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Foto: © Archäologisches Museum Frankfurt/Christoph Boeckheler
Foto: © Archäologisches Museum Frankfurt/Christoph Boeckheler

Im Gespräch mit Wolfgang David

„Da holt uns die große Politik ein“

Die Ausstellung „Tod im Salz“ sollte im März im Archäologischen Museum anlaufen. Jetzt musste sie aufgrund der politischen Lage im mittleren Osten auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Im Interview spricht Museums-Direktor Wolfgang David über die Hintergründe.
JOURNAL FRANKFURT: Vor zwei Wochen gab das Archäologische Museum bekannt, dass die Ausstellung „Tod im Salz“, die von März bis Oktober angesetzt war, vorerst nicht stattfindet. Transport- und Versicherungsunternehmen zogen sich aus den Verträgen zurück. Was hätte Besucherinnen und Besucher bei der Ausstellung „Tod im Salz“ diesen März erwartet?

Wolfgang David: Wir hätten Funde aus einem Salzbergwerk mit besonders reinem und klaren Salz im Nordwesten des Iran ausgestellt. Erst 1994 und 2004/05, während des Bergbaubetriebs, wurden acht verschüttete Bergleute entdeckt, die zwischen 2400 und 1300 Jahre alt waren. Zweimal innerhalb von 800 Jahren passierte dort ein Unglück, bei dem Bergleute verschüttet wurden. Durch das Salz wurden die Körper konserviert, sodass man sie komplett erhalten mit ihrer Kleidung und ihrem Mageninhalt gefunden hat. Aus dieser Zeit sind sonst normalerweise keine organischen Materialien erhalten. An den Bergarbeitern aus Zanjan im Iran konnte man erkennen, dass sie Fäustlinge aus zwei verschiedenen Ledersorten trugen sowie buntbestickte Täschchen und farbenfrohe Kleidung. Außerdem haben sie eine Art Leggings getragen, die man zuvor nur von einer Bronzefigur aus Iran kannte. Für die Ausstellung hätten wir den letzten Tag eines 15-jährigen Bergmanns rekonstruiert, auch in Form einer Graphic Novel. Einen Menschen hätten wir auch gezeigt und die Fragestellung aufgegriffen, ob man so etwas überhaupt zeigen kann. Mittlerweile ist es ja ethisch sehr umstritten, Unglücksopfer zu zeigen.


Wie sah die Zusammenarbeit mit Iran für die Ausstellung aus?

Die Restaurierung war eine deutsch-persische Zusammenarbeit mit phantastisch ausgebildeten, iranischen Restauratorinnen. Wir standen beratend zur Seite, was beispielsweise das Klima und die richtige Präsentation angeht. Wir haben da andere Technologien und Möglichkeiten als ein Land, das unter Sanktionen leidet, wo eine Vitrinenausstattung vielleicht nicht das erste ist, womit man sich beschäftigt. Das ist auch in kleinen Museen in Deutschland so, da gehen die Sachen dann auch teilweise kaputt. Wir haben hingegen allein hier im Haus drei Restauratoren. Aktuell lagern die Stücke weiterhin in Zanjan im Institut. Ich bin da auch Optimist. Man muss auch klar sagen: Es ist nicht an uns gescheitert und auch nicht an den Iranern. Es ist schlichtweg an den Umständen in der großen Politik gescheitert. Die Transportangebote werden auch wieder kommen. Ganz abgesehen von der Sicherheit, ich würde im Augenblick auch keine Mitarbeiter*innen in den Iran schicken, weil man dort auch nichts bewirken kann. Es lag ja an den deutschen Firmen. Da holt einen dann die große Politik ein.

Leidet ihre Zusammenarbeit nun unter der Absage der Ausstellung?

Man merkt, dass es in Iran brodelt. Gerade deswegen ist es wichtig, dass wir weiter zusammenarbeiten und im Dialog bleiben mit Kolleginnen und Kollegen. Keinen Kontakt mehr zu haben, wäre gefährlicher. Eine gewisse Normalität und Beziehungen dürfen da nicht abreißen. Es geht schließlich auch nicht um Geschäfte, sondern um Kultur. Wir arbeiten mit iranischen Kolleginnen und Kollegen weiterhin an zwei Projekten, die von der Gerda Henkel Stiftung gefördert werden. Wir verschieben die Ausstellung nun erstmal auf unbestimmte Zeit, bis uns wieder Transporteure und Versicherungen zur Verfügung stehen.

Was war der Grund für die Absage?

Die Stadt Frankfurt hat einen Versicherer, der für alle städtischen Museen zuständig ist. Die Transportfirmen und die Spedition haben sich zurückgezogen, weil ihnen das Risiko aufgrund der aktuellen Lage in Iran zu groß war und die Versicherung aufgrund der US-Sanktionen. Und das obwohl die EU ja offiziell keine Sanktionen verhängt hat. Im Endeffekt haben sich vermutlich aber beide Dinge gegenseitig bedingt. Klar ist, dass wir für eine Summe von 7,9 Millionen Euro nicht das Risiko übernehmen können. Was auch etwas kompliziert ist, dass die iranische Seite eine Rückgabegarantie von staatlichen Stellen wünscht. Sowas war bisher immer theoretisch für mich. Wenn wir eine Rückgabe nach Italien oder in die Slowakei hatten, hat man im Vertrag natürlich garantiert, dass die Funde zu einem bestimmten Zeitpunkt nach der Ausstellung zurückgegeben werden. Normalerweise reicht es aber, wenn das Museum das macht und nicht, dass eine Regierung dafür garantiert.

Haben sie Verluste durch die Ausstellungsverschiebung?

Die Ausstellung ist vorbereitet und ich habe zum Glück auch bis zum allerletzten Moment mit der Produktion von Grafik und Ausstellungsarchitektur gewartet. Der letzte mögliche Termin wäre Anfang Januar gewesen und in dem Moment kam dann auch der Rückzug der Versicherung und des Transportunternehmens. Wären wir schon in die Produktion gegangen, wäre das teuer geworden, da man diese Dinge auch schlecht einlagern kann. Im Augenblick sind es nur die lange Vorbereitungszeit und die vielen Reisen, die wir unternommen haben.

Aber das ist ja keine verlorene Zeit, da sie die Ausstellung nachholen wollen.

Die ältesten Funde, die wir in der Ausstellung zeigen, sind 2400 Jahre alt und wurden vor rund zehn Jahren ausgegraben. Ob sie jetzt ein oder zwei Jahre früher gezeigt werden, ist dann auch egal. Wir haben die Arbeit vorbereitet, wir haben die Kontakte und unsere Zusammenarbeit mit den iranischen Kolleginnen und Kollegen geht unabhängig von dieser Verschiebung weiter.

Wann denken sie, wird die Ausstellung nachgeholt?

Im nächsten Winter oder im übernächsten Sommer sehen wir dann vielleicht schon, wie es weitergeht und man kann die Ausstellung mit den geleisteten Vorarbeiten dann doch realisieren.Im Herbst soll die Ausstellung im Bergbau Museum nach Bochum ausgestellt werden. Eigentlich wären wir die erste Station gewesen. Jetzt hoffen wir, dass wir uns hinten dranhängen können. In einem Zeitfenster von zwei Jahren ist das ja vielleicht auch schon alles wieder beruhigter.

Gab es schon einmal einen Vorfall dieser Art?

Nein. Man muss sich überlegen, dass die Firmen, die gekündigt haben, diejenigen sind, die viel Geld damit verdienen. Es kam in Deutschland vor, beispielsweise bei der Farah-Diba-Ausstellung in Berlin 2016, dass eine Absage politische Gründe hatte. Aber diesmal waren es die Transportunternehmen und hatte mit dem Iran nichts zu tun. Der Grund sind die Dienstleister. Ich kann da aber auch allgemein hauptsächlich nur vom archäologischen Bereich sprechen.

Was haben sie als Alternative für die Ausstellung geplant?

Wie es aussieht, können wir eine Ausstellung vom Herbst in den Juli vorziehen. Eine Ausstellung aus Kasachstan „der goldene Adam“. Wenn die Ausstellung mit St. Leonard im Dom-Museum endet, werden wir die Skulpturen von dort Ende März bei uns im Querschiff ausstellen.

Wird die Absage der Ausstellung einen Einfluss auf ihre Besucherzahlen haben?

An den Besucher- und Einnahmezahlen wird sich etwas ändern, das ist klar. Wir haben auch viele Drittmittel bekommen, diese versuchen wir zu retten. Aber es wäre auch unsere wichtigste Ausstellung in diesem Jahr gewesen, die uns zwei Jahre Arbeit gekostet hat. Wir füllen die Lücke, aber eben nicht mit etwas vergleichbarem, was so einzigartig gewesen wäre.
 
31. Januar 2020, 13.27 Uhr
Johanna Wendel
 
 
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