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Foto: Münchener Straße, Richtung Langer Franz © Harald Schröder
Foto: Münchener Straße, Richtung Langer Franz © Harald Schröder

Demokratie gestalten

Warum auch Frankfurt mehr privaten Stadtraum braucht

Kann Stadtbau Demokratie gestalten? Nein, aber sie kann den sozialen Zusammenhalt einer demokratischen Gesellschaft fördern. Wie genau, darauf geht Christoph Mäckler in seinem Gastbeitrag ein.
In der alten, europäischen Stadt finden sich diese Voraussetzungen. In der neuen Stadt nicht. Deshalb benötigt sie einen „Quartiersmanager“. In den alten Quartieren der europäischen Stadt benötigt es keine „Quartiersmanager“ zur sozialen Stabilisierung. Warum nicht? Weil es in der alten, europäischen Stadt grundsätzlich stadträumliche Voraussetzungen gibt, die ein soziales Miteinander befördern. Der neuen Stadt fehlen diese Voraussetzungen.

Der private Stadtraum – Hof und Garten versus „Wohnumfeld“

So ist die europäische Stadt im Gegensatz zu unseren Neubauquartieren über eine Blockstruktur prinzipiell in öffentliche und private Räume getrennt. Der heutige Städtebau kennt diese Unterscheidung nicht. Außer in der Planung von Einfamilienhausbebauungen und Gewerbegebieten finden sich in Deutschlands Städtebau keine privaten Stadträume, Höfe oder Gärten mehr. Damit fehlen der Stadt die Nischen, in denen sich soziales Leben entwickeln kann.

Die Trennung der Stadt in öffentliche und private Räume stellt schon deshalb eine grundlegende Qualität im Städtebau dar, weil den Bewohnern damit zusätzlich zu ihren Wohnungen Freiflächen, Gärten und Höfe, auf dem Grundstück ihrer Mietshäuser zur Verfügung gestellt werden können, um die sie sich in Eigenverantwortung und im Austausch miteinander kümmern. Diese Verantwortung löst innerhalb einer Hausgemeinschaft eine hohe Identifikation mit dem eigenen „zu Hause“ aus. Sie entwickelt aber auch gegenseitiges Vertrauen.

50 Prozent der Einwohner in Deutschland leben zur Miete – und brauchen mehr private Freiflächen

In einer Zeit, in der beide Elternteile beruflich engagiert sind, ist der hauseigene Hof- oder Gartenraum für das Aufstellen einer Sandkiste beispielsweise bestens geeignet, weil er im geschlossenen Hof der Aufsicht der Hausgemeinschaft unterliegt. Die Kinder sind auch ohne das Beisein ihrer Eltern beaufsichtigt.

Schon jedes Reihenhaus hat diese Sandkiste im Garten stehen. Warum, so fragt man sich, gewährt der heutige Städtebau dem Besitzer des Reihenhauses die private Freifläche, dem Bewohner des Mietshauses aber nicht? 50 Prozent der Einwohner leben in Deutschland zur Miete! Trotzdem hat das heutige Mietshaus keine privaten Freiflächen, keine Höfe und Gärten, in denen Kinder ungestört spielen können. Vielmehr ist es von öffentlichen Freiflächen, dem sogenannten Wohnumfeld, umgeben.

Eigenverantwortliche Organisation von Hof und Garten fördert Demokratie

Der Verantwortungsverlust, der sich für die Bewohner damit auftut, führt zum Verlust des sozialen Zusammenhalts, zur Anonymität und zum hilflosen Versuch, diesem Verlust mit staatlich geförderten Quartiersmanagern entgegenzuwirken. Die eigenverantwortliche Organisation von Hof und Garten dagegen, die nur durch die Trennung in öffentliche und private Stadträume ermöglicht wird, stärkt das soziale Miteinander und fördert demokratisches Verhalten in der täglichen Auseinandersetzung der Hausgemeinschaft.

Eine jede Stadt funktioniert über ihre Straßen, mit denen die privaten Grundstücke erschlossen werden, aber erst mit der Einfassung durch die Straßenfassaden wird die Straße auch zum Straßenraum. Dieser Straßenraum muss, wie der Hofraum, als Wohnraum der Stadt verstanden werden. Straßen- und Platzräume bilden den sichtbaren Charakter einer Stadt und werden für jede Art von öffentlichem Zusammenkommen, Märkten, Festen und Demonstrationen genutzt. Es sind Räume, deren Schönheit von der Geschlossenheit der Straßen- und Platzfassaden ihrer Mietshäuser bestimmt werden.

Straßenräume und individuelle Fassaden
Die Mietshäuser der europäischen Stadt haben Standardgrundrisse. Aber jedes dieser Häuser hat im Unterschied zu heute individuelle Straßenfassaden. Jeder Hauseingang, jedes Haus hat seine eigene Fassade. Dies gibt jeder Straße ihren eigenen Charakter und führt für die Mieter zur Identifikation mit „ihrem“ Haus und „ihrem“ Straßenraum.

Straßenräume und soziale Vielfalt
Die europäische Stadt hat Straßenräume mit Mietshäusern, die verschiedene Wohnungsgrößen haben und damit unterschiedlichen Einkommensgruppen Wohnraum bieten. Das fördert die soziale Vielfalt einer demokratischen Gesellschaft auf nur einer einzigen Parzelle und steht ganz im Gegensatz zu den anonymen Großbauten des geförderten Wohnungsbaus unserer Zeit.
Straßenräume und funktionale Mischung

Die europäische Stadt hat Gewerbehofhäuser, in denen auf mehreren Geschossen unterschiedliche Betriebe, vom Startup bis zum Malerbetrieb, untergebracht sind. Dieser Haustyp stellt einen der beliebtesten Arbeitsplätze dar, weil er sich inmitten der Stadt befindet. Die Verdrängung der Arbeitsplätze in Gewerbegebiete lässt das Leben in der Stadt absterben.

Straßenräume und hohe Dichte
Eine der grundlegenden Voraussetzungen für das Funktionieren eines lebendigen Stadtviertels ist die Einwohnerdichte. Die dicht gebaute Stadt hat kurze Wege und führt zu Sozialkontakten, die in der flächenfressenden Weite unserer Neubaugebiete nicht vorhanden sind.
Einwohnerdichte bedeutet nicht hohe Häuser entlang dunkler Straßen, sondern entsteht, wie die Stadtviertel des 19. Jh. zeigen, durch das Flügelhaus, das sich mit seinen Höfen in die Tiefe des Grundstücks entwickelt.

Straßenräume und Verkehrs-Trasse
Die „autogerechte Stadt“ der 70er-Jahre hat mit ihren weißen Fahrspurmarkierungen und dreispurigem Ausbau die Stadt-Straße zur Verkehrs-Trasse für den Automobilverkehr degradiert. Hilflos versucht man dies mit roten Farbmarkierungen zu ändern.
Städtebaulich aber bedarf es eines Rückbaus zur deutlich langsameren schönen Stadtstraße mit Gegenverkehr. Die Stadt Kopenhagen hat dies umgesetzt. Unser Farbfunktionalismus zerstört den lebenswerten öffentlichen Wohnraum der Stadt.

Straßenräume und öffentliche Gebäude
Grundsätzlich und leider in Vergessenheit geraten, wird mit der Präsenz öffentlicher Gebäude im Stadtraum die Identifikation mit der Stadt gefördert. So werden in Frankfurt am Main alle Straßenräume, die auf den Hauptbahnhof zuführen, eindrucksvoll von seinen Eckrisaliten und dem Hauptportal städtebaulich abgeschlossen. In der entgegengesetzten Richtung vom Bahnhof aus, erblickt der ankommende Reisende durch die Münchener Straße den Rathausturm Frankfurts.

Als Symbol unserer parlamentarischen Demokratie darf das Rathaus fast 80 Jahre nach Kriegsende, in einer Zeit, in der die Demokratie weltweit in Frage gestellt wird, die Stadt Frankfurt am Main nicht als Ruine mit Notdach repräsentieren.
Info

Zur Person: Christoph Mäckler, 1951 in Frankfurt am Main geboren, leitet dort seit 1981 das Büro MÄCKLER ARCHITEKTEN und war von 1998 bis 2018 Professor für Städtebau an der TU Dortmund. Gastprofessuren hatte er in Neapel, an der TU Braunschweig und der Universität Hannover. Christoph Mäckler bringt sich mit kritischen Beiträgen immer wieder in die zeitgenössische Architekturdebatte ein. Er gründete 2008 das Deutsche Institut für Stadtbaukunst und berät zahlreiche Städte.
 
30. November 2023, 11.40 Uhr
Christoph Mäckler
 
 
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