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Mobbing bei Kindern

Jedes sechste Kind von Mobbing betroffen

Studien zeigen: Immer mehr Kinder leiden unter Mobbing. Die Folgen können mitunter schwerwiegend sein. Was können Eltern tun?
Mobbing kann jeden treffen. Eine aktuelle Studie der Techniker Krankenkasse aus dem Februar 2024 zeigt, dass jedes sechste Kind in Deutschland davon betroffen ist. Ein beschädigtes Selbstvertrauen, Leistungsabfall, Depressionen bis hin zu Suizid können die Folgen sein. Die Mobbing-Erfahrungen, die Betroffene in ihrer Kindheit machen, begleiten sie dabei meist bis ins Erwachsenenalter hinein. Doch wann beginnt Mobbing und wann ist es ein ganz normaler Konflikt unter Gleichaltrigen? Mobbing wird definiert als Gewalt an einer Person innerhalb einer sozialen Bezugsgruppe. Diese Gruppe quält oder schädigt diese Person über einen längeren Zeitraum hinweg, beispielsweise durch das Schüren von Gerüchten, durch Ausgrenzung oder auch körperliche Gewalt. Zwischen den Akteuren, also den Personen, die Mobbing auslösen und den Betroffenen, herrscht dabei immer ein Machtungleichgewicht.

Und noch ein ganz gravierender Punkt unterscheidet Mobbing von einem harmlosen Streit: „Kinder können Mobbing nicht selbstständig beenden. Da braucht es uns Erwachsene“, erklärt Andrea Schmidt, stellvertretende Leiterin des Projekts „Gewaltprävention und Demokratielernen“ (GuD) des Hessischen Ministeriums für Kultus, Bildung und Chancen. Ganz gleich, ob Eltern merken, dass ihre Kinder betroffen sind oder Kinder das Mobbing stoppen wollen: Die Lehrkraft sollte Schmidt zufolge dann als erstes angesprochen werden. Eltern sollten auf keinen Fall ohne Absprache vorgehen, sondern mit der Schule zusammenarbeiten. Die betroffenen Kinder brauchen in solchen Situationen vor allem ein offenes Ohr: Das Leid anzuerkennen, Vertrauen aufzubauen, diese Dinge seien besonders wichtig, sagt Schmidt. Ganz dringend zu beachten sei dabei auch, dass nichts ohne Absprache mit ihnen geschehen sollte.

Eine Vorgehensweise, die sich für das Stoppen des Mobbing-Prozesses besonders bewährt hat, ist laut Schmidt der „No-Blame-Approach“. Dabei wird nach dem Gespräch mit der betroffenen Person eine Unterstützungsgruppe gebildet, zu der Akteure, weitere Beteiligte des Mobbings, aber auch Unterstützer des Betroffenen und bisher Unbeteiligte gehören. Gemeinsam entwickeln diese dann Ideen, wie es der von Mobbing betroffenen Person besser gehen kann. „Erfahrungsgemäß kann damit Mobbing in weit über 80 Prozent der Fälle gestoppt werden“, so Schmidt.

Mobbing über das Internet kann in vielen Formen auftreten

Mit der Digitalisierung kam und kommt eine neue Form hinzu: das Cybermobbing. Mobbing über das Internet kann in vielen Formen auftreten: Beleidigungen und Drohungen in Chats oder in Kommentaren, Verbreitung manipulierter Fotos oder auch Ausgrenzung aus WhatsApp-Gruppen – und das rund um die Uhr. Und genau das macht Cybermobbing besonders gefährlich: Einen „sicheren“ Ort wie das Zuhause oder eine Pause gibt es nicht. Ob morgens am Frühstückstisch, abends am Laptop oder auch im Urlaub – immer und überall droht ein neuer Angriff. Heutzutage gehe analoges Mobbing fast immer auch mit Cybermobbing einher, sagt Schmidt. „Deswegen ist es auch so wichtig, Mobbing-Prävention und -intervention in den Fokus zu rücken.“

Verschiedene Digital-Experten, zum Beispiel von der EU-Initiative klicksafe, raten Erwachsenen, den Kindern und Jugendlichen zu vermitteln, vorsichtig mit persönlichen Daten und Fotos umzugehen: Wohnort, Schule, Handynummer und das Passwort sollten Geheimnis bleiben und nicht öffentlich einzusehen sein. Doch was tun, wenn es dann (trotzdem) passiert ist? Wichtig ist, den Vorfall zu dokumentieren, Beweise zu sichern. Also: Screenshots machen, Nachrichten speichern und Informationen zu Tätern und Plattform notieren. Auch sich an den Betreiber der Plattform zu wenden, auf der das Mobbing stattfindet, ist ratsam. Dieser ist dazu verpflichtet, die Inhalte zu löschen. Sollte er das nicht tun, können sich Betroffene an eine Beschwerde-Hotline (beispielsweise www.jugendschutz.net) wenden. Und natürlich: den Angreifer so weit es geht blockieren.

Wohnort, Schule, Handynummer und das Passwort sollten Geheimnis bleiben und nicht öffentlich einzusehen sein.

In vielen Fällen kommen solche Angriffe im Netz auch aus dem sozialen Umfeld des Kindes. Auch hier ist es laut Schmidt ratsam, das Gespräch mit der Schule zu suchen. Es gibt jedoch auch Fälle, die so massiv sind, dass eine Anzeige ab einem bestimmten Alter in Frage kommen könnte. Wie bei allen anderen Vorgehensweisen rät Schmidt aber auch hier, sich mit pädagogischen Fachkräften abzusprechen und sich beraten zu lassen, zum Beispiel anonym von der Jugendkoordination der Polizei.

Seit dem Schuljahr 2023/24 sind hessische Schulen dazu verpflichtet, ein Schutzkonzept gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch zu entwickeln. Ein Baustein davon ist auch der Medienschutz und damit das Thema Cybermobbing. „Das macht es auch nochmal sichtbarer“, sagt Schmidt. Mobbing entsteht ihr zufolge insbesondere dann, wenn Konflikte schlecht oder gar nicht gelöst werden. Es müsse einen Rahmen und einen Raum geben, in dem diese Konflikte angesprochen werden und konstruktiv bearbeitet werden können. „Wenn man da ganz früh reingeht, besteht die Chance, dass Mobbing gar nicht erst entsteht.“

Info
Beratungsangebote für Eltern und pädagogische Fachkräfte zum Thema Mobbing bieten folgende Anlaufstellen:
• Das Projekt „Gewaltprävention und Demokratielernen“
• Die Schulpsychologische Beratung in staatlichen Schulämtern
• Das Netzwerk gegen Gewalt
www.klicksafe.de
www.digitale-helden.de
 
19. April 2024, 10.50 Uhr
Leni Winter
 
 
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