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Foto: In der Berger Straße gibt es Gastrobetriebe wie Sand am Meer © Harald Schröder
Foto: In der Berger Straße gibt es Gastrobetriebe wie Sand am Meer © Harald Schröder

Personalbedarf in der Gastro

„Frankfurt hat ein massives Überangebot an Gastronomie“

In Frankfurt stehen Gastronomen vor Problemen wie etwa hohem Personalbedarf. Geschäftsführer der Gewerkschaft NGG Region RheinMain Hendrik Hallier spricht im JOURNAL über die derzeit schwierige Situation der Gastro-Branche.
JOURNAL: Herr Hallier, wie hat sich die Tarif-Situation in der Gastro-Branche in Hessen in den letzten Jahren verändert?
Hendrik Hallier: Ich habe selbst in der Branche gelernt und auch zehn Jahre gearbeitet und mit Blick auf Hessen kann ich Ihnen sagen, dass die Bedingungen in den tarifgebundenen Dehoga-Mitgliedsunternehmen sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert haben und dies auch in Zukunft tun werden. Leider erlaubt der Dehoga seinen Mitgliedsunternehmen, eine tarifungebundene Mitgliedschaft mit ihnen einzugehen. Das bedeutet konkret: Das Mitgliedsunternehmen hat zwar die Vorteile der Dehoga-Mitgliedschaft, muss sich aber nicht an die zwischen NGG und Dehoga vereinbarten Tarife halten.

Hierzu ist sicherlich als Hintergrundinformation erwähnenswert, dass die Dehoga-Mitgliedschaft insbesondere für kleine Gastronomen aufgrund der extrem guten Rahmenverträge (Gema, SKY, Versicherungen) extrem attraktiv ist, sich diese aber größtenteils für die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung entscheiden. An dieser Stelle ist sicherlich die Politik gefragt, diesem Modell einen Riegel vorzuschieben.

Viele kleine Unternehmen sind Dehoga-Mitglied, aber haben keine Tarifbindung

Sie fordern einen Einstiegslohn von 3000 Euro nach der Gastronomieausbildung. Wie setzt sich dieser Betrag zusammen?
Der geforderte Einstiegslohn in Höhe von 3000 Euro kommt zum einen, so ehrlich müssen wir glaube ich sein, durch die Runde Summe zustande. Gleichzeitig ergibt sich daraus ein Nettogehalt in der Lohnsteuerklasse 1 von circa 2000 Euro. Wir glauben, dass die 3000 Euro für viele Menschen einfach eine Grenze sind, ab der ein Gehalt als wertschätzend und vor allem auch nicht mehr als Teil des Niedriglohnsektors wahrgenommen wird.

Was müsste dafür passieren, vielleicht ein staatlicher höherer Mindestlohn?
An dieser Stelle gehe ich davon aus, dass wir in Hessen die 3000 Euro mit zwei Jahren Berufserfahrung nach der Ausbildung mit dem nächsten Tarifabschluss erreichen wollen und auch können. Um dann auch die frisch ausgelernten Fachkräfte über diese Schwelle zu heben, könnte je nach Laufzeit ein weiterer Abschluss nötig sein.

Staatliche Maßnahmen wie Mindestlohnerhöhungen helfen hier aus meiner Sicht nichts. Hintergrund unserer Forderung ist schließlich, dass die von uns geforderten 3000 Euro circa 50 Prozent über dem Mindestlohn liegen und auch liegen sollen. Bei einem Mindestlohn von 14 Euro müssten wir beispielsweise unsere Forderung auf 3600 Euro erhöhen, um in der Systematik bleiben zu können.

NGG fordert 3000 Euro „Gastro-Start-Lohn“

Die Gastro-Branche hat sich stark verändert, auch im RheinMain-Gebiet. Woran liegt es, dass so viele Betriebe geschlossen haben?
Ich glaube, das Problem der Gastronomie sitzt deutlich tiefer, als auf den ersten Blick zu vermuten wäre. Denn schauen wir uns die Zahlen langfristig an, so sehen wir das allein seit 2014 ein Drittel der Gasthöfe und traditionellen Kneipen beziehungsweise Schankwirtschaften den Betrieb eingestellt haben. Gleichzeitig sind in den Jahren 2014 bis 2019 circa 200 000 Beschäftigte mehr in der Branche sozialversicherungspflichtig beschäftigt worden.

Ich persönlich folgere daraus, dass sich Gastronomie in einem sowohl thematischen als auch örtlich immer engeren Raum bewegt. Vorrangig sind dies die Stadtzentren. Gleichzeitig steigt der Personalbedarf massiv an. Wir haben daher, was im übrigen in Frankfurt sehr gut zu beobachten ist, stellenweise ein massives Überangebot an Gastronomie. Dies wird zum Beispiel in Frankfurt in der Berger Straße, die inzwischen zu großen Teilen nur noch aus gastronomischen Betrieben besteht, sichtbar.

Gastronomen ziehen in die Stadtzentren

Was für Folgen hat das für die Betreiber?
In diesem Umfeld, welches gleichzeitig durch teils horrende Mieten auffällt, stehen viele Betreiber tatsächlich vor dem Problem, steigende Mieten, Lebensmittelpreise und Lohnkosten weitergeben zu müssen, ohne die Konkurrenzfähigkeit zu verlieren. Dieses Problem wird auch nicht durch Sonder- oder Pauschalaufschläge wie Tischpreise, Eintritt oder anderes verschwinden.

Vielmehr wird schlicht ein Teil der Betriebe den Geschäftsbetrieb einstellen müssen. Viele Konzepte sind schon vor der massiven Inflation sehr knapp kalkuliert, was zum Teil auch damit zusammenhängt, dass in Deutschland jeder einen gastronomischen Betrieb eröffnen kann. Aber wer gut trinken oder gar kochen kann, ist dadurch noch kein Gastronom. Auch hier müsste die Politik ansetzen und von Betreibern erst einmal einen Nachweis über die Befähigung verlangen.

In Deutschland kann jeder einen gastronomischen Betrieb eröffnen

Und für die Gäste?
Ich denke, in der Gastronomie werden sich die Öffnungszeiten durchaus anpassen. Ich erlebe es schon heute, dass zum Beispiel die Bar eines Hotels zur vorab angegebenen Zeit schließt und nicht für eine Handvoll Gäste noch stundenlang geöffnet bleibt. Das erhöht zum einen die Arbeitsqualität der Beschäftigten und zum anderen ist es schlicht oft gar nicht wirtschaftlich sinnvoll gewesen, für marginale Umsätze länger geöffnet zu bleiben.

An diesem Punkt wird von uns als Gäste der Betriebe sicherlich mehr Verbindlichkeit verlangen. Sei es bei der Tischreservierung, der Endzeit unserer Veranstaltung oder den Öffnungszeiten von Küche und Betrieb. Das halte ich im übrigen auch für richtig und angemessen.

Andere Öffnungszeiten sind nur ein Teil von Veränderungen

Wie blicken Sie davon ausgehend in die Zukunft der Gastronomie?
Ich glaube, langfristig erfolgreich werden nur diejenigen Betriebe sein, die es schaffen, den Beschäftigten gute Einkommen und flexible Arbeitsbedingungen zu bieten, und sich gleichzeitig aus dem gastronomischen Einheitsbrei absetzen. Für Letzteres bedarf es aus meiner Sicht ausgebildete Fachkräfte. Es braucht KöchInnen, die handwerklich ohne übermäßig viele Convenience-Produkte kochen, und es braucht KellnerInnen, die nicht nur das Essen und die Getränke ausliefern, sondern auch etwa den Restaurantbesuch zu einem Erlebnis machen.

Ob die Menschen in Zukunft noch immer so oft auswärts essen, bleibt abzuwarten. Für mich ist jedoch klar, dass die Bereitschaft, für gutes Essen und guten Service mehr zu zahlen, nicht, wie oft behauptet, seitens der Gäste nicht gegeben ist. Ich glaube aber, dass das Produkt – und dazu gehört nicht nur das Ambiente und die Speisen, sondern der komplette Gastronomiebesuch – zum Preis passen muss.

Info
Hendrik Hallier ist Geschäftsführer der Gastro-Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten in der RheinMain-Region. Er ist selbst gelernter Hotelfachmann.




© privat
 
24. August 2023, 13.07 Uhr
Till Geginat
 
Till Geginat
Jahrgang 1994, Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Goethe Universität Frankfurt, seit November 2022 beim JOURNAL FRANKFURT. – Mehr von Till Geginat >>
 
 
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