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„Hessischer Jazzpreis“ für Corinna Danzer
„Ich finde, dass nur nach Noten lernen Quatsch ist“
Saxophonistin Corinna Danzer erhält am Donnerstag (16. November) den „Hessischen Jazzpreis 2023“ im Rahmen des „Hessischen Jazzpodiums 2023“ in der Hochschule für Musik und Darstellen Kunst als Musikerin und für ihre Lehrtätigkeit als Jazzvermittlerin.
Die Post wäre beinahe im Müll gelandet. Der unscheinbare Umschlag war zwischen Zeitungsseiten gerutscht, fiel aber glücklicherweise zu Boden und entpuppte sich nicht als Werbung. Absender des Briefes: das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst. Corinna Danzer mochte zunächst nicht glauben, was sie da las. Sie sollte die Preisträgerin des „Hessischen Jazzpreises 2023“ werden. „Ich musste erst mal Luft holen. Ich konnte es nicht fassen“, erinnert sich die Saxophonistin. „Denn das kam völlig überraschend.“ Warum? „Weil ich als Musikerin zuletzt nicht mehr ganz so präsent war, keine konstante Band habe, nicht auf Tournee gehe und auch lange keine CD-Aufnahmen gemacht habe.“ Tatsächlich spielt sie regelmäßig in Friedberg, tritt mit Gitarrist Martin Lejeune in Duo auf, ist (neben u. a. Ralf Cetto und Thomas Cremer) Mitglied der Frankfurt Jazz Bigband unter der Leitung von Wilson de Oliveira und rief das „Harlem am Main“-Projekt mit Jonas Lohse ins Leben.
Aufgewachsen in Göttingen war es 1979 ein Free Jazz-Konzert von Gunter Hampel in einem besetzten Haus, das Danzer, Jahrgang 1962, für den Jazz begeisterte. Erst mit 21 kaufte sie sich ihr erstes Saxophon. „Ich bin dann vom Free Jazz aus rückwärts durch die Jazzgeschichte gegangen“, entdeckte sie erst John Coltrane und Sonny Rollins. später dann Charlie Parker. Bald wusste sie, dass sie Musik studieren wolle. „Ich hatte wirklich Glück, dass meine Eltern gesagt haben: ,Ok, Schätzchen – Du hast zwei Semester Psychologie, vier Semester Sozialwissenschaften studiert, wir bezahlen dir auch noch mal Konservatorium. Das war sehr nett von ihnen. Ich hatte ja drei Geschwister und war schon 24.“ Sie ging zunächst nach Oldenburg, dann nach Hilversum in den Niederlanden, wo sie als erste Frau am Saxophon abschloss.
Hessischer Jazzpreis für Corinna Danzer: „Ich bin vom Free Jazz aus rückwärts durch die Jazzgeschichte gegangen“
Dort lernte sie – neben Lejeune und Anke Helfrich – den Schlagzeuger Wolfgang Güttler kennen, der sie nach Frankfurt einlud. „Da bin ich mit offenen Armen empfangen worden“, erzählt Danzer. Wie schnell sie am Main angekommen war belegt, dass sie gleich 1991 das „Arbeitsstipendium Jazz der Stadt Frankfurt am Main“ zugesprochen bekam. Sie denkt gerne zurück an die Dreikönigskeller-Sessions und Konzerte im TAT-Café. Man sah oft „die Helden“, Heinz Sauer, Christof Lauer, die Mangelsdorff-Brüder, Alfred 23 Harth oder John Schröder auf der Bühne oder im Publikum. Sie wurde Substitut von Tony Lakatos, spielte mit der hr-Bigband neben Toots Thielemans und Ingrid Jensen und war beim „Deutschen Jazzfestival“ dabei. Danzer schwärmt von „einer krass lebendigen Szene“ in den Neunzigern. Mit dem europäisch besetzten United Women’s Orchestra nahm sie drei Platten auf. Vom Corinna Danzer/Martin Lejeune Quartett erschien der „Jazzmädchenreport Teil 1“.
Der Schwerpunkt ihrer Arbeit verschob sich, als ihr Sohn geboren wurde und die Familie raus aus Frankfurt nach Ockstadt zog. Danzer gab vermehrt Saxophonunterricht, war damit aber nicht glücklich, sich an den üblichen Saxophonschulen zu orientieren. „Ich finde, dass nur nach Noten lernen Quatsch ist“, wagte sie Experimente. Als sie vom „Primacanta“-Programm von Professor Dr. Werner Jank und dessen „Aufbauenden Musikunterricht“ las, fand sie sich darin wieder. „Musik lernen ist im Idealfall wie Sprache lernen. Die Kinder sollten umgeben sein von Klang. Kein Kind lernt sprechen, wenn es nicht von Sprache umgeben ist. Erst nach sechs Jahren kommt Lesen und Schreiben“. Musikunterricht an Grundschulen folgte – so Danzer – dem Prinzip: „Wir hören ,Die Moldau’ und malen ein Bild. Und nächste Woche machen wir ein bisschen Body-Percussion. Und dann machen wir mal Instrumentenkunde. Dann lesen wir die Biografie von Mozart. Und dann malen wir wieder ein Bild. Da war kein Aufbau drin.“
„Wir haben viel gesungen, beim Kochen, auf Autofahrten. Im Kindergarten kannte ich bestimmt schon hundert Lieder“
Zwar gab es in ihrer Jugend noch keinen „Aufbauenden Musikunterricht“, dafür hatte sie Hörerfahrungen in Hülle und Fülle in ihrer Familie. Die Mutter war Mitglied in einem Bach-Chor, spielte Klavier. „Wir haben viel gesungen, beim Kochen, auf Autofahrten. Im Kindergarten kannte ich bestimmt schon hundert Lieder“, konnten die Geschwister bereits Kanon singen. Solche Fähigkeiten bringen ihre Schüler an der Grundschule in Ockstadt nicht mit. „Da muss man nachfüttern“, lacht Danzer. Die selbst gemalten Bilder an der Wand, Horn, Querflöte, Geige, Cello, werden ersetzt durch Saxophon und Keyboards und Bildern von Bigbands. Und Jazz will sie lehren. „Weil Jazz die Wurzel von Popmusik ist.“
Zusammen mit ihrer Kollegin Ulrike Schwarz hat sie das immense Potential der Schnittmenge zwischen Aufbauen- dem Musikunterricht und Jazz entdeckt. „Dafür brenne ich,“ Das Angebot zum Nutzen der Lehramts-Studierenden an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst heißt „Jump Into Jazz“. Die Preisverleihung findet am 18. November um 18 Uhr im Rahmen des „Hessischen Jazzpodiums 2023“ im Kleinen Saal der HfMDK statt. Als Laudator konnte Wolfgang Sandner (FAZ) gewonnen werden, das Preisträgerkonzert spielt Corinna Danzer im Duo mit ihrem musikalischen Langzeitweggefährten Martin Lejeune (Gitarre).
Info
Hessisches Jazzpodium, Ffm: HfMDK, Eschersheimer Landstraße 29, 16.–18.11., 18 Uhr, Eintritt: 6–8 €
Das Portrait erschien im Rahmen der Titelgeschichte „Jazzstadt Frankfurt – Ein Jahrhundert Jazz in Frankfurt“
Aufgewachsen in Göttingen war es 1979 ein Free Jazz-Konzert von Gunter Hampel in einem besetzten Haus, das Danzer, Jahrgang 1962, für den Jazz begeisterte. Erst mit 21 kaufte sie sich ihr erstes Saxophon. „Ich bin dann vom Free Jazz aus rückwärts durch die Jazzgeschichte gegangen“, entdeckte sie erst John Coltrane und Sonny Rollins. später dann Charlie Parker. Bald wusste sie, dass sie Musik studieren wolle. „Ich hatte wirklich Glück, dass meine Eltern gesagt haben: ,Ok, Schätzchen – Du hast zwei Semester Psychologie, vier Semester Sozialwissenschaften studiert, wir bezahlen dir auch noch mal Konservatorium. Das war sehr nett von ihnen. Ich hatte ja drei Geschwister und war schon 24.“ Sie ging zunächst nach Oldenburg, dann nach Hilversum in den Niederlanden, wo sie als erste Frau am Saxophon abschloss.
Dort lernte sie – neben Lejeune und Anke Helfrich – den Schlagzeuger Wolfgang Güttler kennen, der sie nach Frankfurt einlud. „Da bin ich mit offenen Armen empfangen worden“, erzählt Danzer. Wie schnell sie am Main angekommen war belegt, dass sie gleich 1991 das „Arbeitsstipendium Jazz der Stadt Frankfurt am Main“ zugesprochen bekam. Sie denkt gerne zurück an die Dreikönigskeller-Sessions und Konzerte im TAT-Café. Man sah oft „die Helden“, Heinz Sauer, Christof Lauer, die Mangelsdorff-Brüder, Alfred 23 Harth oder John Schröder auf der Bühne oder im Publikum. Sie wurde Substitut von Tony Lakatos, spielte mit der hr-Bigband neben Toots Thielemans und Ingrid Jensen und war beim „Deutschen Jazzfestival“ dabei. Danzer schwärmt von „einer krass lebendigen Szene“ in den Neunzigern. Mit dem europäisch besetzten United Women’s Orchestra nahm sie drei Platten auf. Vom Corinna Danzer/Martin Lejeune Quartett erschien der „Jazzmädchenreport Teil 1“.
Der Schwerpunkt ihrer Arbeit verschob sich, als ihr Sohn geboren wurde und die Familie raus aus Frankfurt nach Ockstadt zog. Danzer gab vermehrt Saxophonunterricht, war damit aber nicht glücklich, sich an den üblichen Saxophonschulen zu orientieren. „Ich finde, dass nur nach Noten lernen Quatsch ist“, wagte sie Experimente. Als sie vom „Primacanta“-Programm von Professor Dr. Werner Jank und dessen „Aufbauenden Musikunterricht“ las, fand sie sich darin wieder. „Musik lernen ist im Idealfall wie Sprache lernen. Die Kinder sollten umgeben sein von Klang. Kein Kind lernt sprechen, wenn es nicht von Sprache umgeben ist. Erst nach sechs Jahren kommt Lesen und Schreiben“. Musikunterricht an Grundschulen folgte – so Danzer – dem Prinzip: „Wir hören ,Die Moldau’ und malen ein Bild. Und nächste Woche machen wir ein bisschen Body-Percussion. Und dann machen wir mal Instrumentenkunde. Dann lesen wir die Biografie von Mozart. Und dann malen wir wieder ein Bild. Da war kein Aufbau drin.“
„Wir haben viel gesungen, beim Kochen, auf Autofahrten. Im Kindergarten kannte ich bestimmt schon hundert Lieder“
Zwar gab es in ihrer Jugend noch keinen „Aufbauenden Musikunterricht“, dafür hatte sie Hörerfahrungen in Hülle und Fülle in ihrer Familie. Die Mutter war Mitglied in einem Bach-Chor, spielte Klavier. „Wir haben viel gesungen, beim Kochen, auf Autofahrten. Im Kindergarten kannte ich bestimmt schon hundert Lieder“, konnten die Geschwister bereits Kanon singen. Solche Fähigkeiten bringen ihre Schüler an der Grundschule in Ockstadt nicht mit. „Da muss man nachfüttern“, lacht Danzer. Die selbst gemalten Bilder an der Wand, Horn, Querflöte, Geige, Cello, werden ersetzt durch Saxophon und Keyboards und Bildern von Bigbands. Und Jazz will sie lehren. „Weil Jazz die Wurzel von Popmusik ist.“
Zusammen mit ihrer Kollegin Ulrike Schwarz hat sie das immense Potential der Schnittmenge zwischen Aufbauen- dem Musikunterricht und Jazz entdeckt. „Dafür brenne ich,“ Das Angebot zum Nutzen der Lehramts-Studierenden an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst heißt „Jump Into Jazz“. Die Preisverleihung findet am 18. November um 18 Uhr im Rahmen des „Hessischen Jazzpodiums 2023“ im Kleinen Saal der HfMDK statt. Als Laudator konnte Wolfgang Sandner (FAZ) gewonnen werden, das Preisträgerkonzert spielt Corinna Danzer im Duo mit ihrem musikalischen Langzeitweggefährten Martin Lejeune (Gitarre).
Hessisches Jazzpodium, Ffm: HfMDK, Eschersheimer Landstraße 29, 16.–18.11., 18 Uhr, Eintritt: 6–8 €
Das Portrait erschien im Rahmen der Titelgeschichte „Jazzstadt Frankfurt – Ein Jahrhundert Jazz in Frankfurt“
16. November 2023, 08.18 Uhr
Detlef Kinsler
Detlef Kinsler
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt. Mehr von Detlef
Kinsler >>
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Text: Florian Aupor / Foto: Über den Holbeinsteg zum Museumsufer © Adobe Stock/Branko Srot
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24. Dezember 2024
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