfänger gegeben! Hatte ja noch was vom Kreuzchen-Budget übrig. Der Rest wird automatisch bei der Auszählung unter denen aufgeteilt, die per Listenkreuz markiert sind.
Das war’s. Ganz einfach, eigentlich. Gleich noch mal für den zweiten Stimmzettel: Ortsbeirat. Vorsicht: Hier variiert die zu vergebende Anzahl an Kreuzen von Stadtteil zu Stadtteil. Bitte Kreuze sorgfältig mitzählen! Und dann alles verpacken, Farben, Umschläge nicht verwechseln, den Wahlschein unterschrieben mit in den großen allgemeinen Umschlag. (Übrigens bitte fragen Sie mich im Nachhinein jetzt nicht, welcher Stimmzettel welche Farbe hat. Sie werden es sehen, am Wahltag.)
Und dann noch: Der Volksentscheid. Bin ich für oder gegen die Schuldenbremse? Natürlich dafür, wie könnte man dagegen sein, bei einer Pro-Kopf-Verschuldung (Babys inklusive), die gegen 25.000 Euro geht. Was die Zustimmung des Entscheids allerdings im Detail und für den einzelnen konkret bedeuten würde, lässt die grüne Broschüre offen. Und auch die Auflistung sämtlicher Eventualitäten, die die Bremse, falls mehrheitlich bejaht, wieder außer Kraft setzt, macht die Entscheidungsgrundlage schwammig. Ausdrücklich: sehr schwammig. Da kann man doch nur wahllos ankreuzen...
Zu guter Letzt: Wo ist die Urne? Da verweißt man mich auf den Schlitz in der großen, grauen Mülltonne, direkt neben der Theke. „Bitte keine heiße Asche einfüllen. Ihre FES“.... Wem ist jetzt noch zu helfen?!
Text: Laura J Gerlach
Wahlanleitung für Anfänger
Kreuzen Sie einfach die Liste Ihres Vertrauens an – fertig. Ihre insgesamt 93 Stimmen werden automatisch dieser Liste zugeordnet
Wahlanleitung für Fortgeschrittene
Kreuzen Sie die Liste Ihres Vertrauens an – und streichen Sie die Unsympathen weg. Der Rest der Liste bekommt Ihre Stimmen.
Wahlanleitung für Profis
Vergeben Sie 93 Stimmen über alle Listen hinweg. Sie können auch weniger Stimmen vergeben und zusätzlich noch eine Liste ankreuzen. So müssen Sie nicht alle Kreuze durchzählen; doch Vorsicht: wenn Sie aus Versehen mehr als 93 Kreuze vergeben, haben Sie ungültig gewählt. Dann war alle Mühe umsonst.
Weil ich zur Wahl am 27.3. nicht in Frankfurt sein kann und das Warten auf die Briefwahlunterlagen zu lange dauert: Ab ins Wahlamt .Zeil 3, 3. Stock. Zwei Damen am Empfang lancieren mich sehr nett ins Wahlamtsbüro. Ausweis vorlegen, Wahlschein wird ausgedruckt, ein dicker Pack aus Stimmscheinen, Umschläge, Infozetteln und Heftchen wird mir ausgehändigt.
Nächstes Zimmer: Wahllokal, den Gang entlang hinten rechts. Wenn es Fragen gibt, über die beigelegten Informationen hinaus: Gerne die Wahlhelfer ansprechen, man sei da hilfsbereit. Fragen: Danke, ja, einige, ganz bestimmt...
Zunächst jedoch die Unterlagen mal sichten: Blauer, roter, grüner Umschlag, Extraumschlag. Grüner Volksenscheid, grüne Broschüre dazu. Grauer und roter Stimmzettel. Beide haben entfaltet die Größe eines Saunahandtuchs – logistisch nicht einfach hinter dem Wellpappenverschlag („Wahlkabine“) zu handhaben.
Ich nehme die angebotene Hilfe dankbar an, erkundige mich zunächst vorsichtig, im Laufe des Dialogs zunehmend forscher bei den beiden Wahlhelfern: Listen (Parteien) oben ankreuzen geht nur einmal, bei zweimal wäre die Wahl ungültig. Einzelne Kandidaten kann man in einer oder mehrerer Listen ankreuzen, einmal, zweimal, maximal dreimal. Macht nur da Sinn, wo man nicht schon die ganze Liste angekreuzt hat. Die angekreuzte Liste kann aber um Kandidaten gekürzt werden: Wen ich durchstreiche, der bekommt keine Stimme, alle verbleibenden Stimmen werden unter den restlichen Listenkandidaten aufgeteilt.
Hier ein paar Kreuzchen, da ein paar Kreuzchen, keiner der Kandidaten ist mir wirklich bekannt, ich entscheide spontan, wähle einmal eine Partei per Kreuz an der ganzen Liste, ergänze hier und da einzelne Kandidaten aus anderen Listen, immer wo der Parteiname politisch interessant Ziele zu signalisieren scheint. Für die Grauen Panter fühle ich mich jedoch zu jung, für die Radikalen jedwelcher Couleur stehe ich nicht zur Verfügung; Die PARTEI habe ich in der Titanic inserieren sehen und überrascht mich: Die stehen ja tatsächlich auf dem Wahlplakat vor mir - und ich dachte, die meinen das nicht ernst ...
Eine Partei namens ELF – ich lese sehr aufmerksam auch die Kandidatennamen – lässt auf Zielgruppe Fussball-Fan schließen – wofür soll die 11 sonst stehen, bitte? Ich präferiere zukunfts-relevantere Sujets – nichts gegen die Eintracht! – und kreuze gegen Zerstörung, für Naturerhalt an. In der Hoffnung, man führt den Wähler nicht an der Nase herum und die Versprechungen stimmen auch noch nach der Wahl!
Ach, und dann die Piratenpartei: Hätte ich Euer Plakat mit dem Sneaker in der Rathaustür vorher gesehen: Super! Eine Stimme hätte ich Euch allein wegen des einzig gelungenen Plakates aller Wählerfänger gegeben! Hatte ja noch was vom Kreuzchen-Budget übrig. Der Rest wird automatisch bei der Auszählung unter denen aufgeteilt, die per Listenkreuz markiert sind.
Das war’s. Ganz einfach, eigentlich. Gleich noch mal für den zweiten Stimmzettel: Ortsbeirat. Vorsicht: Hier variiert die zu vergebende Anzahl an Kreuzen von Stadtteil zu Stadtteil. Bitte Kreuze sorgfältig mitzählen! Und dann alles verpacken, Farben, Umschläge nicht verwechseln, den Wahlschein unterschrieben mit in den großen allgemeinen Umschlag. (Übrigens bitte fragen Sie mich im Nachhinein jetzt nicht, welcher Stimmzettel welche Farbe hat. Sie werden es sehen, am Wahltag.)
Und dann noch: Der Volksentscheid. Bin ich für oder gegen die Schuldenbremse? Natürlich dafür, wie könnte man dagegen sein, bei einer Pro-Kopf-Verschuldung (Babys inklusive), die gegen 25.000 Euro geht. Was die Zustimmung des Entscheids allerdings im Detail und für den einzelnen konkret bedeuten würde, lässt die grüne Broschüre offen. Und auch die Auflistung sämtlicher Eventualitäten, die die Bremse, falls mehrheitlich bejaht, wieder außer Kraft setzt, macht die Entscheidungsgrundlage schwammig. Ausdrücklich: sehr schwammig. Da kann man doch nur wahllos ankreuzen...
Zu guter Letzt: Wo ist die Urne? Da verweißt man mich auf den Schlitz in der großen, grauen Mülltonne, direkt neben der Theke. „Bitte keine heiße Asche einfüllen. Ihre FES“.... Wem ist jetzt noch zu helfen?!
Text: Laura J Gerlach
Wahlanleitung für Anfänger
Kreuzen Sie einfach die Liste Ihres Vertrauens an – fertig. Ihre insgesamt 93 Stimmen werden automatisch dieser Liste zugeordnet
Wahlanleitung für Fortgeschrittene
Kreuzen Sie die Liste Ihres Vertrauens an – und streichen Sie die Unsympathen weg. Der Rest der Liste bekommt Ihre Stimmen.
Wahlanleitung für Profis
Vergeben Sie 93 Stimmen über alle Listen hinweg. Sie können auch weniger Stimmen vergeben und zusätzlich noch eine Liste ankreuzen. So müssen Sie nicht alle Kreuze durchzählen; doch Vorsicht: wenn Sie aus Versehen mehr als 93 Kreuze vergeben, haben Sie ungültig gewählt. Dann war alle Mühe umsonst.
16. März 2011, 09.55 Uhr
lg/hn
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