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Foto: Detlef Kinsler
Foto: Detlef Kinsler

Lou Reed in Offenbach

„Alle Musiker haben Charakterverfehlungen"

Beim ersten Rockkonzert seines Lebens wurde der 17-jährige Oliver Augst Zeuge eines Skandals. 40 Jahre später erinnert das Performance-Konzert „Lou Reed in Offenbach“ daran. Premiere ist am 13. März im Mousonturm.
„Archiv Deutschland“ ist ein Langzeitprojekt von Oliver Augst überschrieben, für das sich der Sänger, Komponist, Produzent, Kurator und Hörspielautor wie in den meisten seiner Arbeiten immer wieder Persönlichkeiten und Phänomenen annimmt, die für ihn eine – wenn auch höchst unterschiedliche – geschichtliche Relevanz haben. Hanns Eisler, Rainer Werner Fassbinder, Matthias Beltz, Kurt Weill, Hugo Ball gehörten dazu. Mit unterschiedlichen Partnern und Partnerinnen bewegt sich Augst dabei im experimentellen Grenzbereich von Musik, Hörspiel, Literatur und Theater. Immer wieder arbeitete der Konzeptkünstler, der lange in Frankfurt lebte, mit Brezel Göring und Françoise Cactus von Stereo Total. Zuletzt sah man sie 2017 im Mousonturm in „Der Ernst Neger Komplex“.

„Wir sind miteinander in ständigem Kontakt und Austausch und tüfteln eigentlich permanent an verschiedenen Ideen und Projekten gleichzeitig herum“, erklärt Augst. „Ein wichtiger Entstehungsort unserer Projekte ist zum Beispiel die Küche von Françoise und Brezel in ihrer Wohnung in Berlin-Kreuzberg. Die Küche – wie so oft – der Ort, wo gebrodelt und gebacken wird.“ Da fiel dann irgendwann der Name Lou Reed. Von „Ruckizucki“ zum „Walk On The Wild Side“. „Den Anstoß hat Oliver gegeben, der war ja damals Gast bei jenem katastrophalen Konzert in Offenbach. Als er davon erzählt hat, war uns sofort klar: das ist der Stoff für ein Theaterstück“, erinnert sich Brezel Göring. Augst gibt unumwunden zu: „Ich hatte damals eigentlich keine Ahnung wer Lou Reed ist, anders als meine Tanzstundenpartnerin, die schon alles drauf hatte und in die ich ziemlich verknallt war. Sie meinte, dass man da unbedingt gemeinsam hingehen sollte. Für mich war das schon von daher gesehen irre aufregend, aber mehr dazu: im Stück.“

Als mir Augst ganz aufgeregt das Projekt vorstellte, vom Eklat beim abgebrochenen Konzert, dem Ärger zwischen Musiker und Publikum, musste ich lachen: „Erzähl‘ mir mehr davon, ich war da auch dabei.“ Reed hatte an diesem 6. April 1979, vollkommen paranoid, eine Frau, die auf die Bühne geklettert war, um zwischen ihm und den pöbelnden US-Soldaten vermitteln wollte, kurzerhand von der Bühne gekickt. Da flog Mobiliar Richtung Reed und während alle Kollegen mit ihren Bildern zerstörter Stuhlberge in die Redaktionen hasteten, um die Samstagsausgabe noch zu bestücken, wollte ich sehen, ob Statements zu bekommen wären. Plötzlich standen Polizisten im Saal. „Wir haben hier eine Anzeige. Wo ist denn der Künstler – wir müssen ihn verhaften?“ So kommt man zu exklusivem Bildmaterial, siehe oben rechts, und Veröffentlichungen sogar im Stern.

Ohne, dass Anfang 2018 schon eine „Verwertungsidee im Raum stand“, schrieb Cactus, angefixt von der Geschichte, spontan erste Texte und Göring entwickelte „Zeitzeugenberichte“. Diese „Urenergie“ der Berliner griff Augst auf. „Ich habe spontan vorgeschlagen, noch im gleichen Sommer das Haus meiner Frau, quasi unser Feriendomizil im Südwesten Frankreichs, zur Verfügung zu stellen, um dort an der musikalischen Umsetzung und den Tonaufnahmen zu arbeiten“, berichtet Augst. „Wir sind mit einem Kleinbus vollgeladen mit Musikinstrumenten und dem ganzen Studioequipment runtergefahren, haben das Haus zu einem Proberaum und Tonstudio umfunktioniert, und nach zehn Tagen war alles weitgehend im Kasten.“ In einer „Verbindung von Arbeit, Freundschaft und schönem Leben“ wurden im halbverwilderten Garten Album (erscheint als Vinyl auf dem Offenbacher Label unbreakmyheart), Hörspiel und die Bühnenversion, die am 13. März Premiere im Mousonturm hat, erarbeitet. Fakten oder Spekulationen? Realität versus Fantasie? Feature-Fiktion! „Wir haben in gewisser Weise Lou Reed erfunden. Er selbst kommt kaum zu Wort, aber alle sprechen über ihn. So entsteht ein hochspekulatives Portrait“, kommentiert Dramaturgin Charlotte Arens.

„Alle Musiker haben – unabhängig von der Musik, die natürlich bei jedem anders ist – dieselben Charakterverfehlungen. Wir brauchten nur unsere eigenen Erfahrungen und widersprüchlichen Gefühle etwas überzeichnet wiederzugeben und das Stück war fertig“, verdeutlicht Göring. „Die Figuren sind Personen, wie sie auch in unserem Leben vorkommen: der frustrierte Begleitmusiker, der entfremdete Partner, der zuhause ein völlig anderes Leben führt, die neurotische Mutter, die sich etwas anderes von ihrem Kind erhofft hatte. In Lou Reeds Biografie gab es diese Figuren, und sie waren so extrem, dass es filmreif ist.“ Und Augst ergänzt: „Lou Reed hat in seinen Songs oft über die Menschen seines Umfelds gesungen, sie zum Thema seiner Lieder gemacht. Wir drehen den Spieß jetzt einfach um, und lassen diese Leute einmal retrospektiv zu Wort kommen.“

Das Interview finden Sie hier.

>> Lou Reed in Offenbach, Ffm, Mousonturm, 13.+14.3., 20 Uhr/15.3. 18 Uhr, Eintritt: 19,–
 
9. März 2020, 11.25 Uhr
Detlef Kinsler
 
 
Fotogalerie:
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