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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

Nachruf: Peter Zingler

Blick von unten

Peter Zingler war Berufseinbrecher, Schriftsteller und Mitbegründer der Romanfabrik. Nun ist er im Alter von 78 Jahren gestorben. Ein Nachruf.
Die Volten, die das Schicksal schlägt, sind schwer zu durchschauen. Am 30. Dezember 2022, fünf Tage nach Michael Hohmann, dem Leiter der Romanfabrik, ist Peter Zingler gestorben. In seinem 2015 in der Frankfurter Verlagsanstalt erschienenen Roman „Im Tunnel“ erzählt Peter Zingler das Leben eines Mannes namens Paul Zakowski, P.Z., der genauso gut aber auch Peter Zingler hätte heißen können. Gäbe es Peter Zinglers Biografie nicht, man müsste sie erfinden.

1944 in Chemnitz geboren, in Köln aufgewachsen, bei der Großmutter, die er lange für seine Mutter hielt, fing Zingler schon als Kind mit Diebstählen an; im Alter von 15 Jahren landete er erstmals im Knast. „Ich habe“, so sagt er später in einem Interview, „niemals Unrechtsbewusstsein gelernt.“ „Fringsen“, so nannte man im Köln der Nachkriegszeit das Stehlen, angelehnt an einen Ausspruch des damaligen Erzbischofs Josef Frings, der den Diebstahl von Kohlen zum Zweck des Überlebens ausdrücklich billigte. Paul Zakowski, Zinglers Alter Ego in „Im Tunnel“, hat den Zeitpunkt verpasst, an dem aus „fringsen“ ein krimineller Akt wurde; den Zeitpunkt, an dem die chaotische unmittelbare Nachkriegszeit vorbei war und die Bundesrepublik zum geordneten Adenauerstaat wurde. Zingler wurde Berufseinbrecher, und er erzählt von seinen Einbruchszügen im selben hemdsärmeligen Tonfall wie von seinen Weibergeschichten oder seiner Ausbildung zum Metzger.

1973 kommt Zingler nach Frankfurt. Ein Freund aus Kölner Tagen, der in Frankfurt das legendäre (und vor kurzem abgerissene) Bordell „Sudfass“ betrieb (und noch einiges mehr), stellt ihm eine Wohnung zur Verfügung. Die Frankfurter Polizei bildet eine Sonderkommission Zingler. So hätte das immer weitergehen können. Das Fazit, das Zingler aus seinen Gefängniserfahrungen zieht: „Es gibt zwei Sorten von Menschen: Die, die im Knast sitzen, und die, die in den Knast gehören.“ Auch das ist ein Weltbild. P.Z. hatte allerdings auch ein zweites Leben: Von jeher war Zingler ein Leser. Hat verschlungen, was ihm unter die Finger kam, von Gottfried Keller bis zu Dostojewski. Und während seiner Gefängnisaufenthalte wurde er auch zum Autor. Mehr als 15 Romane und mehr als 70 Drehbücher für das Fernsehen, darunter für den „Tatort“ oder „Ein Fall für zwei“ hat Zingler verfasst. Er kannte das Milieu, hatte ein Herz für die heruntergekommenen Kleinkriminellen und vermeintlichen Versager, für die immer wieder Gescheiterten.

Und Peter Zingler war einer der Gründer der Romanfabrik im Jahr 1985. Die Geschichte geht so: Da war Peter Zingler, der professionelle Dieb, der im Gefängnis zu schreiben begann. Da war Doris Lerche, Schriftstellerin und Cartoonistin, die sich in Zingler verliebte. Und da war Dieter Engel, Besitzer des besagten legendären und mittlerweile längst abgerissenen Bordells „Sudfaß“, der Zingler nach seiner Entlassung in einem Keller in der Uhlandstraße eine Kneipe einrichtete. Im Ostend, zu einem Zeitpunkt, zu dem das Wort Gentrifizierung noch nicht einmal erfunden worden war. Der Osten war wild, von der Stadtplanung vernachlässigt. Geradezu ein Labor für freies, unkonventionelles Denken. Der Name „Romanfabrik“ war nur halbironisch gemeint: Die Menschen, die dort arbeiteten, wollten von dem, was sie produzierten, leben. Auch wenn es Literatur war. Peter Zingler, Jürgen Lentes, Michael Hohmann. Drei Namen, die für das unverwechselbare, eigenständige, eigenwillige Profil der Romanfabrik standen. Nun lebt keiner mehr von ihnen. Und das ist, ganz insgesamt, ein Jammer.
 
11. Januar 2023, 11.35 Uhr
Christoph Schröder
 
 
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